Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Milton, John: Das Verlohrne Paradies. Bd. 1. Übers. v. Justus Friedrich Wilhelm Zachariae. Altona, 1760.

Bild:
<< vorherige Seite

Vierter Gesang.
Unter dem freyen Himmel Gott an; den Gott, der den Himmel,
725Und die Erd, und die Luft, und die leuchtende Kugel des Mondes,
Und die Sternenpol machte. Du machtest, Allmächtger, die Nacht auch,
Und du machtest den Tag. Mit unsrer Arbeit beschäfftigt,
Haben wir ihn geendet; glückseelig in unserer Hülfe,
Und in gegenseitiger Liebe, der Krone des Seegens,
730Welchen du auf uns verstreut in diesem lustreichen Orte,
Der zu groß für uns ist; denn deinem Ueberfluß mangelts
Hier an solchen, die ganz ihn genießen, und unabgepflücket
Fällt er auf die Erde herab. Doch hast du uns beyden
Eine zahlreiche Nachkommenschaft versprochen, die Erde
735Zu erfüllen; die sollen mit uns die unendliche Güte
O Allmächtger, erheben, so wohl wenn wir wachen, als wenn wir
So wie itzo den Schlaf, den du uns schenktest, erwarten.

Einmüthig sagten sie dieses, und bey den Händen sich haltend;
Giengen sie in den innersten Theil der lustreichen Laube,
740Ohne Beobachtung andrer Gebräuche, als reinen Anbetens,
Welches Gott am gefälligsten ist. Sie hatten nicht nöthig
Von der mühsamen Verkleidung sich zu entledigen, die wir
Tragen, und legten so gleich sich nebeneinander nieder.
Adam wandte sich auch von seiner schönen Vermählten,
745Glaub ich sicher, nicht weg; und Eva schlug die geheimen
Sitten der ehlichen Liebe nicht aus, was immer die Heuchler
Noch so strenge von Reinigkeit, Unschuld und heiligem Orte
Reden mögen, indem sie als Unrein verläumden, was Gott selbst
Rein

Vierter Geſang.
Unter dem freyen Himmel Gott an; den Gott, der den Himmel,
725Und die Erd, und die Luft, und die leuchtende Kugel des Mondes,
Und die Sternenpol machte. Du machteſt, Allmaͤchtger, die Nacht auch,
Und du machteſt den Tag. Mit unſrer Arbeit beſchaͤfftigt,
Haben wir ihn geendet; gluͤckſeelig in unſerer Huͤlfe,
Und in gegenſeitiger Liebe, der Krone des Seegens,
730Welchen du auf uns verſtreut in dieſem luſtreichen Orte,
Der zu groß fuͤr uns iſt; denn deinem Ueberfluß mangelts
Hier an ſolchen, die ganz ihn genießen, und unabgepfluͤcket
Faͤllt er auf die Erde herab. Doch haſt du uns beyden
Eine zahlreiche Nachkommenſchaft verſprochen, die Erde
735Zu erfuͤllen; die ſollen mit uns die unendliche Guͤte
O Allmaͤchtger, erheben, ſo wohl wenn wir wachen, als wenn wir
So wie itzo den Schlaf, den du uns ſchenkteſt, erwarten.

Einmuͤthig ſagten ſie dieſes, und bey den Haͤnden ſich haltend;
Giengen ſie in den innerſten Theil der luſtreichen Laube,
740Ohne Beobachtung andrer Gebraͤuche, als reinen Anbetens,
Welches Gott am gefaͤlligſten iſt. Sie hatten nicht noͤthig
Von der muͤhſamen Verkleidung ſich zu entledigen, die wir
Tragen, und legten ſo gleich ſich nebeneinander nieder.
Adam wandte ſich auch von ſeiner ſchoͤnen Vermaͤhlten,
745Glaub ich ſicher, nicht weg; und Eva ſchlug die geheimen
Sitten der ehlichen Liebe nicht aus, was immer die Heuchler
Noch ſo ſtrenge von Reinigkeit, Unſchuld und heiligem Orte
Reden moͤgen, indem ſie als Unrein verlaͤumden, was Gott ſelbſt
Rein
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <lg type="poem">
          <lg n="19">
            <pb facs="#f0187" n="167"/>
            <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Vierter Ge&#x017F;ang.</hi> </fw><lb/>
            <l>Unter dem freyen Himmel Gott an; den Gott, der den Himmel,</l><lb/>
            <l><note place="left">725</note>Und die Erd, und die Luft, und die leuchtende Kugel des Mondes,</l><lb/>
            <l>Und die Sternenpol machte. Du machte&#x017F;t, Allma&#x0364;chtger, die Nacht auch,</l><lb/>
            <l>Und du machte&#x017F;t den Tag. Mit un&#x017F;rer Arbeit be&#x017F;cha&#x0364;fftigt,</l><lb/>
            <l>Haben wir ihn geendet; glu&#x0364;ck&#x017F;eelig in un&#x017F;erer Hu&#x0364;lfe,</l><lb/>
            <l>Und in gegen&#x017F;eitiger Liebe, der Krone des Seegens,</l><lb/>
            <l><note place="left">730</note>Welchen du auf uns ver&#x017F;treut in die&#x017F;em lu&#x017F;treichen Orte,</l><lb/>
            <l>Der zu groß fu&#x0364;r uns i&#x017F;t; denn deinem Ueberfluß mangelts</l><lb/>
            <l>Hier an &#x017F;olchen, die ganz ihn genießen, und unabgepflu&#x0364;cket</l><lb/>
            <l>Fa&#x0364;llt er auf die Erde herab. Doch ha&#x017F;t du uns beyden</l><lb/>
            <l>Eine zahlreiche Nachkommen&#x017F;chaft ver&#x017F;prochen, die Erde</l><lb/>
            <l><note place="left">735</note>Zu erfu&#x0364;llen; die &#x017F;ollen mit uns die unendliche Gu&#x0364;te</l><lb/>
            <l>O Allma&#x0364;chtger, erheben, &#x017F;o wohl wenn wir wachen, als wenn wir</l><lb/>
            <l>So wie itzo den Schlaf, den du uns &#x017F;chenkte&#x017F;t, erwarten.</l>
          </lg><lb/>
          <lg n="20">
            <l>Einmu&#x0364;thig &#x017F;agten &#x017F;ie die&#x017F;es, und bey den Ha&#x0364;nden &#x017F;ich haltend;</l><lb/>
            <l>Giengen &#x017F;ie in den inner&#x017F;ten Theil der lu&#x017F;treichen Laube,</l><lb/>
            <l><note place="left">740</note>Ohne Beobachtung andrer Gebra&#x0364;uche, als reinen Anbetens,</l><lb/>
            <l>Welches Gott am gefa&#x0364;llig&#x017F;ten i&#x017F;t. Sie hatten nicht no&#x0364;thig</l><lb/>
            <l>Von der mu&#x0364;h&#x017F;amen Verkleidung &#x017F;ich zu entledigen, die wir</l><lb/>
            <l>Tragen, und legten &#x017F;o gleich &#x017F;ich nebeneinander nieder.</l><lb/>
            <l><hi rendition="#fr">Adam</hi> wandte &#x017F;ich auch von &#x017F;einer &#x017F;cho&#x0364;nen Verma&#x0364;hlten,</l><lb/>
            <l><note place="left">745</note>Glaub ich &#x017F;icher, nicht weg; und <hi rendition="#fr">Eva</hi> &#x017F;chlug die geheimen</l><lb/>
            <l>Sitten der ehlichen Liebe nicht aus, was immer die Heuchler</l><lb/>
            <l>Noch &#x017F;o &#x017F;trenge von Reinigkeit, Un&#x017F;chuld und heiligem Orte</l><lb/>
            <l>Reden mo&#x0364;gen, indem &#x017F;ie als Unrein verla&#x0364;umden, was Gott &#x017F;elb&#x017F;t</l><lb/>
            <fw place="bottom" type="catch">Rein</fw><lb/>
          </lg>
        </lg>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[167/0187] Vierter Geſang. Unter dem freyen Himmel Gott an; den Gott, der den Himmel, Und die Erd, und die Luft, und die leuchtende Kugel des Mondes, Und die Sternenpol machte. Du machteſt, Allmaͤchtger, die Nacht auch, Und du machteſt den Tag. Mit unſrer Arbeit beſchaͤfftigt, Haben wir ihn geendet; gluͤckſeelig in unſerer Huͤlfe, Und in gegenſeitiger Liebe, der Krone des Seegens, Welchen du auf uns verſtreut in dieſem luſtreichen Orte, Der zu groß fuͤr uns iſt; denn deinem Ueberfluß mangelts Hier an ſolchen, die ganz ihn genießen, und unabgepfluͤcket Faͤllt er auf die Erde herab. Doch haſt du uns beyden Eine zahlreiche Nachkommenſchaft verſprochen, die Erde Zu erfuͤllen; die ſollen mit uns die unendliche Guͤte O Allmaͤchtger, erheben, ſo wohl wenn wir wachen, als wenn wir So wie itzo den Schlaf, den du uns ſchenkteſt, erwarten. Einmuͤthig ſagten ſie dieſes, und bey den Haͤnden ſich haltend; Giengen ſie in den innerſten Theil der luſtreichen Laube, Ohne Beobachtung andrer Gebraͤuche, als reinen Anbetens, Welches Gott am gefaͤlligſten iſt. Sie hatten nicht noͤthig Von der muͤhſamen Verkleidung ſich zu entledigen, die wir Tragen, und legten ſo gleich ſich nebeneinander nieder. Adam wandte ſich auch von ſeiner ſchoͤnen Vermaͤhlten, Glaub ich ſicher, nicht weg; und Eva ſchlug die geheimen Sitten der ehlichen Liebe nicht aus, was immer die Heuchler Noch ſo ſtrenge von Reinigkeit, Unſchuld und heiligem Orte Reden moͤgen, indem ſie als Unrein verlaͤumden, was Gott ſelbſt Rein

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/milton_paradies01_1760
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/milton_paradies01_1760/187
Zitationshilfe: Milton, John: Das Verlohrne Paradies. Bd. 1. Übers. v. Justus Friedrich Wilhelm Zachariae. Altona, 1760, S. 167. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/milton_paradies01_1760/187>, abgerufen am 02.05.2024.