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Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 2. Leipzig, 1776.

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rer Bemühung nicht ganz unglücklich. Ein Unglück-
licher hofft gern, und hört nichts lieber als Träu-
me von Glückseligkeit, die ihm andre beybringen.

Auf dem Schloß entstand eine grosse Freude,
als Kronhelm wieder kam. Alle Dienstbothen
drangen sich hinzu, den Bruder ihrer gnädigen
Frau, die sie so sehr liebten, zu sehen. Fräulein
Sibylle, Kronhelms Schwester, kam auch mit
Salome, und bewillkommte ihn. Salome hatte
sich in vielen Stücken geändert, und that jetzt weit
zärtlicher gegen ihren Bruder, als ehemals. Sie
sassen noch ein paar Stunden beysammen, und gien-
gen dann, weil Kronhelm und Siegwart von der
Reise etwas müde waren, frühzeitig zu Bette.

Siegwart träumte dießmal von seiner Maria-
ne. Er sah sie in einem langen Schleyer zu ihm
kommen. Sie sprach nichts; ihr Gesicht war
blaß; sie legte ihre kalte Hand auf seine Schulter,
gieng dann weg, und winkte ihm, ihr zu folgen.
Er folgte ihr durch einen langen düstern Gang, bis
an die Thür, zu einem Gottesacker, wo sie in ein
offnes Grab sank, das sich über ihr schnell zuthat.
Er stand auf dem Grab, jammerte mit emporge-
hobnen Händen, und wachte so, von der heftigen
Bewegung, auf. Er war in der äussersten Be-



rer Bemuͤhung nicht ganz ungluͤcklich. Ein Ungluͤck-
licher hofft gern, und hoͤrt nichts lieber als Traͤu-
me von Gluͤckſeligkeit, die ihm andre beybringen.

Auf dem Schloß entſtand eine groſſe Freude,
als Kronhelm wieder kam. Alle Dienſtbothen
drangen ſich hinzu, den Bruder ihrer gnaͤdigen
Frau, die ſie ſo ſehr liebten, zu ſehen. Fraͤulein
Sibylle, Kronhelms Schweſter, kam auch mit
Salome, und bewillkommte ihn. Salome hatte
ſich in vielen Stuͤcken geaͤndert, und that jetzt weit
zaͤrtlicher gegen ihren Bruder, als ehemals. Sie
ſaſſen noch ein paar Stunden beyſammen, und gien-
gen dann, weil Kronhelm und Siegwart von der
Reiſe etwas muͤde waren, fruͤhzeitig zu Bette.

Siegwart traͤumte dießmal von ſeiner Maria-
ne. Er ſah ſie in einem langen Schleyer zu ihm
kommen. Sie ſprach nichts; ihr Geſicht war
blaß; ſie legte ihre kalte Hand auf ſeine Schulter,
gieng dann weg, und winkte ihm, ihr zu folgen.
Er folgte ihr durch einen langen duͤſtern Gang, bis
an die Thuͤr, zu einem Gottesacker, wo ſie in ein
offnes Grab ſank, das ſich uͤber ihr ſchnell zuthat.
Er ſtand auf dem Grab, jammerte mit emporge-
hobnen Haͤnden, und wachte ſo, von der heftigen
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[966/0546] rer Bemuͤhung nicht ganz ungluͤcklich. Ein Ungluͤck- licher hofft gern, und hoͤrt nichts lieber als Traͤu- me von Gluͤckſeligkeit, die ihm andre beybringen. Auf dem Schloß entſtand eine groſſe Freude, als Kronhelm wieder kam. Alle Dienſtbothen drangen ſich hinzu, den Bruder ihrer gnaͤdigen Frau, die ſie ſo ſehr liebten, zu ſehen. Fraͤulein Sibylle, Kronhelms Schweſter, kam auch mit Salome, und bewillkommte ihn. Salome hatte ſich in vielen Stuͤcken geaͤndert, und that jetzt weit zaͤrtlicher gegen ihren Bruder, als ehemals. Sie ſaſſen noch ein paar Stunden beyſammen, und gien- gen dann, weil Kronhelm und Siegwart von der Reiſe etwas muͤde waren, fruͤhzeitig zu Bette. Siegwart traͤumte dießmal von ſeiner Maria- ne. Er ſah ſie in einem langen Schleyer zu ihm kommen. Sie ſprach nichts; ihr Geſicht war blaß; ſie legte ihre kalte Hand auf ſeine Schulter, gieng dann weg, und winkte ihm, ihr zu folgen. Er folgte ihr durch einen langen duͤſtern Gang, bis an die Thuͤr, zu einem Gottesacker, wo ſie in ein offnes Grab ſank, das ſich uͤber ihr ſchnell zuthat. Er ſtand auf dem Grab, jammerte mit emporge- hobnen Haͤnden, und wachte ſo, von der heftigen Bewegung, auf. Er war in der aͤuſſerſten Be-

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Zitationshilfe: Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 2. Leipzig, 1776, S. 966. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart02_1776/546>, abgerufen am 25.11.2024.