an. Der Bediente, der weinend vor dem Zimmer stand, brachte mich wieder auf die Kammer. -- Jch konnte nicht weinen. Alles auf der Welt war mir gleichgültig. Nur ein paarmal dacht ich an dich, mein Theurester, und da schoß mirs, wie ein Strom in die Augen. Jch höre sie unten, zuweilen, wenn die Thür aufgeht, stark reden.
Als ich dieses schrieb, hört ich den Schlüssel in meine Thür stecken, raffte das Papier schnell zusam- men, und verbargs in meinem Busen. Die Fe- der schmiß ich aus dem Fenster. Der Bediente kam mit meinem ältern Bruder (den jüngern hatt ich heut und gestern nicht gesehen) den Schreib- zeug her! sagte mein Bruder. Jch gab ihn ihm, und die Feder, die daneben lag. Hast du kein Papier? sagte er. -- Nein! -- Er suchte meine Taschen durch, und fand nichts. Er sah sich in der Kammer um, und fand auch nichts. Auf dem Tisch lag blos mein Schnupftuch, wo dein Bluts- tropfen drinn ist. Er hubs auf, ob nichts drunter liege? und legte es wieder hin. Jst denn gar kein Erbarmen zu hoffen? fragt ich. -- Morgen reisen wir! war seine Antwort, und dann gieng er. -- Jch hatte nun nichts mehr zu schreiben. Endlich bog ich ein Bley aus dem Fenster, und
an. Der Bediente, der weinend vor dem Zimmer ſtand, brachte mich wieder auf die Kammer. — Jch konnte nicht weinen. Alles auf der Welt war mir gleichguͤltig. Nur ein paarmal dacht ich an dich, mein Theureſter, und da ſchoß mirs, wie ein Strom in die Augen. Jch hoͤre ſie unten, zuweilen, wenn die Thuͤr aufgeht, ſtark reden.
Als ich dieſes ſchrieb, hoͤrt ich den Schluͤſſel in meine Thuͤr ſtecken, raffte das Papier ſchnell zuſam- men, und verbargs in meinem Buſen. Die Fe- der ſchmiß ich aus dem Fenſter. Der Bediente kam mit meinem aͤltern Bruder (den juͤngern hatt ich heut und geſtern nicht geſehen) den Schreib- zeug her! ſagte mein Bruder. Jch gab ihn ihm, und die Feder, die daneben lag. Haſt du kein Papier? ſagte er. — Nein! — Er ſuchte meine Taſchen durch, und fand nichts. Er ſah ſich in der Kammer um, und fand auch nichts. Auf dem Tiſch lag blos mein Schnupftuch, wo dein Bluts- tropfen drinn iſt. Er hubs auf, ob nichts drunter liege? und legte es wieder hin. Jſt denn gar kein Erbarmen zu hoffen? fragt ich. — Morgen reiſen wir! war ſeine Antwort, und dann gieng er. — Jch hatte nun nichts mehr zu ſchreiben. Endlich bog ich ein Bley aus dem Fenſter, und
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an. Der Bediente, der weinend vor dem Zimmer
ſtand, brachte mich wieder auf die Kammer. —
Jch konnte nicht weinen. Alles auf der Welt war
mir gleichguͤltig. Nur ein paarmal dacht ich an
dich, mein Theureſter, und da ſchoß mirs, wie
ein Strom in die Augen. Jch hoͤre ſie unten,
zuweilen, wenn die Thuͤr aufgeht, ſtark reden.
Als ich dieſes ſchrieb, hoͤrt ich den Schluͤſſel in
meine Thuͤr ſtecken, raffte das Papier ſchnell zuſam-
men, und verbargs in meinem Buſen. Die Fe-
der ſchmiß ich aus dem Fenſter. Der Bediente
kam mit meinem aͤltern Bruder (den juͤngern hatt
ich heut und geſtern nicht geſehen) den Schreib-
zeug her! ſagte mein Bruder. Jch gab ihn ihm,
und die Feder, die daneben lag. Haſt du kein
Papier? ſagte er. — Nein! — Er ſuchte meine
Taſchen durch, und fand nichts. Er ſah ſich in
der Kammer um, und fand auch nichts. Auf dem
Tiſch lag blos mein Schnupftuch, wo dein Bluts-
tropfen drinn iſt. Er hubs auf, ob nichts drunter
liege? und legte es wieder hin. Jſt denn gar
kein Erbarmen zu hoffen? fragt ich. — Morgen
reiſen wir! war ſeine Antwort, und dann gieng
er. — Jch hatte nun nichts mehr zu ſchreiben.
Endlich bog ich ein Bley aus dem Fenſter, und
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Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 2. Leipzig, 1776, S. 910. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart02_1776/490>, abgerufen am 25.11.2024.
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