be dich gestern und heut fast jeden Schritt beglei- tet. Gott gebe, daß du glücklich ankommst; und daß dein Vater wieder besser sey! Jch bete viel für ihn, und für dich. Adjeu, mein Geliebtester! Morgen wieder ein paar Wörtchen; denn ich ha- be viel zu thun, noch eh mein Vater kommt. Ue- bermorgen soll er kommen. Meine Mutter kommt alle Augenblicke auf mein Zimmer; sie hat Ge- schäfte drauf. Drum kann ich dir nicht schreiben, wann und wie viel ich will. Aber morgen wieder. Adjeu indessen, mein Geliebtester!
Den 8ten August.
Jch bin heut in meinem Garten gewesen. Da hab ich viel an dich gedacht, mein Theurester! Jch wollt, ich hätte Schreibzeug draussen gehabt, so hätt ich viel an dich geschrieben. Aber gesprochen hat meine Seele viel mit der deinigen. Wie wa- ren alle Plätze mir so werth, auf denen ich ehmals mit dir gesessen habe! Alle Worte fielen mir da ein, die wir miteinander sprachen. Jch wurde traurig, daß du nicht auch da warest, denn ich war allein. Auf jede Stelle setzt ich mich, und blieb recht lan- ge sitzen, weil mir so wohl war, da zu seyn, wo mein Geliebtester einst gewesen war. Denk! ich hab deinen Namen in einen glatten, jungen Birn-
be dich geſtern und heut faſt jeden Schritt beglei- tet. Gott gebe, daß du gluͤcklich ankommſt; und daß dein Vater wieder beſſer ſey! Jch bete viel fuͤr ihn, und fuͤr dich. Adjeu, mein Geliebteſter! Morgen wieder ein paar Woͤrtchen; denn ich ha- be viel zu thun, noch eh mein Vater kommt. Ue- bermorgen ſoll er kommen. Meine Mutter kommt alle Augenblicke auf mein Zimmer; ſie hat Ge- ſchaͤfte drauf. Drum kann ich dir nicht ſchreiben, wann und wie viel ich will. Aber morgen wieder. Adjeu indeſſen, mein Geliebteſter!
Den 8ten Auguſt.
Jch bin heut in meinem Garten geweſen. Da hab ich viel an dich gedacht, mein Theureſter! Jch wollt, ich haͤtte Schreibzeug drauſſen gehabt, ſo haͤtt ich viel an dich geſchrieben. Aber geſprochen hat meine Seele viel mit der deinigen. Wie wa- ren alle Plaͤtze mir ſo werth, auf denen ich ehmals mit dir geſeſſen habe! Alle Worte fielen mir da ein, die wir miteinander ſprachen. Jch wurde traurig, daß du nicht auch da wareſt, denn ich war allein. Auf jede Stelle ſetzt ich mich, und blieb recht lan- ge ſitzen, weil mir ſo wohl war, da zu ſeyn, wo mein Geliebteſter einſt geweſen war. Denk! ich hab deinen Namen in einen glatten, jungen Birn-
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be dich geſtern und heut faſt jeden Schritt beglei-
tet. Gott gebe, daß du gluͤcklich ankommſt; und
daß dein Vater wieder beſſer ſey! Jch bete viel fuͤr
ihn, und fuͤr dich. Adjeu, mein Geliebteſter!
Morgen wieder ein paar Woͤrtchen; denn ich ha-
be viel zu thun, noch eh mein Vater kommt. Ue-
bermorgen ſoll er kommen. Meine Mutter kommt
alle Augenblicke auf mein Zimmer; ſie hat Ge-
ſchaͤfte drauf. Drum kann ich dir nicht ſchreiben,
wann und wie viel ich will. Aber morgen wieder.
Adjeu indeſſen, mein Geliebteſter!
Den 8ten Auguſt.
Jch bin heut in meinem Garten geweſen. Da
hab ich viel an dich gedacht, mein Theureſter! Jch
wollt, ich haͤtte Schreibzeug drauſſen gehabt, ſo
haͤtt ich viel an dich geſchrieben. Aber geſprochen
hat meine Seele viel mit der deinigen. Wie wa-
ren alle Plaͤtze mir ſo werth, auf denen ich ehmals
mit dir geſeſſen habe! Alle Worte fielen mir da ein,
die wir miteinander ſprachen. Jch wurde traurig,
daß du nicht auch da wareſt, denn ich war allein.
Auf jede Stelle ſetzt ich mich, und blieb recht lan-
ge ſitzen, weil mir ſo wohl war, da zu ſeyn, wo
mein Geliebteſter einſt geweſen war. Denk! ich
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Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 2. Leipzig, 1776, S. 900. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart02_1776/480>, abgerufen am 22.11.2024.
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