Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 2. Leipzig, 1776.

Bild:
<< vorherige Seite



schon versprochen hätte. Et thats zwar ungern;
aber doch wollte er nicht feindselig scheinen, und
gieng hin. Bey Tische sprach er nichts; er ver-
achtete die Leute zu sehr. Karl sprach, ihm zum
Trotz, viel mit Wilhelm, und sagte ihm, daß er
ihn nun zu seinem Schreiber annehme; so wären,
bis auf Salome, alle versorgt; denn Xaver wer-
de sich nun hoffentlich bald einkleiden lassen. Wenn
ihn nicht andre weltliche Ursachen davon abhalten,
sagte seine Frau spöttisch. -- Jch weis schon,
was ich zu thun habe, sagte Siegwart trotzig.
Ja, das wissen wir, versetzte die Swchägerin; und
der Herr Schwager werden wol morgen wieder auf
die Universität zurückreisen, um ihr Studium
fortzusetzen. Dieser Fingerzeig, daß man ihn
ungern hier sehe, schmerzte unsern Siegwart so,
daß er ganz blaß im Gesicht wurde, und nicht
antworten konnte. Nach einiger Zeit sagte er:
Ja, morgen will ich wieder zurück, und mir und
andern Leuten Ruh machen. Wie Sie belieben,
sagte die Schwägerin. -- Die Siegel, fuhr sie
fort, kann man ja erst nach ein paar Tagen ab-
reissen, und die Theilung vornehmen. Der Herr
Schwager brauchen eben nicht dabey zu seyn. Wir
werden ihn nicht vervortheilen, da eine Obrigkeits-



ſchon verſprochen haͤtte. Et thats zwar ungern;
aber doch wollte er nicht feindſelig ſcheinen, und
gieng hin. Bey Tiſche ſprach er nichts; er ver-
achtete die Leute zu ſehr. Karl ſprach, ihm zum
Trotz, viel mit Wilhelm, und ſagte ihm, daß er
ihn nun zu ſeinem Schreiber annehme; ſo waͤren,
bis auf Salome, alle verſorgt; denn Xaver wer-
de ſich nun hoffentlich bald einkleiden laſſen. Wenn
ihn nicht andre weltliche Urſachen davon abhalten,
ſagte ſeine Frau ſpoͤttiſch. — Jch weis ſchon,
was ich zu thun habe, ſagte Siegwart trotzig.
Ja, das wiſſen wir, verſetzte die Swchaͤgerin; und
der Herr Schwager werden wol morgen wieder auf
die Univerſitaͤt zuruͤckreiſen, um ihr Studium
fortzuſetzen. Dieſer Fingerzeig, daß man ihn
ungern hier ſehe, ſchmerzte unſern Siegwart ſo,
daß er ganz blaß im Geſicht wurde, und nicht
antworten konnte. Nach einiger Zeit ſagte er:
Ja, morgen will ich wieder zuruͤck, und mir und
andern Leuten Ruh machen. Wie Sie belieben,
ſagte die Schwaͤgerin. — Die Siegel, fuhr ſie
fort, kann man ja erſt nach ein paar Tagen ab-
reiſſen, und die Theilung vornehmen. Der Herr
Schwager brauchen eben nicht dabey zu ſeyn. Wir
werden ihn nicht vervortheilen, da eine Obrigkeits-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0466" n="886"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
&#x017F;chon ver&#x017F;prochen ha&#x0364;tte. Et thats zwar ungern;<lb/>
aber doch wollte er nicht feind&#x017F;elig &#x017F;cheinen, und<lb/>
gieng hin. Bey Ti&#x017F;che &#x017F;prach er nichts; er ver-<lb/>
achtete die Leute zu &#x017F;ehr. Karl &#x017F;prach, ihm zum<lb/>
Trotz, viel mit Wilhelm, und &#x017F;agte ihm, daß er<lb/>
ihn nun zu &#x017F;einem Schreiber annehme; &#x017F;o wa&#x0364;ren,<lb/>
bis auf Salome, alle ver&#x017F;orgt; denn Xaver wer-<lb/>
de &#x017F;ich nun hoffentlich bald einkleiden la&#x017F;&#x017F;en. Wenn<lb/>
ihn nicht andre weltliche Ur&#x017F;achen davon abhalten,<lb/>
&#x017F;agte &#x017F;eine Frau &#x017F;po&#x0364;tti&#x017F;ch. &#x2014; Jch weis &#x017F;chon,<lb/>
was ich zu thun habe, &#x017F;agte Siegwart trotzig.<lb/>
Ja, das wi&#x017F;&#x017F;en wir, ver&#x017F;etzte die Swcha&#x0364;gerin; und<lb/>
der Herr Schwager werden wol morgen wieder auf<lb/>
die Univer&#x017F;ita&#x0364;t zuru&#x0364;ckrei&#x017F;en, um ihr Studium<lb/>
fortzu&#x017F;etzen. Die&#x017F;er Fingerzeig, daß man ihn<lb/>
ungern hier &#x017F;ehe, &#x017F;chmerzte un&#x017F;ern Siegwart &#x017F;o,<lb/>
daß er ganz blaß im Ge&#x017F;icht wurde, und nicht<lb/>
antworten konnte. Nach einiger Zeit &#x017F;agte er:<lb/>
Ja, morgen will ich wieder zuru&#x0364;ck, und mir und<lb/>
andern Leuten Ruh machen. Wie Sie belieben,<lb/>
&#x017F;agte die Schwa&#x0364;gerin. &#x2014; Die Siegel, fuhr &#x017F;ie<lb/>
fort, kann man ja er&#x017F;t nach ein paar Tagen ab-<lb/>
rei&#x017F;&#x017F;en, und die Theilung vornehmen. Der Herr<lb/>
Schwager brauchen eben nicht dabey zu &#x017F;eyn. Wir<lb/>
werden ihn nicht vervortheilen, da eine Obrigkeits-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[886/0466] ſchon verſprochen haͤtte. Et thats zwar ungern; aber doch wollte er nicht feindſelig ſcheinen, und gieng hin. Bey Tiſche ſprach er nichts; er ver- achtete die Leute zu ſehr. Karl ſprach, ihm zum Trotz, viel mit Wilhelm, und ſagte ihm, daß er ihn nun zu ſeinem Schreiber annehme; ſo waͤren, bis auf Salome, alle verſorgt; denn Xaver wer- de ſich nun hoffentlich bald einkleiden laſſen. Wenn ihn nicht andre weltliche Urſachen davon abhalten, ſagte ſeine Frau ſpoͤttiſch. — Jch weis ſchon, was ich zu thun habe, ſagte Siegwart trotzig. Ja, das wiſſen wir, verſetzte die Swchaͤgerin; und der Herr Schwager werden wol morgen wieder auf die Univerſitaͤt zuruͤckreiſen, um ihr Studium fortzuſetzen. Dieſer Fingerzeig, daß man ihn ungern hier ſehe, ſchmerzte unſern Siegwart ſo, daß er ganz blaß im Geſicht wurde, und nicht antworten konnte. Nach einiger Zeit ſagte er: Ja, morgen will ich wieder zuruͤck, und mir und andern Leuten Ruh machen. Wie Sie belieben, ſagte die Schwaͤgerin. — Die Siegel, fuhr ſie fort, kann man ja erſt nach ein paar Tagen ab- reiſſen, und die Theilung vornehmen. Der Herr Schwager brauchen eben nicht dabey zu ſeyn. Wir werden ihn nicht vervortheilen, da eine Obrigkeits-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart02_1776
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart02_1776/466
Zitationshilfe: Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 2. Leipzig, 1776, S. 886. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart02_1776/466>, abgerufen am 25.11.2024.