hörlich fort, und drohte, Sie und mich, und meinen Vater zu erschiessen, wenn wir nur noch eine Zeile an einander schrieben, oder einen Gedanken auf ein- ander haben wollten. Mein Vater sagte, das woll er wol versprechen, daß ich nicht mehr an Sie schrei- ben, und weiter keine Gemeinschaft mit Jhnen ha- ben soll; aber die übrigen Beleidigungen woll er sich auch inskünftige verbitten. Der andre Junker schlug ein lautes Gelächter auf. Jhr Vater aber sagte: Nu Jobst, laß uns weiter! Vorjetzt hab ich gnug; aber noch ein Brief, und -- hier zog er eine Pistole hervor -- die erste Kugel gehört dir, Mädel! und die zweyte ihm, Monsieur Amtmann! Merk er sichs! Mit diesen Worten gieng er wieder die Treppe hinunter, setzte sich aufs Pferd, und ritt mit seinen Jägern davon.
Sie können sich vorstellen, Theurer Freund! wie mir seit der Zeit zu Muthe seyn muß. Das ganze Leben ist mir verhaßt, die ganze Welt eine Einöde. Jch schreib Jhnen diesen Brief auf Befehl meines Vaters, ders bey Jhrem Vater verantworten will, wenn ers erfahren sollte. Jch soll von Jhnen Ab- schied nehmen auf ewig! Gott, von Jhnen! und doch muß es seyn! -- Jch habe Sie geliebt, Theu- rer, aber verkennen Sie mich nicht! Nicht aus
hoͤrlich fort, und drohte, Sie und mich, und meinen Vater zu erſchieſſen, wenn wir nur noch eine Zeile an einander ſchrieben, oder einen Gedanken auf ein- ander haben wollten. Mein Vater ſagte, das woll er wol verſprechen, daß ich nicht mehr an Sie ſchrei- ben, und weiter keine Gemeinſchaft mit Jhnen ha- ben ſoll; aber die uͤbrigen Beleidigungen woll er ſich auch inskuͤnftige verbitten. Der andre Junker ſchlug ein lautes Gelaͤchter auf. Jhr Vater aber ſagte: Nu Jobſt, laß uns weiter! Vorjetzt hab ich gnug; aber noch ein Brief, und — hier zog er eine Piſtole hervor — die erſte Kugel gehoͤrt dir, Maͤdel! und die zweyte ihm, Monſieur Amtmann! Merk er ſichs! Mit dieſen Worten gieng er wieder die Treppe hinunter, ſetzte ſich aufs Pferd, und ritt mit ſeinen Jaͤgern davon.
Sie koͤnnen ſich vorſtellen, Theurer Freund! wie mir ſeit der Zeit zu Muthe ſeyn muß. Das ganze Leben iſt mir verhaßt, die ganze Welt eine Einoͤde. Jch ſchreib Jhnen dieſen Brief auf Befehl meines Vaters, ders bey Jhrem Vater verantworten will, wenn ers erfahren ſollte. Jch ſoll von Jhnen Ab- ſchied nehmen auf ewig! Gott, von Jhnen! und doch muß es ſeyn! — Jch habe Sie geliebt, Theu- rer, aber verkennen Sie mich nicht! Nicht aus
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hoͤrlich fort, und drohte, Sie und mich, und meinen
Vater zu erſchieſſen, wenn wir nur noch eine Zeile
an einander ſchrieben, oder einen Gedanken auf ein-
ander haben wollten. Mein Vater ſagte, das woll
er wol verſprechen, daß ich nicht mehr an Sie ſchrei-
ben, und weiter keine Gemeinſchaft mit Jhnen ha-
ben ſoll; aber die uͤbrigen Beleidigungen woll er
ſich auch inskuͤnftige verbitten. Der andre Junker
ſchlug ein lautes Gelaͤchter auf. Jhr Vater aber
ſagte: Nu Jobſt, laß uns weiter! Vorjetzt hab
ich gnug; aber noch ein Brief, und — hier zog er
eine Piſtole hervor — die erſte Kugel gehoͤrt dir,
Maͤdel! und die zweyte ihm, Monſieur Amtmann!
Merk er ſichs! Mit dieſen Worten gieng er wieder
die Treppe hinunter, ſetzte ſich aufs Pferd, und ritt
mit ſeinen Jaͤgern davon.
Sie koͤnnen ſich vorſtellen, Theurer Freund! wie
mir ſeit der Zeit zu Muthe ſeyn muß. Das ganze
Leben iſt mir verhaßt, die ganze Welt eine Einoͤde.
Jch ſchreib Jhnen dieſen Brief auf Befehl meines
Vaters, ders bey Jhrem Vater verantworten will,
wenn ers erfahren ſollte. Jch ſoll von Jhnen Ab-
ſchied nehmen auf ewig! Gott, von Jhnen! und
doch muß es ſeyn! — Jch habe Sie geliebt, Theu-
rer, aber verkennen Sie mich nicht! Nicht aus
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Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 2. Leipzig, 1776, S. 462. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart02_1776/42>, abgerufen am 24.11.2024.
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