Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 2. Leipzig, 1776.zu mir wandte) an der er den Narren gefressen hat? Ein saubres Thierchen! Mein Seel! -- Und so fuhr er fort, und gab mir und meinem Va- ter Reden, die ich mich schämen würde, niederzu- schreiben. Kurz, er begegnete uns auf die gröbste, beleidigendste Weise; sprach immer vom Einsetzen, Verführungen, Lumpen- und Hurenpack, und droh- te mit Mord und Todschlag, wenn ich mir einfal- len lassen wollte, seinen Sohn ferner zu infamiren, wie ers nannte. Jch stand da, und dachte, ich müß- te in die Erde sinken. Einigemal konnt ich mich nicht enthalten, ihm grobe Reden zu geben, als er meine Unschuld -- das einzige, worauf ich stolz bin -- angrif. Der Junker, der mit Jhrem Vater kam, ist der niederträchtigste Mensch, der mir auf die schimpflichste Art begegnete, und mich immer nur Kanaille, und bürgerliche Gassenhure nannte. -- Mein Vater, der auch hitzig seyn kann, wenn man ihn erst aufbringt, sagte Jhrem Vater, er möchte sich in Acht nehmen, und mit solchen Beschimpfun- gen einhalten. Er sey ein ehrlicher Mann, und ich ein ehrlich Mädchen; ich korrespondire zwar mit seinem Sohn, aber auf die erlaubteste Art; er könn die Briefe selber sehen u. s. w. Jhr Vater wollte von dem allen nichts hören, schimpfte unauf- zu mir wandte) an der er den Narren gefreſſen hat? Ein ſaubres Thierchen! Mein Seel! — Und ſo fuhr er fort, und gab mir und meinem Va- ter Reden, die ich mich ſchaͤmen wuͤrde, niederzu- ſchreiben. Kurz, er begegnete uns auf die groͤbſte, beleidigendſte Weiſe; ſprach immer vom Einſetzen, Verfuͤhrungen, Lumpen- und Hurenpack, und droh- te mit Mord und Todſchlag, wenn ich mir einfal- len laſſen wollte, ſeinen Sohn ferner zu infamiren, wie ers nannte. Jch ſtand da, und dachte, ich muͤß- te in die Erde ſinken. Einigemal konnt ich mich nicht enthalten, ihm grobe Reden zu geben, als er meine Unſchuld — das einzige, worauf ich ſtolz bin — angrif. Der Junker, der mit Jhrem Vater kam, iſt der niedertraͤchtigſte Menſch, der mir auf die ſchimpflichſte Art begegnete, und mich immer nur Kanaille, und buͤrgerliche Gaſſenhure nannte. — Mein Vater, der auch hitzig ſeyn kann, wenn man ihn erſt aufbringt, ſagte Jhrem Vater, er moͤchte ſich in Acht nehmen, und mit ſolchen Beſchimpfun- gen einhalten. Er ſey ein ehrlicher Mann, und ich ein ehrlich Maͤdchen; ich korreſpondire zwar mit ſeinem Sohn, aber auf die erlaubteſte Art; er koͤnn die Briefe ſelber ſehen u. ſ. w. Jhr Vater wollte von dem allen nichts hoͤren, ſchimpfte unauf- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <floatingText> <body> <div type="letter"> <p><pb facs="#f0041" n="461"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> zu mir wandte) an der er den Narren gefreſſen<lb/> hat? Ein ſaubres Thierchen! Mein Seel! —<lb/> Und ſo fuhr er fort, und gab mir und meinem Va-<lb/> ter Reden, die ich mich ſchaͤmen wuͤrde, niederzu-<lb/> ſchreiben. Kurz, er begegnete uns auf die groͤbſte,<lb/> beleidigendſte Weiſe; ſprach immer vom Einſetzen,<lb/> Verfuͤhrungen, Lumpen- und Hurenpack, und droh-<lb/> te mit Mord und Todſchlag, wenn ich mir einfal-<lb/> len laſſen wollte, ſeinen Sohn ferner zu infamiren,<lb/> wie ers nannte. Jch ſtand da, und dachte, ich muͤß-<lb/> te in die Erde ſinken. Einigemal konnt ich mich<lb/> nicht enthalten, ihm grobe Reden zu geben, als er<lb/> meine Unſchuld — das einzige, worauf ich ſtolz<lb/> bin — angrif. Der Junker, der mit Jhrem Vater kam,<lb/> iſt der niedertraͤchtigſte Menſch, der mir auf die<lb/> ſchimpflichſte Art begegnete, und mich immer nur<lb/> Kanaille, und buͤrgerliche Gaſſenhure nannte. —<lb/> Mein Vater, der auch hitzig ſeyn kann, wenn man<lb/> ihn erſt aufbringt, ſagte Jhrem Vater, er moͤchte<lb/> ſich in Acht nehmen, und mit ſolchen Beſchimpfun-<lb/> gen einhalten. Er ſey ein ehrlicher Mann, und ich<lb/> ein ehrlich Maͤdchen; ich korreſpondire zwar mit<lb/> ſeinem Sohn, aber auf die erlaubteſte Art; er<lb/> koͤnn die Briefe ſelber ſehen u. ſ. w. Jhr Vater<lb/> wollte von dem allen nichts hoͤren, ſchimpfte unauf-<lb/></p> </div> </body> </floatingText> </div> </body> </text> </TEI> [461/0041]
zu mir wandte) an der er den Narren gefreſſen
hat? Ein ſaubres Thierchen! Mein Seel! —
Und ſo fuhr er fort, und gab mir und meinem Va-
ter Reden, die ich mich ſchaͤmen wuͤrde, niederzu-
ſchreiben. Kurz, er begegnete uns auf die groͤbſte,
beleidigendſte Weiſe; ſprach immer vom Einſetzen,
Verfuͤhrungen, Lumpen- und Hurenpack, und droh-
te mit Mord und Todſchlag, wenn ich mir einfal-
len laſſen wollte, ſeinen Sohn ferner zu infamiren,
wie ers nannte. Jch ſtand da, und dachte, ich muͤß-
te in die Erde ſinken. Einigemal konnt ich mich
nicht enthalten, ihm grobe Reden zu geben, als er
meine Unſchuld — das einzige, worauf ich ſtolz
bin — angrif. Der Junker, der mit Jhrem Vater kam,
iſt der niedertraͤchtigſte Menſch, der mir auf die
ſchimpflichſte Art begegnete, und mich immer nur
Kanaille, und buͤrgerliche Gaſſenhure nannte. —
Mein Vater, der auch hitzig ſeyn kann, wenn man
ihn erſt aufbringt, ſagte Jhrem Vater, er moͤchte
ſich in Acht nehmen, und mit ſolchen Beſchimpfun-
gen einhalten. Er ſey ein ehrlicher Mann, und ich
ein ehrlich Maͤdchen; ich korreſpondire zwar mit
ſeinem Sohn, aber auf die erlaubteſte Art; er
koͤnn die Briefe ſelber ſehen u. ſ. w. Jhr Vater
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