mit der grösten Zärtlichkeit an, und wär ihm gern ans Herz gesunken, um an seiner Brust zu weinen. Ein paarmal küßte sie ihn doch, weil ihre Eltern in dem Nebenzimmer sassen. Jch will sagen, daß ich mit Jhnen tanze, sagte sie, wenn mich wieder jemand aufziehn will. -- Liebes Mädchen! Wei- ter konnte er nichts sagen.
Man tanzte wieder französisch, und Siegwart tanzte nun auch mit den übrigen Frauenzimmern, und noch ein paarmal mit seiner Mariane. Erst um 2 Uhr gieng die Gesellschaft auseinander.
Kurz eh man auseinander gieng, entstand noch ein Streit zwischen einem Studenten, Namens Dieling, und Joseph, Marianens Bruder. Die- ling war betrunken, und wollte schwäbisch tanzen, als die übrigen eben einen Gesellschaftstanz ange- fangen hatten. Joseph nannte ihn einen Menschen ohne Lebensart. Dieß stieg dem betrunkenen Die- ling zu Kopf; er holte seinen Degen, und rannte damit auf Joseph. Siegwart, der auf der Seite neben Hofrath Schrager stand, der eben weggehen wollte, riß diesem den Degen von der Seite, fieng Dielings Degen auf, und schlug ihn ihm aus der Hand, daß er in das entgegen stehende Fenster flog. Nun kamen andre hinzu, und schafften den
mit der groͤſten Zaͤrtlichkeit an, und waͤr ihm gern ans Herz geſunken, um an ſeiner Bruſt zu weinen. Ein paarmal kuͤßte ſie ihn doch, weil ihre Eltern in dem Nebenzimmer ſaſſen. Jch will ſagen, daß ich mit Jhnen tanze, ſagte ſie, wenn mich wieder jemand aufziehn will. — Liebes Maͤdchen! Wei- ter konnte er nichts ſagen.
Man tanzte wieder franzoͤſiſch, und Siegwart tanzte nun auch mit den uͤbrigen Frauenzimmern, und noch ein paarmal mit ſeiner Mariane. Erſt um 2 Uhr gieng die Geſellſchaft auseinander.
Kurz eh man auseinander gieng, entſtand noch ein Streit zwiſchen einem Studenten, Namens Dieling, und Joſeph, Marianens Bruder. Die- ling war betrunken, und wollte ſchwaͤbiſch tanzen, als die uͤbrigen eben einen Geſellſchaftstanz ange- fangen hatten. Joſeph nannte ihn einen Menſchen ohne Lebensart. Dieß ſtieg dem betrunkenen Die- ling zu Kopf; er holte ſeinen Degen, und rannte damit auf Joſeph. Siegwart, der auf der Seite neben Hofrath Schrager ſtand, der eben weggehen wollte, riß dieſem den Degen von der Seite, fieng Dielings Degen auf, und ſchlug ihn ihm aus der Hand, daß er in das entgegen ſtehende Fenſter flog. Nun kamen andre hinzu, und ſchafften den
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mit der groͤſten Zaͤrtlichkeit an, und waͤr ihm gern
ans Herz geſunken, um an ſeiner Bruſt zu weinen.
Ein paarmal kuͤßte ſie ihn doch, weil ihre Eltern
in dem Nebenzimmer ſaſſen. Jch will ſagen, daß
ich mit Jhnen tanze, ſagte ſie, wenn mich wieder
jemand aufziehn will. — Liebes Maͤdchen! Wei-
ter konnte er nichts ſagen.
Man tanzte wieder franzoͤſiſch, und Siegwart
tanzte nun auch mit den uͤbrigen Frauenzimmern,
und noch ein paarmal mit ſeiner Mariane. Erſt
um 2 Uhr gieng die Geſellſchaft auseinander.
Kurz eh man auseinander gieng, entſtand noch
ein Streit zwiſchen einem Studenten, Namens
Dieling, und Joſeph, Marianens Bruder. Die-
ling war betrunken, und wollte ſchwaͤbiſch tanzen,
als die uͤbrigen eben einen Geſellſchaftstanz ange-
fangen hatten. Joſeph nannte ihn einen Menſchen
ohne Lebensart. Dieß ſtieg dem betrunkenen Die-
ling zu Kopf; er holte ſeinen Degen, und rannte
damit auf Joſeph. Siegwart, der auf der Seite
neben Hofrath Schrager ſtand, der eben weggehen
wollte, riß dieſem den Degen von der Seite, fieng
Dielings Degen auf, und ſchlug ihn ihm aus der
Hand, daß er in das entgegen ſtehende Fenſter
flog. Nun kamen andre hinzu, und ſchafften den
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Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 2. Leipzig, 1776, S. 820. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart02_1776/400>, abgerufen am 22.11.2024.
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