Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 2. Leipzig, 1776.auf der Welt vertraut zu seyn. Er hätt es ihr so gern gesagt, aber er fürchtete, sie zu betrüben, oder in den Verdacht der Wunderlichkeit bey ihr zu kommen. Noch trauriger ward er bald dar- auf, als sie mit einem andern tanzte, der sie, wie ein Rasender herumriß, und mit ihr mehr flog, als sprang. Gott! dachte er, wenn ihr diese heftige Bewegung Schaden brächte, und ihre Ge- sundheit zerrüttete! Wie leicht könnte so ein Au- genblick mein Liebstes rauben! Dieser Gedanke versenkte ihn immer tiefer in die traurigsten Vor- stellungen, so daß ihm Thränen in den Augen stan- den. Sie kam nach dem Tanz zu ihm. Das ist schrecklich getanzt! sagte er; Sie glühen recht! und schien aufgebracht zu seyn. Sie sah ihn weh- müthig, und halb birtend an. Eine Thräne drang aus ihrem Auge. Liebes Mädchen, sagte er, und war bewegt; wie leicht könnten Sie sich schaden! Diese Vorstellung hat mich ganz traurig gemacht. Sie nahm ihn bey der Hand. Es wird mir hof- fentlich nicht schaden, sagte sie; aber freylich war es scharf getanzt; ich dachte es selbst; nur kann ich nicht dafür. Jch thu's nicht gerne. -- Neh- men Sie mirs nur nicht übel! sprach er; meine Warnung kam aus gutem Herzen. Sie sah ihn auf der Welt vertraut zu ſeyn. Er haͤtt es ihr ſo gern geſagt, aber er fuͤrchtete, ſie zu betruͤben, oder in den Verdacht der Wunderlichkeit bey ihr zu kommen. Noch trauriger ward er bald dar- auf, als ſie mit einem andern tanzte, der ſie, wie ein Raſender herumriß, und mit ihr mehr flog, als ſprang. Gott! dachte er, wenn ihr dieſe heftige Bewegung Schaden braͤchte, und ihre Ge- ſundheit zerruͤttete! Wie leicht koͤnnte ſo ein Au- genblick mein Liebſtes rauben! Dieſer Gedanke verſenkte ihn immer tiefer in die traurigſten Vor- ſtellungen, ſo daß ihm Thraͤnen in den Augen ſtan- den. Sie kam nach dem Tanz zu ihm. Das iſt ſchrecklich getanzt! ſagte er; Sie gluͤhen recht! und ſchien aufgebracht zu ſeyn. Sie ſah ihn weh- muͤthig, und halb birtend an. Eine Thraͤne drang aus ihrem Auge. Liebes Maͤdchen, ſagte er, und war bewegt; wie leicht koͤnnten Sie ſich ſchaden! Dieſe Vorſtellung hat mich ganz traurig gemacht. Sie nahm ihn bey der Hand. Es wird mir hof- fentlich nicht ſchaden, ſagte ſie; aber freylich war es ſcharf getanzt; ich dachte es ſelbſt; nur kann ich nicht dafuͤr. Jch thu’s nicht gerne. — Neh- men Sie mirs nur nicht uͤbel! ſprach er; meine Warnung kam aus gutem Herzen. Sie ſah ihn <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0399" n="819"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> auf der Welt vertraut zu ſeyn. Er haͤtt es ihr<lb/> ſo gern geſagt, aber er fuͤrchtete, ſie zu betruͤben,<lb/> oder in den Verdacht der Wunderlichkeit bey ihr<lb/> zu kommen. Noch trauriger ward er bald dar-<lb/> auf, als ſie mit einem andern tanzte, der ſie, wie<lb/> ein Raſender herumriß, und mit ihr mehr flog,<lb/> als ſprang. Gott! dachte er, wenn ihr dieſe<lb/> heftige Bewegung Schaden braͤchte, und ihre Ge-<lb/> ſundheit zerruͤttete! Wie leicht koͤnnte ſo ein Au-<lb/> genblick mein Liebſtes rauben! Dieſer Gedanke<lb/> verſenkte ihn immer tiefer in die traurigſten Vor-<lb/> ſtellungen, ſo daß ihm Thraͤnen in den Augen ſtan-<lb/> den. Sie kam nach dem Tanz zu ihm. Das iſt<lb/> ſchrecklich getanzt! ſagte er; Sie gluͤhen recht!<lb/> und ſchien aufgebracht zu ſeyn. Sie ſah ihn weh-<lb/> muͤthig, und halb birtend an. Eine Thraͤne drang<lb/> aus ihrem Auge. Liebes Maͤdchen, ſagte er, und<lb/> war bewegt; wie leicht koͤnnten Sie ſich ſchaden!<lb/> Dieſe Vorſtellung hat mich ganz traurig gemacht.<lb/> Sie nahm ihn bey der Hand. Es wird mir hof-<lb/> fentlich nicht ſchaden, ſagte ſie; aber freylich war<lb/> es ſcharf getanzt; ich dachte es ſelbſt; nur kann<lb/> ich nicht dafuͤr. Jch thu’s nicht gerne. — Neh-<lb/> men Sie mirs nur nicht uͤbel! ſprach er; meine<lb/> Warnung kam aus gutem Herzen. Sie ſah ihn<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [819/0399]
auf der Welt vertraut zu ſeyn. Er haͤtt es ihr
ſo gern geſagt, aber er fuͤrchtete, ſie zu betruͤben,
oder in den Verdacht der Wunderlichkeit bey ihr
zu kommen. Noch trauriger ward er bald dar-
auf, als ſie mit einem andern tanzte, der ſie, wie
ein Raſender herumriß, und mit ihr mehr flog,
als ſprang. Gott! dachte er, wenn ihr dieſe
heftige Bewegung Schaden braͤchte, und ihre Ge-
ſundheit zerruͤttete! Wie leicht koͤnnte ſo ein Au-
genblick mein Liebſtes rauben! Dieſer Gedanke
verſenkte ihn immer tiefer in die traurigſten Vor-
ſtellungen, ſo daß ihm Thraͤnen in den Augen ſtan-
den. Sie kam nach dem Tanz zu ihm. Das iſt
ſchrecklich getanzt! ſagte er; Sie gluͤhen recht!
und ſchien aufgebracht zu ſeyn. Sie ſah ihn weh-
muͤthig, und halb birtend an. Eine Thraͤne drang
aus ihrem Auge. Liebes Maͤdchen, ſagte er, und
war bewegt; wie leicht koͤnnten Sie ſich ſchaden!
Dieſe Vorſtellung hat mich ganz traurig gemacht.
Sie nahm ihn bey der Hand. Es wird mir hof-
fentlich nicht ſchaden, ſagte ſie; aber freylich war
es ſcharf getanzt; ich dachte es ſelbſt; nur kann
ich nicht dafuͤr. Jch thu’s nicht gerne. — Neh-
men Sie mirs nur nicht uͤbel! ſprach er; meine
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