Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 2. Leipzig, 1776.sich durch einen Miethbedienten nach dem Hause bringen und melden. Aber zu seiner grossen Be- stürzung hörte er, der geheime Rath sey nicht hier. Er erkundigte sich bey einem Bedienten; dieser gab ihm kurzen Bescheid, und sagte, sein Herr sey schon vor drey Tagen mit seinem Kammerdiener unver- muthet auf der Post abgereist, er wisse nicht, wo- hin? Mehr konnte Siegwart nicht erfahren. Jn der Betäubung lief er zu Kronhelms Schwester, die ihn sogleich vor sich ließ. Er erzählte ihr, in der äussersten Verwirrung, fast ohne Zusammen- hang die ganze Geschichte ihres Bruders, sagte, warum er nach München gekommen sey, und frag- te sie, wo der geheime Rath hingereist sey? -- Sie war aufs äusserste betroffen, und hatte, wie versteinert, zugehört. Als sie etwas von ihrem Staunen zurückkam, und sich durch Thränen Luft gemacht hatte, sagte sie, sie wisse vom geheimen Rath und seiner plötzlichen Abreise nicht das min- deste. Seit seiner Zurückkunft habe sie ihn nur Einmal gesehen, und mit ihm von ihrem Bruder gesprochen. Er habe sie versichert, daß es alles gut gehen werde. Er sey bey ihrem Vater gewesen, dieser nehme durchaus keine Gründe an. Nun woll er sich seines Vetters ernstlich annehmen. Er ſich durch einen Miethbedienten nach dem Hauſe bringen und melden. Aber zu ſeiner groſſen Be- ſtuͤrzung hoͤrte er, der geheime Rath ſey nicht hier. Er erkundigte ſich bey einem Bedienten; dieſer gab ihm kurzen Beſcheid, und ſagte, ſein Herr ſey ſchon vor drey Tagen mit ſeinem Kammerdiener unver- muthet auf der Poſt abgereiſt, er wiſſe nicht, wo- hin? Mehr konnte Siegwart nicht erfahren. Jn der Betaͤubung lief er zu Kronhelms Schweſter, die ihn ſogleich vor ſich ließ. Er erzaͤhlte ihr, in der aͤuſſerſten Verwirrung, faſt ohne Zuſammen- hang die ganze Geſchichte ihres Bruders, ſagte, warum er nach Muͤnchen gekommen ſey, und frag- te ſie, wo der geheime Rath hingereiſt ſey? — Sie war aufs aͤuſſerſte betroffen, und hatte, wie verſteinert, zugehoͤrt. Als ſie etwas von ihrem Staunen zuruͤckkam, und ſich durch Thraͤnen Luft gemacht hatte, ſagte ſie, ſie wiſſe vom geheimen Rath und ſeiner ploͤtzlichen Abreiſe nicht das min- deſte. Seit ſeiner Zuruͤckkunft habe ſie ihn nur Einmal geſehen, und mit ihm von ihrem Bruder geſprochen. Er habe ſie verſichert, daß es alles gut gehen werde. Er ſey bey ihrem Vater geweſen, dieſer nehme durchaus keine Gruͤnde an. Nun woll er ſich ſeines Vetters ernſtlich annehmen. Er <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0358" n="778"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> ſich durch einen Miethbedienten nach dem Hauſe<lb/> bringen und melden. Aber zu ſeiner groſſen Be-<lb/> ſtuͤrzung hoͤrte er, der geheime Rath ſey nicht hier.<lb/> Er erkundigte ſich bey einem Bedienten; dieſer gab<lb/> ihm kurzen Beſcheid, und ſagte, ſein Herr ſey ſchon<lb/> vor drey Tagen mit ſeinem Kammerdiener unver-<lb/> muthet auf der Poſt abgereiſt, er wiſſe nicht, wo-<lb/> hin? Mehr konnte Siegwart nicht erfahren. Jn<lb/> der Betaͤubung lief er zu Kronhelms Schweſter,<lb/> die ihn ſogleich vor ſich ließ. Er erzaͤhlte ihr, in<lb/> der aͤuſſerſten Verwirrung, faſt ohne Zuſammen-<lb/> hang die ganze Geſchichte ihres Bruders, ſagte,<lb/> warum er nach Muͤnchen gekommen ſey, und frag-<lb/> te ſie, wo der geheime Rath hingereiſt ſey? —<lb/> Sie war aufs aͤuſſerſte betroffen, und hatte, wie<lb/> verſteinert, zugehoͤrt. Als ſie etwas von ihrem<lb/> Staunen zuruͤckkam, und ſich durch Thraͤnen Luft<lb/> gemacht hatte, ſagte ſie, ſie wiſſe vom geheimen<lb/> Rath und ſeiner ploͤtzlichen Abreiſe nicht das min-<lb/> deſte. Seit ſeiner Zuruͤckkunft habe ſie ihn nur<lb/> Einmal geſehen, und mit ihm von ihrem Bruder<lb/> geſprochen. Er habe ſie verſichert, daß es alles<lb/> gut gehen werde. Er ſey bey ihrem Vater geweſen,<lb/> dieſer nehme durchaus keine Gruͤnde an. Nun<lb/> woll er ſich ſeines Vetters ernſtlich annehmen. Er<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [778/0358]
ſich durch einen Miethbedienten nach dem Hauſe
bringen und melden. Aber zu ſeiner groſſen Be-
ſtuͤrzung hoͤrte er, der geheime Rath ſey nicht hier.
Er erkundigte ſich bey einem Bedienten; dieſer gab
ihm kurzen Beſcheid, und ſagte, ſein Herr ſey ſchon
vor drey Tagen mit ſeinem Kammerdiener unver-
muthet auf der Poſt abgereiſt, er wiſſe nicht, wo-
hin? Mehr konnte Siegwart nicht erfahren. Jn
der Betaͤubung lief er zu Kronhelms Schweſter,
die ihn ſogleich vor ſich ließ. Er erzaͤhlte ihr, in
der aͤuſſerſten Verwirrung, faſt ohne Zuſammen-
hang die ganze Geſchichte ihres Bruders, ſagte,
warum er nach Muͤnchen gekommen ſey, und frag-
te ſie, wo der geheime Rath hingereiſt ſey? —
Sie war aufs aͤuſſerſte betroffen, und hatte, wie
verſteinert, zugehoͤrt. Als ſie etwas von ihrem
Staunen zuruͤckkam, und ſich durch Thraͤnen Luft
gemacht hatte, ſagte ſie, ſie wiſſe vom geheimen
Rath und ſeiner ploͤtzlichen Abreiſe nicht das min-
deſte. Seit ſeiner Zuruͤckkunft habe ſie ihn nur
Einmal geſehen, und mit ihm von ihrem Bruder
geſprochen. Er habe ſie verſichert, daß es alles
gut gehen werde. Er ſey bey ihrem Vater geweſen,
dieſer nehme durchaus keine Gruͤnde an. Nun
woll er ſich ſeines Vetters ernſtlich annehmen. Er
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