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Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 2. Leipzig, 1776.

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die Bezahlung, oder seinen Stoff wieder, und
drüber wird sie das Gespräch der ganzen Stadt.
O, ich bin so froh, daß sie mich nicht mehr in
ihren Klauen hat. Jhr habt brav an mir gehan-
delt, daß ihr mich so von ihr losrisset, und ich
werd es nie vergessen. Es thut mir nur leid,
Kronhelm, daß wir dich so bald verlieren sollen. --
Siegwart lenkte das Gespräch, mit Vorsatz, auf
etwas anders, und Kronhelm ward nach und nach
ziemlich zerstreut, und, nach Umständen, munter.

Dahlmund blieb noch ein paar Stunden da,
und nahm von Kronhelm mit vieler Rührung Ab-
schied. Siegwart bat seinen Freund, frühzeitig
zu Bett zu gehen, weil sie morgen bald aufstehen
wollten. Er war besorgt, sie möchten beyde wie-
der in den schwermüthigen Ton herab sinken, und
sein Freund möchte Zweifel aufwerfen, die er nicht
im Stand wäre, umzustürzen; denn er schloß wirk-
lich aus dem Schreiben des Junker Veit wenig
Gutes. Kaum war er allein auf seinem Zimmer,
so brach sein Schmerz mit aller Gewalt aus. Er
fühlte den Verlust, den er leiden sollte, in seinem
ganzen Umfang. Es war ihm jetzt gedoppelt
schmerzhaft, seinen einzigen und besten Freund zu
verlieren, da er kaum einen Vertrauten seiner Liebe



die Bezahlung, oder ſeinen Stoff wieder, und
druͤber wird ſie das Geſpraͤch der ganzen Stadt.
O, ich bin ſo froh, daß ſie mich nicht mehr in
ihren Klauen hat. Jhr habt brav an mir gehan-
delt, daß ihr mich ſo von ihr losriſſet, und ich
werd es nie vergeſſen. Es thut mir nur leid,
Kronhelm, daß wir dich ſo bald verlieren ſollen. —
Siegwart lenkte das Geſpraͤch, mit Vorſatz, auf
etwas anders, und Kronhelm ward nach und nach
ziemlich zerſtreut, und, nach Umſtaͤnden, munter.

Dahlmund blieb noch ein paar Stunden da,
und nahm von Kronhelm mit vieler Ruͤhrung Ab-
ſchied. Siegwart bat ſeinen Freund, fruͤhzeitig
zu Bett zu gehen, weil ſie morgen bald aufſtehen
wollten. Er war beſorgt, ſie moͤchten beyde wie-
der in den ſchwermuͤthigen Ton herab ſinken, und
ſein Freund moͤchte Zweifel aufwerfen, die er nicht
im Stand waͤre, umzuſtuͤrzen; denn er ſchloß wirk-
lich aus dem Schreiben des Junker Veit wenig
Gutes. Kaum war er allein auf ſeinem Zimmer,
ſo brach ſein Schmerz mit aller Gewalt aus. Er
fuͤhlte den Verluſt, den er leiden ſollte, in ſeinem
ganzen Umfang. Es war ihm jetzt gedoppelt
ſchmerzhaft, ſeinen einzigen und beſten Freund zu
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[747/0327] die Bezahlung, oder ſeinen Stoff wieder, und druͤber wird ſie das Geſpraͤch der ganzen Stadt. O, ich bin ſo froh, daß ſie mich nicht mehr in ihren Klauen hat. Jhr habt brav an mir gehan- delt, daß ihr mich ſo von ihr losriſſet, und ich werd es nie vergeſſen. Es thut mir nur leid, Kronhelm, daß wir dich ſo bald verlieren ſollen. — Siegwart lenkte das Geſpraͤch, mit Vorſatz, auf etwas anders, und Kronhelm ward nach und nach ziemlich zerſtreut, und, nach Umſtaͤnden, munter. Dahlmund blieb noch ein paar Stunden da, und nahm von Kronhelm mit vieler Ruͤhrung Ab- ſchied. Siegwart bat ſeinen Freund, fruͤhzeitig zu Bett zu gehen, weil ſie morgen bald aufſtehen wollten. Er war beſorgt, ſie moͤchten beyde wie- der in den ſchwermuͤthigen Ton herab ſinken, und ſein Freund moͤchte Zweifel aufwerfen, die er nicht im Stand waͤre, umzuſtuͤrzen; denn er ſchloß wirk- lich aus dem Schreiben des Junker Veit wenig Gutes. Kaum war er allein auf ſeinem Zimmer, ſo brach ſein Schmerz mit aller Gewalt aus. Er fuͤhlte den Verluſt, den er leiden ſollte, in ſeinem ganzen Umfang. Es war ihm jetzt gedoppelt ſchmerzhaft, ſeinen einzigen und beſten Freund zu verlieren, da er kaum einen Vertrauten ſeiner Liebe

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Zitationshilfe: Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 2. Leipzig, 1776, S. 747. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart02_1776/327>, abgerufen am 22.11.2024.