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Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 2. Leipzig, 1776.

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zu erwählen gedenke? Siegwart hatte auch im
Taumel seiner Liebe daran noch nicht gedacht.

Den andern Morgen gingen sie bey Zeiten wie-
der zu Kronhelms Schwager. Dieser wurde nach
und nach vertraulicher, und legte den Hofton ziem-
lich ab. Er fragte, ob sie nicht die Merkwürdig-
keiten der Stadt besehen wollten? und gab ihnen
seinen Kammerdiener mit. Sie besahen die Resi-
denz und besonders den Prinzenhof, wo sie die vie-
len metallenen Bildsäulen, die zum Theil sehr gut
gearbeitet sind, bewunderten; das Antiquarium,
mit den vielen marmornen Bildsäulen der ältern
römischen Kaiser, und die Kunstkammer. Sie be-
daurten nur, daß man alles nur so flüchtig besehen
kann, und von der Menge der Merkwürdigkeiten
mehr betäubt wird, als daß man das, sich beson-
ders auszeichnende, studiren, und seinem Gedächt-
niss' einprägen kann. Auch giengen sie in einige
Kirchen, wo die Menge von Gemälden, Kostbar-
keiten und Schätzen sie blendete, und kamen um
Ein Uhr zum Essen zurück. Herr von Eller frag-
te sie nach verschiedenem, was sie gesehen hatten,
und freute sich, daß sie auf die Alterthümer und
die römischen Bildsäulen am aufmerksamsten gewe-
sen waren, denn er selbst war ein guter Alterthums-



zu erwaͤhlen gedenke? Siegwart hatte auch im
Taumel ſeiner Liebe daran noch nicht gedacht.

Den andern Morgen gingen ſie bey Zeiten wie-
der zu Kronhelms Schwager. Dieſer wurde nach
und nach vertraulicher, und legte den Hofton ziem-
lich ab. Er fragte, ob ſie nicht die Merkwuͤrdig-
keiten der Stadt beſehen wollten? und gab ihnen
ſeinen Kammerdiener mit. Sie beſahen die Reſi-
denz und beſonders den Prinzenhof, wo ſie die vie-
len metallenen Bildſaͤulen, die zum Theil ſehr gut
gearbeitet ſind, bewunderten; das Antiquarium,
mit den vielen marmornen Bildſaͤulen der aͤltern
roͤmiſchen Kaiſer, und die Kunſtkammer. Sie be-
daurten nur, daß man alles nur ſo fluͤchtig beſehen
kann, und von der Menge der Merkwuͤrdigkeiten
mehr betaͤubt wird, als daß man das, ſich beſon-
ders auszeichnende, ſtudiren, und ſeinem Gedaͤcht-
niſſ’ einpraͤgen kann. Auch giengen ſie in einige
Kirchen, wo die Menge von Gemaͤlden, Koſtbar-
keiten und Schaͤtzen ſie blendete, und kamen um
Ein Uhr zum Eſſen zuruͤck. Herr von Eller frag-
te ſie nach verſchiedenem, was ſie geſehen hatten,
und freute ſich, daß ſie auf die Alterthuͤmer und
die roͤmiſchen Bildſaͤulen am aufmerkſamſten gewe-
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[733/0313] zu erwaͤhlen gedenke? Siegwart hatte auch im Taumel ſeiner Liebe daran noch nicht gedacht. Den andern Morgen gingen ſie bey Zeiten wie- der zu Kronhelms Schwager. Dieſer wurde nach und nach vertraulicher, und legte den Hofton ziem- lich ab. Er fragte, ob ſie nicht die Merkwuͤrdig- keiten der Stadt beſehen wollten? und gab ihnen ſeinen Kammerdiener mit. Sie beſahen die Reſi- denz und beſonders den Prinzenhof, wo ſie die vie- len metallenen Bildſaͤulen, die zum Theil ſehr gut gearbeitet ſind, bewunderten; das Antiquarium, mit den vielen marmornen Bildſaͤulen der aͤltern roͤmiſchen Kaiſer, und die Kunſtkammer. Sie be- daurten nur, daß man alles nur ſo fluͤchtig beſehen kann, und von der Menge der Merkwuͤrdigkeiten mehr betaͤubt wird, als daß man das, ſich beſon- ders auszeichnende, ſtudiren, und ſeinem Gedaͤcht- niſſ’ einpraͤgen kann. Auch giengen ſie in einige Kirchen, wo die Menge von Gemaͤlden, Koſtbar- keiten und Schaͤtzen ſie blendete, und kamen um Ein Uhr zum Eſſen zuruͤck. Herr von Eller frag- te ſie nach verſchiedenem, was ſie geſehen hatten, und freute ſich, daß ſie auf die Alterthuͤmer und die roͤmiſchen Bildſaͤulen am aufmerkſamſten gewe- ſen waren, denn er ſelbſt war ein guter Alterthums-

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Zitationshilfe: Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 2. Leipzig, 1776, S. 733. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart02_1776/313>, abgerufen am 22.11.2024.