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Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 2. Leipzig, 1776.

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mels. Jhre Miene war voll Heiterkeit, und ihr
helles braunes Auge voll süsser Wehmuth. Ein
paarmal sah sie sich nach Siegwart um, der, in
ihrem Anschaun ganz versunken, fast vergaß, sein
Pferd zu lenken. Alles war ihm so feyerlich; die
ganze Flur umher schien ihm ein Tempel. Ein
paarmal sah er gen Himmel, und sein Blick, und
die Thräne drinn, ward ein Gebeth um Maria-
nens Liebe. Anfangs sprach er wenig. Nur zu-
weilen rief er aus: Was das doch alles schön ist!
Sehn Sie dort am Schloß die Fenster! Wie sie
glänzen, als obs Gold wär! Sehn Sie das herr-
liche, überherrliche Abendroth! Und die Waldung
dort im Golde! Und das Dunkel dort am Berg!
Und die Stille! O, der schönste Tag in meinem
Leben! -- Kronhelm, der vor ihm fuhr, und
sich ein paarmal nach ihm umsah, merkte ihm
die Freude an, wie sie ihm aus den Augen blitzte,
und in jeglichem Gesichtszuge sich ausdrückte. Er
freute sich im Jnnersten darüber, und sah ihn mit
einem vielbedeutenden Lächeln an.

Jn der Stadt fuhr die Gesellschaft noch einmal
die Hauptstrassen durch, und dann nach dem Hau-
se, wo der Ball gehalten wurde. Mariane ließ
sich erst nach Hause führen, um sich umzukleiden.



mels. Jhre Miene war voll Heiterkeit, und ihr
helles braunes Auge voll ſuͤſſer Wehmuth. Ein
paarmal ſah ſie ſich nach Siegwart um, der, in
ihrem Anſchaun ganz verſunken, faſt vergaß, ſein
Pferd zu lenken. Alles war ihm ſo feyerlich; die
ganze Flur umher ſchien ihm ein Tempel. Ein
paarmal ſah er gen Himmel, und ſein Blick, und
die Thraͤne drinn, ward ein Gebeth um Maria-
nens Liebe. Anfangs ſprach er wenig. Nur zu-
weilen rief er aus: Was das doch alles ſchoͤn iſt!
Sehn Sie dort am Schloß die Fenſter! Wie ſie
glaͤnzen, als obs Gold waͤr! Sehn Sie das herr-
liche, uͤberherrliche Abendroth! Und die Waldung
dort im Golde! Und das Dunkel dort am Berg!
Und die Stille! O, der ſchoͤnſte Tag in meinem
Leben! — Kronhelm, der vor ihm fuhr, und
ſich ein paarmal nach ihm umſah, merkte ihm
die Freude an, wie ſie ihm aus den Augen blitzte,
und in jeglichem Geſichtszuge ſich ausdruͤckte. Er
freute ſich im Jnnerſten daruͤber, und ſah ihn mit
einem vielbedeutenden Laͤcheln an.

Jn der Stadt fuhr die Geſellſchaft noch einmal
die Hauptſtraſſen durch, und dann nach dem Hau-
ſe, wo der Ball gehalten wurde. Mariane ließ
ſich erſt nach Hauſe fuͤhren, um ſich umzukleiden.

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[662/0242] mels. Jhre Miene war voll Heiterkeit, und ihr helles braunes Auge voll ſuͤſſer Wehmuth. Ein paarmal ſah ſie ſich nach Siegwart um, der, in ihrem Anſchaun ganz verſunken, faſt vergaß, ſein Pferd zu lenken. Alles war ihm ſo feyerlich; die ganze Flur umher ſchien ihm ein Tempel. Ein paarmal ſah er gen Himmel, und ſein Blick, und die Thraͤne drinn, ward ein Gebeth um Maria- nens Liebe. Anfangs ſprach er wenig. Nur zu- weilen rief er aus: Was das doch alles ſchoͤn iſt! Sehn Sie dort am Schloß die Fenſter! Wie ſie glaͤnzen, als obs Gold waͤr! Sehn Sie das herr- liche, uͤberherrliche Abendroth! Und die Waldung dort im Golde! Und das Dunkel dort am Berg! Und die Stille! O, der ſchoͤnſte Tag in meinem Leben! — Kronhelm, der vor ihm fuhr, und ſich ein paarmal nach ihm umſah, merkte ihm die Freude an, wie ſie ihm aus den Augen blitzte, und in jeglichem Geſichtszuge ſich ausdruͤckte. Er freute ſich im Jnnerſten daruͤber, und ſah ihn mit einem vielbedeutenden Laͤcheln an. Jn der Stadt fuhr die Geſellſchaft noch einmal die Hauptſtraſſen durch, und dann nach dem Hau- ſe, wo der Ball gehalten wurde. Mariane ließ ſich erſt nach Hauſe fuͤhren, um ſich umzukleiden.

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Zitationshilfe: Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 2. Leipzig, 1776, S. 662. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart02_1776/242>, abgerufen am 21.11.2024.