auch noch nie! Jch weis, wie mirs war an Ostern, als ich nur acht Tage von ihr weg war; und nun auf mein ganzes Leben! O, ich halt es nicht aus! Wenn nur das Gift, das ich in mir fühl, bald um sich griffe, und Mark und Knochen aufzehrte! Es wär ja Wohlthat, wenn gleich das Sterben ohne sie auch schrecklich ist. Aber nach dem Tod hoff' ich doch Linderung.
Kronhelm und Siegwart redeten ihm zu, sich doch selbst zu schonen, und kein Selbstmörder zu wer- den! -- Das werd ich auch nicht, sagte er, dazu hab ich zu viel Christenthum, und weis, daß es Sünde ist. Aber, lieben Leute! ich hab mir ja den Schmerz, der mich aufzehrt, nicht selbst ge- macht! Jch stritt lang, und wollte sie vergessen, als sie gar nichts von mir hören wollte. Aber der verschloßne Gram wüthete nur heftiger in mir, und leckte allen Lebenssaft hinweg. -- Jetzt kannst du aber nicht reisen, sagte Kronhelm; du siehst gar zu elend aus. Jch will deinem Vater schreiben, daß du krank bist, oder selber die acht Meilen zu ihm reiten. Vielleicht sieht ers doch ein, und gibt nach. -- Thu das, Brüderchen! sagte Gutfried; Gott segne dich für diesen Einfall, und für deine viele Freundschaft! Jch werd dirs nicht mehr lang
auch noch nie! Jch weis, wie mirs war an Oſtern, als ich nur acht Tage von ihr weg war; und nun auf mein ganzes Leben! O, ich halt es nicht aus! Wenn nur das Gift, das ich in mir fuͤhl, bald um ſich griffe, und Mark und Knochen aufzehrte! Es waͤr ja Wohlthat, wenn gleich das Sterben ohne ſie auch ſchrecklich iſt. Aber nach dem Tod hoff’ ich doch Linderung.
Kronhelm und Siegwart redeten ihm zu, ſich doch ſelbſt zu ſchonen, und kein Selbſtmoͤrder zu wer- den! — Das werd ich auch nicht, ſagte er, dazu hab ich zu viel Chriſtenthum, und weis, daß es Suͤnde iſt. Aber, lieben Leute! ich hab mir ja den Schmerz, der mich aufzehrt, nicht ſelbſt ge- macht! Jch ſtritt lang, und wollte ſie vergeſſen, als ſie gar nichts von mir hoͤren wollte. Aber der verſchloßne Gram wuͤthete nur heftiger in mir, und leckte allen Lebensſaft hinweg. — Jetzt kannſt du aber nicht reiſen, ſagte Kronhelm; du ſiehſt gar zu elend aus. Jch will deinem Vater ſchreiben, daß du krank biſt, oder ſelber die acht Meilen zu ihm reiten. Vielleicht ſieht ers doch ein, und gibt nach. — Thu das, Bruͤderchen! ſagte Gutfried; Gott ſegne dich fuͤr dieſen Einfall, und fuͤr deine viele Freundſchaft! Jch werd dirs nicht mehr lang
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auch noch nie! Jch weis, wie mirs war an Oſtern,
als ich nur acht Tage von ihr weg war; und nun
auf mein ganzes Leben! O, ich halt es nicht aus!
Wenn nur das Gift, das ich in mir fuͤhl, bald um
ſich griffe, und Mark und Knochen aufzehrte! Es
waͤr ja Wohlthat, wenn gleich das Sterben ohne
ſie auch ſchrecklich iſt. Aber nach dem Tod hoff’
ich doch Linderung.
Kronhelm und Siegwart redeten ihm zu, ſich
doch ſelbſt zu ſchonen, und kein Selbſtmoͤrder zu wer-
den! — Das werd ich auch nicht, ſagte er, dazu
hab ich zu viel Chriſtenthum, und weis, daß es
Suͤnde iſt. Aber, lieben Leute! ich hab mir ja
den Schmerz, der mich aufzehrt, nicht ſelbſt ge-
macht! Jch ſtritt lang, und wollte ſie vergeſſen,
als ſie gar nichts von mir hoͤren wollte. Aber der
verſchloßne Gram wuͤthete nur heftiger in mir,
und leckte allen Lebensſaft hinweg. — Jetzt kannſt
du aber nicht reiſen, ſagte Kronhelm; du ſiehſt gar
zu elend aus. Jch will deinem Vater ſchreiben,
daß du krank biſt, oder ſelber die acht Meilen zu
ihm reiten. Vielleicht ſieht ers doch ein, und gibt
nach. — Thu das, Bruͤderchen! ſagte Gutfried;
Gott ſegne dich fuͤr dieſen Einfall, und fuͤr deine
viele Freundſchaft! Jch werd dirs nicht mehr lang
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Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 2. Leipzig, 1776, S. 625. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart02_1776/205>, abgerufen am 16.02.2025.
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