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Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 2. Leipzig, 1776.

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glauben mit dem Kloster! Es ist, auf meine Ehre!
nur auf das Geld angesehen, das Mariane kriegen
soll; das möchten die feinen Herren Brüder thei-
len. O, ich hab so viel Mitleid mit dem armen
Mädchen, daß ich oft toll werden möchte. Sie
steht erstaunlich viel aus; mich wundert nur, wie
sies aushalten kann! Aber sie hat ausserordentlich
viel Standhaftigkeit, und ist bey all ihrem sanften
Weiberwesen doch ein halber Mann. Könnt ich sie
auf meine Seite bringen, ich wollts den Kerls
schon sagen! Aber . . . . und hier seufzte Gut-
fried, und gieng auf die Seite. -- Es wird Essens-
zeit seyn, sagte Siegwart. Gutfried sah auf der
Uhr nach, und sie giengen mit einander auf Kron-
helms Zimmer.

Beym Essen wurde Siegwart durch allerley an-
dre Gespräche etwas zerstreut, und von dem Ge-
danken an seine Mariane abgezogen; aber oft
stralte das Bild von ihr wieder, wie ein Blitz, in
seine Seele, und machte ihn verwirrt, und weh-
müthig.

Sie waren zum Herrn von Dahlmund gebeten,
und blieben den Nachmittag und Abend bey ihm.
Dieses war ein junger Edelmann von vielen Kennt-
nissen, der, während seines Aufenthalts in Augspurg



glauben mit dem Kloſter! Es iſt, auf meine Ehre!
nur auf das Geld angeſehen, das Mariane kriegen
ſoll; das moͤchten die feinen Herren Bruͤder thei-
len. O, ich hab ſo viel Mitleid mit dem armen
Maͤdchen, daß ich oft toll werden moͤchte. Sie
ſteht erſtaunlich viel aus; mich wundert nur, wie
ſies aushalten kann! Aber ſie hat auſſerordentlich
viel Standhaftigkeit, und iſt bey all ihrem ſanften
Weiberweſen doch ein halber Mann. Koͤnnt ich ſie
auf meine Seite bringen, ich wollts den Kerls
ſchon ſagen! Aber . . . . und hier ſeufzte Gut-
fried, und gieng auf die Seite. — Es wird Eſſens-
zeit ſeyn, ſagte Siegwart. Gutfried ſah auf der
Uhr nach, und ſie giengen mit einander auf Kron-
helms Zimmer.

Beym Eſſen wurde Siegwart durch allerley an-
dre Geſpraͤche etwas zerſtreut, und von dem Ge-
danken an ſeine Mariane abgezogen; aber oft
ſtralte das Bild von ihr wieder, wie ein Blitz, in
ſeine Seele, und machte ihn verwirrt, und weh-
muͤthig.

Sie waren zum Herrn von Dahlmund gebeten,
und blieben den Nachmittag und Abend bey ihm.
Dieſes war ein junger Edelmann von vielen Kennt-
niſſen, der, waͤhrend ſeines Aufenthalts in Augſpurg

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[599/0179] glauben mit dem Kloſter! Es iſt, auf meine Ehre! nur auf das Geld angeſehen, das Mariane kriegen ſoll; das moͤchten die feinen Herren Bruͤder thei- len. O, ich hab ſo viel Mitleid mit dem armen Maͤdchen, daß ich oft toll werden moͤchte. Sie ſteht erſtaunlich viel aus; mich wundert nur, wie ſies aushalten kann! Aber ſie hat auſſerordentlich viel Standhaftigkeit, und iſt bey all ihrem ſanften Weiberweſen doch ein halber Mann. Koͤnnt ich ſie auf meine Seite bringen, ich wollts den Kerls ſchon ſagen! Aber . . . . und hier ſeufzte Gut- fried, und gieng auf die Seite. — Es wird Eſſens- zeit ſeyn, ſagte Siegwart. Gutfried ſah auf der Uhr nach, und ſie giengen mit einander auf Kron- helms Zimmer. Beym Eſſen wurde Siegwart durch allerley an- dre Geſpraͤche etwas zerſtreut, und von dem Ge- danken an ſeine Mariane abgezogen; aber oft ſtralte das Bild von ihr wieder, wie ein Blitz, in ſeine Seele, und machte ihn verwirrt, und weh- muͤthig. Sie waren zum Herrn von Dahlmund gebeten, und blieben den Nachmittag und Abend bey ihm. Dieſes war ein junger Edelmann von vielen Kennt- niſſen, der, waͤhrend ſeines Aufenthalts in Augſpurg

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Zitationshilfe: Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 2. Leipzig, 1776, S. 599. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart02_1776/179>, abgerufen am 03.05.2024.