derte Siegwart. -- Je nu, das muß man über- sehn! versetzte Gutfried. --
Und nun hörten sie dem Spiel Marianens -- so hieß die Fischerin -- wieder zu, und schwam- men beyde in überirdischem Entzücken, und wol- lustreicher Wehmuth. Mariane trat wieder ans Fenster; die beyden zärtlichen Liebhaber traten zu- rück, um sie nicht zu beleidigen, und blickten nur halb durch die Vorhänge durch. Marianens Bru- der kam nun auch ans Fenster. Der schlägt sei- nem Vater nach, sagte Gutfried, und übertrift ihn noch ein Gutes an Stolz und Hochmuth. Der Mensch ist so in sich vernarrt, als ich noch nicht leicht einen gesehen habe. Auf sein rundes, auf- gedunsenes Gesicht thut er sich unendlich viel zu gut. Er bildet sich ein, er sey ein grosser Violin- spieler, und auf der Flöte gar ein Virtuose, und doch ist er auf beyden Jnstrumenten kaum mittelmässig. Dabey ist er noch auf eine schändliche Art filzig. Was ich ihm aber am wenigsten vergeben kann, ist, daß er seiner Schwester allen möglichen Ver- druß anthut. Jmmer neckt er sie und plagt sie. Jch habs schon hundertmal von hier mit angesehn Einmal hat er, mit Hülfe seines Bruders, seinen Vater schon so weit gebracht, daß das Mädchen
derte Siegwart. — Je nu, das muß man uͤber- ſehn! verſetzte Gutfried. —
Und nun hoͤrten ſie dem Spiel Marianens — ſo hieß die Fiſcherin — wieder zu, und ſchwam- men beyde in uͤberirdiſchem Entzuͤcken, und wol- luſtreicher Wehmuth. Mariane trat wieder ans Fenſter; die beyden zaͤrtlichen Liebhaber traten zu- ruͤck, um ſie nicht zu beleidigen, und blickten nur halb durch die Vorhaͤnge durch. Marianens Bru- der kam nun auch ans Fenſter. Der ſchlaͤgt ſei- nem Vater nach, ſagte Gutfried, und uͤbertrift ihn noch ein Gutes an Stolz und Hochmuth. Der Menſch iſt ſo in ſich vernarrt, als ich noch nicht leicht einen geſehen habe. Auf ſein rundes, auf- gedunſenes Geſicht thut er ſich unendlich viel zu gut. Er bildet ſich ein, er ſey ein groſſer Violin- ſpieler, und auf der Floͤte gar ein Virtuoſe, und doch iſt er auf beyden Jnſtrumenten kaum mittelmaͤſſig. Dabey iſt er noch auf eine ſchaͤndliche Art filzig. Was ich ihm aber am wenigſten vergeben kann, iſt, daß er ſeiner Schweſter allen moͤglichen Ver- druß anthut. Jmmer neckt er ſie und plagt ſie. Jch habs ſchon hundertmal von hier mit angeſehn Einmal hat er, mit Huͤlfe ſeines Bruders, ſeinen Vater ſchon ſo weit gebracht, daß das Maͤdchen
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derte Siegwart. — Je nu, das muß man uͤber-
ſehn! verſetzte Gutfried. —
Und nun hoͤrten ſie dem Spiel Marianens —
ſo hieß die Fiſcherin — wieder zu, und ſchwam-
men beyde in uͤberirdiſchem Entzuͤcken, und wol-
luſtreicher Wehmuth. Mariane trat wieder ans
Fenſter; die beyden zaͤrtlichen Liebhaber traten zu-
ruͤck, um ſie nicht zu beleidigen, und blickten nur
halb durch die Vorhaͤnge durch. Marianens Bru-
der kam nun auch ans Fenſter. Der ſchlaͤgt ſei-
nem Vater nach, ſagte Gutfried, und uͤbertrift ihn
noch ein Gutes an Stolz und Hochmuth. Der
Menſch iſt ſo in ſich vernarrt, als ich noch nicht
leicht einen geſehen habe. Auf ſein rundes, auf-
gedunſenes Geſicht thut er ſich unendlich viel zu
gut. Er bildet ſich ein, er ſey ein groſſer Violin-
ſpieler, und auf der Floͤte gar ein Virtuoſe, und doch
iſt er auf beyden Jnſtrumenten kaum mittelmaͤſſig.
Dabey iſt er noch auf eine ſchaͤndliche Art filzig.
Was ich ihm aber am wenigſten vergeben kann,
iſt, daß er ſeiner Schweſter allen moͤglichen Ver-
druß anthut. Jmmer neckt er ſie und plagt ſie.
Jch habs ſchon hundertmal von hier mit angeſehn
Einmal hat er, mit Huͤlfe ſeines Bruders, ſeinen
Vater ſchon ſo weit gebracht, daß das Maͤdchen
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Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 2. Leipzig, 1776, S. 597. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart02_1776/177>, abgerufen am 24.11.2024.
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