Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 2. Leipzig, 1776.gekommen war, hörte die Philosophie, und die Physik. Der junge Jckstatt, der die Wolfische Philosophie inne hatte, und überhaupt sehr aufge- klärt dachte, gefiel ihm vorzüglich, und machte ihm das philosophische Studium sehr angenehm. Sei- ne andern Lehrer, die gröstentheils Jesuiten waren, gefielen ihm schon weniger. Kronhelm hatte blos eine Stunde bey Jckstatt, und eine andre auf der Reitbahn. Die ganze übrige Zeit brachte er zu Haus in der Einsamkeit zu. Gutfried war fast ihr einziger Gesellschafter. So gieng der Frühling und der Sommer hin, ohne daß Siegwart Ein- mal in eine eigentliche Studentengesellschaft kam, wobey er freylich blutwenig verlohr. Sein Ver- stand ward durch die Wissenschaften und den Vor- trag seiner Lehrer immer mehr aufgeklärt; sein Herz durch das Lesen der Alten, und besonders der Geschichtschreiber, immer männlicher und fe- ster; und seine Empfindung durch das Lesen der alten und neuen Dichter, durch fleissige Uebung in der Musik, und genaue Beobachtung der Natur immer feiner, richtiger, und reizbarer. Oft fühlte er in sich ein gewisses Leere, und ein Verlangen, wovon er den Gegenstand nicht kannte. Sein Herz war oft, besonders in der Dämmerung, ungewöhn- gekommen war, hoͤrte die Philoſophie, und die Phyſik. Der junge Jckſtatt, der die Wolfiſche Philoſophie inne hatte, und uͤberhaupt ſehr aufge- klaͤrt dachte, gefiel ihm vorzuͤglich, und machte ihm das philoſophiſche Studium ſehr angenehm. Sei- ne andern Lehrer, die groͤſtentheils Jeſuiten waren, gefielen ihm ſchon weniger. Kronhelm hatte blos eine Stunde bey Jckſtatt, und eine andre auf der Reitbahn. Die ganze uͤbrige Zeit brachte er zu Haus in der Einſamkeit zu. Gutfried war faſt ihr einziger Geſellſchafter. So gieng der Fruͤhling und der Sommer hin, ohne daß Siegwart Ein- mal in eine eigentliche Studentengeſellſchaft kam, wobey er freylich blutwenig verlohr. Sein Ver- ſtand ward durch die Wiſſenſchaften und den Vor- trag ſeiner Lehrer immer mehr aufgeklaͤrt; ſein Herz durch das Leſen der Alten, und beſonders der Geſchichtſchreiber, immer maͤnnlicher und fe- ſter; und ſeine Empfindung durch das Leſen der alten und neuen Dichter, durch fleiſſige Uebung in der Muſik, und genaue Beobachtung der Natur immer feiner, richtiger, und reizbarer. Oft fuͤhlte er in ſich ein gewiſſes Leere, und ein Verlangen, wovon er den Gegenſtand nicht kannte. Sein Herz war oft, beſonders in der Daͤmmerung, ungewoͤhn- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0141" n="561"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> gekommen war, hoͤrte die Philoſophie, und die<lb/> Phyſik. Der junge Jckſtatt, der die Wolfiſche<lb/> Philoſophie inne hatte, und uͤberhaupt ſehr aufge-<lb/> klaͤrt dachte, gefiel ihm vorzuͤglich, und machte ihm<lb/> das philoſophiſche Studium ſehr angenehm. Sei-<lb/> ne andern Lehrer, die groͤſtentheils Jeſuiten waren,<lb/> gefielen ihm ſchon weniger. Kronhelm hatte blos<lb/> eine Stunde bey Jckſtatt, und eine andre auf der<lb/> Reitbahn. Die ganze uͤbrige Zeit brachte er zu<lb/> Haus in der Einſamkeit zu. Gutfried war faſt ihr<lb/> einziger Geſellſchafter. So gieng der Fruͤhling<lb/> und der Sommer hin, ohne daß Siegwart Ein-<lb/> mal in eine eigentliche Studentengeſellſchaft kam,<lb/> wobey er freylich blutwenig verlohr. Sein Ver-<lb/> ſtand ward durch die Wiſſenſchaften und den Vor-<lb/> trag ſeiner Lehrer immer mehr aufgeklaͤrt; ſein<lb/> Herz durch das Leſen der Alten, und beſonders<lb/> der Geſchichtſchreiber, immer maͤnnlicher und fe-<lb/> ſter; und ſeine Empfindung durch das Leſen der<lb/> alten und neuen Dichter, durch fleiſſige Uebung<lb/> in der Muſik, und genaue Beobachtung der Natur<lb/> immer feiner, richtiger, und reizbarer. Oft fuͤhlte<lb/> er in ſich ein gewiſſes Leere, und ein Verlangen,<lb/> wovon er den Gegenſtand nicht kannte. Sein Herz<lb/> war oft, beſonders in der Daͤmmerung, ungewoͤhn-<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [561/0141]
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Phyſik. Der junge Jckſtatt, der die Wolfiſche
Philoſophie inne hatte, und uͤberhaupt ſehr aufge-
klaͤrt dachte, gefiel ihm vorzuͤglich, und machte ihm
das philoſophiſche Studium ſehr angenehm. Sei-
ne andern Lehrer, die groͤſtentheils Jeſuiten waren,
gefielen ihm ſchon weniger. Kronhelm hatte blos
eine Stunde bey Jckſtatt, und eine andre auf der
Reitbahn. Die ganze uͤbrige Zeit brachte er zu
Haus in der Einſamkeit zu. Gutfried war faſt ihr
einziger Geſellſchafter. So gieng der Fruͤhling
und der Sommer hin, ohne daß Siegwart Ein-
mal in eine eigentliche Studentengeſellſchaft kam,
wobey er freylich blutwenig verlohr. Sein Ver-
ſtand ward durch die Wiſſenſchaften und den Vor-
trag ſeiner Lehrer immer mehr aufgeklaͤrt; ſein
Herz durch das Leſen der Alten, und beſonders
der Geſchichtſchreiber, immer maͤnnlicher und fe-
ſter; und ſeine Empfindung durch das Leſen der
alten und neuen Dichter, durch fleiſſige Uebung
in der Muſik, und genaue Beobachtung der Natur
immer feiner, richtiger, und reizbarer. Oft fuͤhlte
er in ſich ein gewiſſes Leere, und ein Verlangen,
wovon er den Gegenſtand nicht kannte. Sein Herz
war oft, beſonders in der Daͤmmerung, ungewoͤhn-
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