Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 2. Leipzig, 1776.wart, was gehen mich die Mädchen an? Jch bring einmal dem Hofrath meines Vaters Brief, und damit aus! Wenn er stolz ist, so bin ichs auch! -- Nun, wir wollen sehen, sagte Kron- helm lächelnd. Den Nachmittag waren sie zu Gutfried gebeten, der ihnen sehr gefiel, und mit dem sie Freundschaft errichteten, und eine wöchent- liche Zusammenkunft ausmachten, weil er die Flöte recht gut spielte. Es war auch ein Sohn vom Hofrath Fischer da, dem Gutfried gegenüber wohn- te. Dieser junge Mensch studierte, und war un- bändig stolz. Er gab sich mit Kronhelm etwas, und mit Siegwart gar nicht ab, ob ihm dieser gleich sagte, sein Vater habe ehedem das Glück gehabt, ein Freund des seinigen zu seyn. Alle Augenblicke besah er sich im Spiegel, und bewun- derte sein glattes, karmesinrothes Gesicht. Den andern Tag gieng Siegwart zum Kanzler, der ihm höflich begegnete, und von da zum Hofrath Fischer, dem er seines Vaters Brief brachte. Der Hofrath empfieng ihn in seinem damastenen Schlaf- rock sehr kalt und stolz, und nöthigte ihn nicht ein- mal zum Sitzen. Als er den Brief durchgelesen hatte, sagte er: Also lebt sein Vater noch? Jch dachte, er wäre schon längst gestorben. Nun, Nun! wart, was gehen mich die Maͤdchen an? Jch bring einmal dem Hofrath meines Vaters Brief, und damit aus! Wenn er ſtolz iſt, ſo bin ichs auch! — Nun, wir wollen ſehen, ſagte Kron- helm laͤchelnd. Den Nachmittag waren ſie zu Gutfried gebeten, der ihnen ſehr gefiel, und mit dem ſie Freundſchaft errichteten, und eine woͤchent- liche Zuſammenkunft ausmachten, weil er die Floͤte recht gut ſpielte. Es war auch ein Sohn vom Hofrath Fiſcher da, dem Gutfried gegenuͤber wohn- te. Dieſer junge Menſch ſtudierte, und war un- baͤndig ſtolz. Er gab ſich mit Kronhelm etwas, und mit Siegwart gar nicht ab, ob ihm dieſer gleich ſagte, ſein Vater habe ehedem das Gluͤck gehabt, ein Freund des ſeinigen zu ſeyn. Alle Augenblicke beſah er ſich im Spiegel, und bewun- derte ſein glattes, karmeſinrothes Geſicht. Den andern Tag gieng Siegwart zum Kanzler, der ihm hoͤflich begegnete, und von da zum Hofrath Fiſcher, dem er ſeines Vaters Brief brachte. Der Hofrath empfieng ihn in ſeinem damaſtenen Schlaf- rock ſehr kalt und ſtolz, und noͤthigte ihn nicht ein- mal zum Sitzen. Als er den Brief durchgeleſen hatte, ſagte er: Alſo lebt ſein Vater noch? Jch dachte, er waͤre ſchon laͤngſt geſtorben. Nun, Nun! <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0138" n="558"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> wart, was gehen mich die Maͤdchen an? Jch<lb/> bring einmal dem Hofrath meines Vaters Brief,<lb/> und damit aus! Wenn er ſtolz iſt, ſo bin ichs<lb/> auch! — Nun, wir wollen ſehen, ſagte Kron-<lb/> helm laͤchelnd. Den Nachmittag waren ſie zu<lb/> Gutfried gebeten, der ihnen ſehr gefiel, und mit<lb/> dem ſie Freundſchaft errichteten, und eine woͤchent-<lb/> liche Zuſammenkunft ausmachten, weil er die Floͤte<lb/> recht gut ſpielte. Es war auch ein Sohn vom<lb/> Hofrath Fiſcher da, dem Gutfried gegenuͤber wohn-<lb/> te. Dieſer junge Menſch ſtudierte, und war un-<lb/> baͤndig ſtolz. Er gab ſich mit Kronhelm etwas,<lb/> und mit Siegwart gar nicht ab, ob ihm dieſer<lb/> gleich ſagte, ſein Vater habe ehedem das Gluͤck<lb/> gehabt, ein Freund des ſeinigen zu ſeyn. Alle<lb/> Augenblicke beſah er ſich im Spiegel, und bewun-<lb/> derte ſein glattes, karmeſinrothes Geſicht. Den<lb/> andern Tag gieng Siegwart zum Kanzler, der<lb/> ihm hoͤflich begegnete, und von da zum Hofrath<lb/> Fiſcher, dem er ſeines Vaters Brief brachte. Der<lb/> Hofrath empfieng ihn in ſeinem damaſtenen Schlaf-<lb/> rock ſehr kalt und ſtolz, und noͤthigte ihn nicht ein-<lb/> mal zum Sitzen. Als er den Brief durchgeleſen<lb/> hatte, ſagte er: Alſo lebt ſein Vater noch? Jch<lb/> dachte, er waͤre ſchon laͤngſt geſtorben. Nun, Nun!<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [558/0138]
wart, was gehen mich die Maͤdchen an? Jch
bring einmal dem Hofrath meines Vaters Brief,
und damit aus! Wenn er ſtolz iſt, ſo bin ichs
auch! — Nun, wir wollen ſehen, ſagte Kron-
helm laͤchelnd. Den Nachmittag waren ſie zu
Gutfried gebeten, der ihnen ſehr gefiel, und mit
dem ſie Freundſchaft errichteten, und eine woͤchent-
liche Zuſammenkunft ausmachten, weil er die Floͤte
recht gut ſpielte. Es war auch ein Sohn vom
Hofrath Fiſcher da, dem Gutfried gegenuͤber wohn-
te. Dieſer junge Menſch ſtudierte, und war un-
baͤndig ſtolz. Er gab ſich mit Kronhelm etwas,
und mit Siegwart gar nicht ab, ob ihm dieſer
gleich ſagte, ſein Vater habe ehedem das Gluͤck
gehabt, ein Freund des ſeinigen zu ſeyn. Alle
Augenblicke beſah er ſich im Spiegel, und bewun-
derte ſein glattes, karmeſinrothes Geſicht. Den
andern Tag gieng Siegwart zum Kanzler, der
ihm hoͤflich begegnete, und von da zum Hofrath
Fiſcher, dem er ſeines Vaters Brief brachte. Der
Hofrath empfieng ihn in ſeinem damaſtenen Schlaf-
rock ſehr kalt und ſtolz, und noͤthigte ihn nicht ein-
mal zum Sitzen. Als er den Brief durchgeleſen
hatte, ſagte er: Alſo lebt ſein Vater noch? Jch
dachte, er waͤre ſchon laͤngſt geſtorben. Nun, Nun!
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