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Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 2. Leipzig, 1776.

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gen unter Wasser; nur zuweilen ragte eine Anhö-
he, oder ein Gesträuch hervor. Tannen und Ei-
chen hiengen halb ausgewurzelt über's Wasser.
Oben, wo sie fuhren, stand ein gutgesatteltes Pferd,
ohne Reuter, das der Postillion mitnahm. Gan-
ze Dörfer waren vom Wasser, das wild und laut
unten hinrauschte, umzingelt. Halbe Scheunen
und Häuser, oder losgerissene Balken nahm die
Flut mit fort. Die Bauren standen, zum Theil
nur halb gekleidet, mit Weib und Kindern, und
ihrem Vieh auf der Höhe; sahen stillschweigend
ins Thal hinab; oder streckten die Hände aus, und
fiengen ein lautes Wehklagen an, wenn ihre Hüt-
ten einstürzten. Siegwart übersah die Scene mit
Thränen; einer von den Studenten kramte witzi-
ge Einfälle aus. Auf Einmal ward er blaß, und
schwieg. Es erhub sich ein grosses Geschrey. Der
Wagen, der sich bisher immer auf der Höhe gehal-
ten hatte, muste nach dem Dorf, wo die Station
war, ins Thal hinabfahren. Du kannst hier nicht
durch, riefen alle Bauren dem Postillion zu. Jch
muß durch! sagte dieser, und peitschte auf die Pfer-
de los. Plötzlich blieb der Wagen stecken, und das
Wasser strömte wild drum herum. Zween Bau-
ren sprangen, ungeachtet sie, wegen des Feyertags,



gen unter Waſſer; nur zuweilen ragte eine Anhoͤ-
he, oder ein Geſtraͤuch hervor. Tannen und Ei-
chen hiengen halb ausgewurzelt uͤber’s Waſſer.
Oben, wo ſie fuhren, ſtand ein gutgeſatteltes Pferd,
ohne Reuter, das der Poſtillion mitnahm. Gan-
ze Doͤrfer waren vom Waſſer, das wild und laut
unten hinrauſchte, umzingelt. Halbe Scheunen
und Haͤuſer, oder losgeriſſene Balken nahm die
Flut mit fort. Die Bauren ſtanden, zum Theil
nur halb gekleidet, mit Weib und Kindern, und
ihrem Vieh auf der Hoͤhe; ſahen ſtillſchweigend
ins Thal hinab; oder ſtreckten die Haͤnde aus, und
fiengen ein lautes Wehklagen an, wenn ihre Huͤt-
ten einſtuͤrzten. Siegwart uͤberſah die Scene mit
Thraͤnen; einer von den Studenten kramte witzi-
ge Einfaͤlle aus. Auf Einmal ward er blaß, und
ſchwieg. Es erhub ſich ein groſſes Geſchrey. Der
Wagen, der ſich bisher immer auf der Hoͤhe gehal-
ten hatte, muſte nach dem Dorf, wo die Station
war, ins Thal hinabfahren. Du kannſt hier nicht
durch, riefen alle Bauren dem Poſtillion zu. Jch
muß durch! ſagte dieſer, und peitſchte auf die Pfer-
de los. Ploͤtzlich blieb der Wagen ſtecken, und das
Waſſer ſtroͤmte wild drum herum. Zween Bau-
ren ſprangen, ungeachtet ſie, wegen des Feyertags,

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[544/0124] gen unter Waſſer; nur zuweilen ragte eine Anhoͤ- he, oder ein Geſtraͤuch hervor. Tannen und Ei- chen hiengen halb ausgewurzelt uͤber’s Waſſer. Oben, wo ſie fuhren, ſtand ein gutgeſatteltes Pferd, ohne Reuter, das der Poſtillion mitnahm. Gan- ze Doͤrfer waren vom Waſſer, das wild und laut unten hinrauſchte, umzingelt. Halbe Scheunen und Haͤuſer, oder losgeriſſene Balken nahm die Flut mit fort. Die Bauren ſtanden, zum Theil nur halb gekleidet, mit Weib und Kindern, und ihrem Vieh auf der Hoͤhe; ſahen ſtillſchweigend ins Thal hinab; oder ſtreckten die Haͤnde aus, und fiengen ein lautes Wehklagen an, wenn ihre Huͤt- ten einſtuͤrzten. Siegwart uͤberſah die Scene mit Thraͤnen; einer von den Studenten kramte witzi- ge Einfaͤlle aus. Auf Einmal ward er blaß, und ſchwieg. Es erhub ſich ein groſſes Geſchrey. Der Wagen, der ſich bisher immer auf der Hoͤhe gehal- ten hatte, muſte nach dem Dorf, wo die Station war, ins Thal hinabfahren. Du kannſt hier nicht durch, riefen alle Bauren dem Poſtillion zu. Jch muß durch! ſagte dieſer, und peitſchte auf die Pfer- de los. Ploͤtzlich blieb der Wagen ſtecken, und das Waſſer ſtroͤmte wild drum herum. Zween Bau- ren ſprangen, ungeachtet ſie, wegen des Feyertags,

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Zitationshilfe: Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 2. Leipzig, 1776, S. 544. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart02_1776/124>, abgerufen am 26.11.2024.