Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 1. Leipzig, 1776.

Bild:
<< vorherige Seite



lein; aber zuweilen bist du wieder immer in Ge-
sellschaft. Und dann must du dir das Kloster nicht
so vorstellen, wie es dir gestern das erstemal vor-
gekommen ist! So lange einem etwas neu ist, da ge-
fällt es immer. Vor den Leuten thun die Paters
immer friedlich, und scheinen, wie die Engel zu le-
ben; aber es mögen wol, wie ich manchesmal aus
des Pater Antons Reden merkte, manche böse Leu-
te unter ihnen seyn, die einem das Leben recht sauer
machen können. Kurz, ich weiß nicht, ob ich dir
dazu rathen soll? -- Freylich, wenn ich an den
Traum denke; denn ich muß dir nur sagen, daß
mir eben das geträumt hat.

Eben das geträumt? rief Xaver. O Papa,
das ist gewiß nicht umsonst geschehen! Es gefällt
mir so gut hier, als mirs noch an keinem Ort ge-
fallen hat. Jch wollte Sie wol bitten, daß Sie
mich hier liessen! -- Hier im Kloster bleiben kannst
du jetzt noch auf alle Fälle nicht, erwiederte der
Vater, denn die Kapuziner unterrichten keine jun-
gen Leute, und dann müstest du auch noch vorher
auf Akademien. Aber dazu wollt' ich dir wol ra-
then, daß du einige Tage lang hier zurücke blie-
best, um die Einrichtung der Lebensart genauer ken-

C



lein; aber zuweilen biſt du wieder immer in Ge-
ſellſchaft. Und dann muſt du dir das Kloſter nicht
ſo vorſtellen, wie es dir geſtern das erſtemal vor-
gekommen iſt! So lange einem etwas neu iſt, da ge-
faͤllt es immer. Vor den Leuten thun die Paters
immer friedlich, und ſcheinen, wie die Engel zu le-
ben; aber es moͤgen wol, wie ich manchesmal aus
des Pater Antons Reden merkte, manche boͤſe Leu-
te unter ihnen ſeyn, die einem das Leben recht ſauer
machen koͤnnen. Kurz, ich weiß nicht, ob ich dir
dazu rathen ſoll? — Freylich, wenn ich an den
Traum denke; denn ich muß dir nur ſagen, daß
mir eben das getraͤumt hat.

Eben das getraͤumt? rief Xaver. O Papa,
das iſt gewiß nicht umſonſt geſchehen! Es gefaͤllt
mir ſo gut hier, als mirs noch an keinem Ort ge-
fallen hat. Jch wollte Sie wol bitten, daß Sie
mich hier lieſſen! — Hier im Kloſter bleiben kannſt
du jetzt noch auf alle Faͤlle nicht, erwiederte der
Vater, denn die Kapuziner unterrichten keine jun-
gen Leute, und dann muͤſteſt du auch noch vorher
auf Akademien. Aber dazu wollt’ ich dir wol ra-
then, daß du einige Tage lang hier zuruͤcke blie-
beſt, um die Einrichtung der Lebensart genauer ken-

C
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0037" n="33"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
lein; aber zuweilen bi&#x017F;t du wieder immer in Ge-<lb/>
&#x017F;ell&#x017F;chaft. Und dann mu&#x017F;t du dir das Klo&#x017F;ter nicht<lb/>
&#x017F;o vor&#x017F;tellen, wie es dir ge&#x017F;tern das er&#x017F;temal vor-<lb/>
gekommen i&#x017F;t! So lange einem etwas neu i&#x017F;t, da ge-<lb/>
fa&#x0364;llt es immer. Vor den Leuten thun die Paters<lb/>
immer friedlich, und &#x017F;cheinen, wie die Engel zu le-<lb/>
ben; aber es mo&#x0364;gen wol, wie ich manchesmal aus<lb/>
des Pater <hi rendition="#fr">Antons</hi> Reden merkte, manche bo&#x0364;&#x017F;e Leu-<lb/>
te unter ihnen &#x017F;eyn, die einem das Leben recht &#x017F;auer<lb/>
machen ko&#x0364;nnen. Kurz, ich weiß nicht, ob ich dir<lb/>
dazu rathen &#x017F;oll? &#x2014; Freylich, wenn ich an den<lb/>
Traum denke; denn ich muß dir nur &#x017F;agen, daß<lb/>
mir eben das getra&#x0364;umt hat.</p><lb/>
        <p>Eben das getra&#x0364;umt? rief <hi rendition="#fr">Xaver.</hi> O Papa,<lb/>
das i&#x017F;t gewiß nicht um&#x017F;on&#x017F;t ge&#x017F;chehen! Es gefa&#x0364;llt<lb/>
mir &#x017F;o gut hier, als mirs noch an keinem Ort ge-<lb/>
fallen hat. Jch wollte Sie wol bitten, daß Sie<lb/>
mich hier lie&#x017F;&#x017F;en! &#x2014; Hier im Klo&#x017F;ter bleiben kann&#x017F;t<lb/>
du jetzt noch auf alle Fa&#x0364;lle nicht, erwiederte der<lb/>
Vater, denn die Kapuziner unterrichten keine jun-<lb/>
gen Leute, und dann mu&#x0364;&#x017F;te&#x017F;t du auch noch vorher<lb/>
auf Akademien. Aber dazu wollt&#x2019; ich dir wol ra-<lb/>
then, daß du einige Tage lang hier zuru&#x0364;cke blie-<lb/>
be&#x017F;t, um die Einrichtung der Lebensart genauer ken-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">C</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[33/0037] lein; aber zuweilen biſt du wieder immer in Ge- ſellſchaft. Und dann muſt du dir das Kloſter nicht ſo vorſtellen, wie es dir geſtern das erſtemal vor- gekommen iſt! So lange einem etwas neu iſt, da ge- faͤllt es immer. Vor den Leuten thun die Paters immer friedlich, und ſcheinen, wie die Engel zu le- ben; aber es moͤgen wol, wie ich manchesmal aus des Pater Antons Reden merkte, manche boͤſe Leu- te unter ihnen ſeyn, die einem das Leben recht ſauer machen koͤnnen. Kurz, ich weiß nicht, ob ich dir dazu rathen ſoll? — Freylich, wenn ich an den Traum denke; denn ich muß dir nur ſagen, daß mir eben das getraͤumt hat. Eben das getraͤumt? rief Xaver. O Papa, das iſt gewiß nicht umſonſt geſchehen! Es gefaͤllt mir ſo gut hier, als mirs noch an keinem Ort ge- fallen hat. Jch wollte Sie wol bitten, daß Sie mich hier lieſſen! — Hier im Kloſter bleiben kannſt du jetzt noch auf alle Faͤlle nicht, erwiederte der Vater, denn die Kapuziner unterrichten keine jun- gen Leute, und dann muͤſteſt du auch noch vorher auf Akademien. Aber dazu wollt’ ich dir wol ra- then, daß du einige Tage lang hier zuruͤcke blie- beſt, um die Einrichtung der Lebensart genauer ken- C

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart01_1776
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart01_1776/37
Zitationshilfe: Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 1. Leipzig, 1776, S. 33. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart01_1776/37>, abgerufen am 18.04.2024.