Das ist sonderbar, sagte der alte Siegwart, und gieng auf und nieder. Es hatte ihm was ähn- liches von seiner Frau geträumt, weil er sich an Pater Josephs Grabe allein mit dem Gedanken an sie beschäftigt hatte. -- Xaver, ist es dir denn Ernst mit dem Kloster?
O ja, Papa; wenn Sie es wollen --
Jch will es nicht, mein Sohn; Aber ich will dir auch in deiner Wahl nicht vorgreifen; ich weiß, daß du jetzt dafür bist; aber du must alles wohl überlegen; wenn man hier einmal gewählt hat, dann ist die Reue zu spät. Jch wünschte schon zu- weilen, daß einer meiner Söhne ein Geistlicher werden möchte; mit Karl und Wilhelm geht es nicht mehr an; die haben ihre Versorgung; aber wegen deiner war ich immer zweifelhaft. Mit dem Klosterleben ists so eine Sache; bald gefällt es mir, bald wieder nicht, und die wenigsten schicken sich dazu. Gestern Abend hat mich nun Pater Anton wieder ganz dafür eingenommen. Er ist ein guter frommer Mann, und mein vieljähriger Freund. Wenn du ihm gleich werden könntest, so würd ich Freude an dir erleben. Aber, Xaver, ich glaubte immer, für dich wäre eine so ganz einför- mige Lebensart nicht. Du bist zwar oft gern al-
Das iſt ſonderbar, ſagte der alte Siegwart, und gieng auf und nieder. Es hatte ihm was aͤhn- liches von ſeiner Frau getraͤumt, weil er ſich an Pater Joſephs Grabe allein mit dem Gedanken an ſie beſchaͤftigt hatte. — Xaver, iſt es dir denn Ernſt mit dem Kloſter?
O ja, Papa; wenn Sie es wollen —
Jch will es nicht, mein Sohn; Aber ich will dir auch in deiner Wahl nicht vorgreifen; ich weiß, daß du jetzt dafuͤr biſt; aber du muſt alles wohl uͤberlegen; wenn man hier einmal gewaͤhlt hat, dann iſt die Reue zu ſpaͤt. Jch wuͤnſchte ſchon zu- weilen, daß einer meiner Soͤhne ein Geiſtlicher werden moͤchte; mit Karl und Wilhelm geht es nicht mehr an; die haben ihre Verſorgung; aber wegen deiner war ich immer zweifelhaft. Mit dem Kloſterleben iſts ſo eine Sache; bald gefaͤllt es mir, bald wieder nicht, und die wenigſten ſchicken ſich dazu. Geſtern Abend hat mich nun Pater Anton wieder ganz dafuͤr eingenommen. Er iſt ein guter frommer Mann, und mein vieljaͤhriger Freund. Wenn du ihm gleich werden koͤnnteſt, ſo wuͤrd ich Freude an dir erleben. Aber, Xaver, ich glaubte immer, fuͤr dich waͤre eine ſo ganz einfoͤr- mige Lebensart nicht. Du biſt zwar oft gern al-
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Das iſt ſonderbar, ſagte der alte Siegwart,
und gieng auf und nieder. Es hatte ihm was aͤhn-
liches von ſeiner Frau getraͤumt, weil er ſich an
Pater Joſephs Grabe allein mit dem Gedanken
an ſie beſchaͤftigt hatte. — Xaver, iſt es dir denn
Ernſt mit dem Kloſter?
O ja, Papa; wenn Sie es wollen —
Jch will es nicht, mein Sohn; Aber ich will
dir auch in deiner Wahl nicht vorgreifen; ich weiß,
daß du jetzt dafuͤr biſt; aber du muſt alles wohl
uͤberlegen; wenn man hier einmal gewaͤhlt hat,
dann iſt die Reue zu ſpaͤt. Jch wuͤnſchte ſchon zu-
weilen, daß einer meiner Soͤhne ein Geiſtlicher
werden moͤchte; mit Karl und Wilhelm geht es
nicht mehr an; die haben ihre Verſorgung; aber
wegen deiner war ich immer zweifelhaft. Mit
dem Kloſterleben iſts ſo eine Sache; bald gefaͤllt es
mir, bald wieder nicht, und die wenigſten ſchicken
ſich dazu. Geſtern Abend hat mich nun Pater
Anton wieder ganz dafuͤr eingenommen. Er iſt
ein guter frommer Mann, und mein vieljaͤhriger
Freund. Wenn du ihm gleich werden koͤnnteſt, ſo
wuͤrd ich Freude an dir erleben. Aber, Xaver, ich
glaubte immer, fuͤr dich waͤre eine ſo ganz einfoͤr-
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Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 1. Leipzig, 1776, S. 32. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart01_1776/36>, abgerufen am 18.12.2024.
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