Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 1. Leipzig, 1776.möchte ihnen das Bildnis von Kleist zeigen! Er und Kronhelm betrachteten es lang mit einer heiligen Ehrfurcht, und glaubten alles drinn zu finden, was sie in seinen Gedichten fanden. The- rese setzte sich auch in ihre Gesellschaft, und man sah ihrs an, wie hoch sie den Hauptmann schä- tze. Der junge Lieutenant that ein bischen süß, und suchte sich sehr bey ihr einzuschmeicheln; sie wich ihm aber aus, und gab wenig auf ihn acht. Kronhelm war nichts weniger, als ruhig dabey, und sah Theresen oft ängstlich an. Haupt- mann Northern erzählte, auf Siegwarts Bitte, viel von seinem König und vom Krieg. Sieg- wart meynte, das Leben eines Officiers im Fel- de sey das herrlichste. Nur selten, sagte Nor- thern. Denn, stellen Sie sich vor, was ein Mann, der Empfindung hat, überhaupt leiden muß, wenn er das allgemeine Elend so mit an- sieht? Wo er hinkommt, ist alles schon verwüstet; oder was noch blüht, wird hinter ihm zur Ein- öde. Das arme Landvolk hat oft nicht ein Grümchen Brod zu essen, und muß nicht selten, seiner Sicherheit und seines Lebens wegen, Haus und Hof verlassen, und in Wälder sich verkrie- chen. Wo man hin blickt, sieht man abgehärm- moͤchte ihnen das Bildnis von Kleiſt zeigen! Er und Kronhelm betrachteten es lang mit einer heiligen Ehrfurcht, und glaubten alles drinn zu finden, was ſie in ſeinen Gedichten fanden. The- reſe ſetzte ſich auch in ihre Geſellſchaft, und man ſah ihrs an, wie hoch ſie den Hauptmann ſchaͤ- tze. Der junge Lieutenant that ein bischen ſuͤß, und ſuchte ſich ſehr bey ihr einzuſchmeicheln; ſie wich ihm aber aus, und gab wenig auf ihn acht. Kronhelm war nichts weniger, als ruhig dabey, und ſah Thereſen oft aͤngſtlich an. Haupt- mann Northern erzaͤhlte, auf Siegwarts Bitte, viel von ſeinem Koͤnig und vom Krieg. Sieg- wart meynte, das Leben eines Officiers im Fel- de ſey das herrlichſte. Nur ſelten, ſagte Nor- thern. Denn, ſtellen Sie ſich vor, was ein Mann, der Empfindung hat, uͤberhaupt leiden muß, wenn er das allgemeine Elend ſo mit an- ſieht? Wo er hinkommt, iſt alles ſchon verwuͤſtet; oder was noch bluͤht, wird hinter ihm zur Ein- oͤde. Das arme Landvolk hat oft nicht ein Gruͤmchen Brod zu eſſen, und muß nicht ſelten, ſeiner Sicherheit und ſeines Lebens wegen, Haus und Hof verlaſſen, und in Waͤlder ſich verkrie- chen. Wo man hin blickt, ſieht man abgehaͤrm- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0364" n="360"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> moͤchte ihnen das Bildnis von <hi rendition="#fr">Kleiſt</hi> zeigen! Er<lb/> und <hi rendition="#fr">Kronhelm</hi> betrachteten es lang mit einer<lb/> heiligen Ehrfurcht, und glaubten alles drinn zu<lb/> finden, was ſie in ſeinen Gedichten fanden. The-<lb/> reſe ſetzte ſich auch in ihre Geſellſchaft, und man<lb/> ſah ihrs an, wie hoch ſie den Hauptmann ſchaͤ-<lb/> tze. Der junge Lieutenant that ein bischen ſuͤß,<lb/> und ſuchte ſich ſehr bey ihr einzuſchmeicheln;<lb/> ſie wich ihm aber aus, und gab wenig auf ihn<lb/> acht. <hi rendition="#fr">Kronhelm</hi> war nichts weniger, als ruhig<lb/> dabey, und ſah <hi rendition="#fr">Thereſen</hi> oft aͤngſtlich an. Haupt-<lb/> mann <hi rendition="#fr">Northern</hi> erzaͤhlte, auf <hi rendition="#fr">Siegwarts</hi> Bitte,<lb/> viel von ſeinem Koͤnig und vom Krieg. Sieg-<lb/> wart meynte, das Leben eines Officiers im Fel-<lb/> de ſey das herrlichſte. Nur ſelten, ſagte <hi rendition="#fr">Nor-<lb/> thern.</hi> Denn, ſtellen Sie ſich vor, was ein<lb/> Mann, der Empfindung hat, uͤberhaupt leiden<lb/> muß, wenn er das allgemeine Elend ſo mit an-<lb/> ſieht? Wo er hinkommt, iſt alles ſchon verwuͤſtet;<lb/> oder was noch bluͤht, wird hinter ihm zur Ein-<lb/> oͤde. Das arme Landvolk hat oft nicht ein<lb/> Gruͤmchen Brod zu eſſen, und muß nicht ſelten,<lb/> ſeiner Sicherheit und ſeines Lebens wegen, Haus<lb/> und Hof verlaſſen, und in Waͤlder ſich verkrie-<lb/> chen. Wo man hin blickt, ſieht man abgehaͤrm-<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [360/0364]
moͤchte ihnen das Bildnis von Kleiſt zeigen! Er
und Kronhelm betrachteten es lang mit einer
heiligen Ehrfurcht, und glaubten alles drinn zu
finden, was ſie in ſeinen Gedichten fanden. The-
reſe ſetzte ſich auch in ihre Geſellſchaft, und man
ſah ihrs an, wie hoch ſie den Hauptmann ſchaͤ-
tze. Der junge Lieutenant that ein bischen ſuͤß,
und ſuchte ſich ſehr bey ihr einzuſchmeicheln;
ſie wich ihm aber aus, und gab wenig auf ihn
acht. Kronhelm war nichts weniger, als ruhig
dabey, und ſah Thereſen oft aͤngſtlich an. Haupt-
mann Northern erzaͤhlte, auf Siegwarts Bitte,
viel von ſeinem Koͤnig und vom Krieg. Sieg-
wart meynte, das Leben eines Officiers im Fel-
de ſey das herrlichſte. Nur ſelten, ſagte Nor-
thern. Denn, ſtellen Sie ſich vor, was ein
Mann, der Empfindung hat, uͤberhaupt leiden
muß, wenn er das allgemeine Elend ſo mit an-
ſieht? Wo er hinkommt, iſt alles ſchon verwuͤſtet;
oder was noch bluͤht, wird hinter ihm zur Ein-
oͤde. Das arme Landvolk hat oft nicht ein
Gruͤmchen Brod zu eſſen, und muß nicht ſelten,
ſeiner Sicherheit und ſeines Lebens wegen, Haus
und Hof verlaſſen, und in Waͤlder ſich verkrie-
chen. Wo man hin blickt, ſieht man abgehaͤrm-
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