Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 1. Leipzig, 1776.gar inniges Vergnügen an den ächt schwäbischen Tänzen; wie die Bauren in den Wendungen ei- ne so natürliche Anmuth hatten, und die unge- zwungensten Abänderungen machten, die kein, noch so geübter, Tanzmeister lehren kann. Sie ergötzten sich an den mannigfachen Künsten; der Eine tanzte auf den Knien, der andre auf Einem Bein, der dritte hob sein Mädchen in die Höhe; ein Paar hielt sich mit den Händen fest, und ein Bauer schlupfte unten durch, oder wiegte sich darauf. Während dem Tanzen sprachen die Tänzer und die Tänzerinnen miteinander, oder die Bauren sangen nach dem Ton der Geigen und Schal- meyen. Wenn der Tanz vorbey war, so gab je- der Bauer seiner Dirne einen lauten herzlichen Handschlag. Dann liebäugelten sie miteinander, tranken sich das Bier und den Brandwein zu, und liessen die Musikanten Tusch machen. Sieg- wart bemerkte, daß die Bauren eben so wohl, wie die Städter, ihre witzigen Köpfe, ihre Stu- tzer, und Koquetten hätten, und daß der Unter- schied blos in der Art liege, diese Eigenschaften zu äussern. Kronhelm trank mit Siegwart die Ge- sundheit des jungen Brautpaars, welches sich aus- Q
gar inniges Vergnuͤgen an den aͤcht ſchwaͤbiſchen Taͤnzen; wie die Bauren in den Wendungen ei- ne ſo natuͤrliche Anmuth hatten, und die unge- zwungenſten Abaͤnderungen machten, die kein, noch ſo geuͤbter, Tanzmeiſter lehren kann. Sie ergoͤtzten ſich an den mannigfachen Kuͤnſten; der Eine tanzte auf den Knien, der andre auf Einem Bein, der dritte hob ſein Maͤdchen in die Hoͤhe; ein Paar hielt ſich mit den Haͤnden feſt, und ein Bauer ſchlupfte unten durch, oder wiegte ſich darauf. Waͤhrend dem Tanzen ſprachen die Taͤnzer und die Taͤnzerinnen miteinander, oder die Bauren ſangen nach dem Ton der Geigen und Schal- meyen. Wenn der Tanz vorbey war, ſo gab je- der Bauer ſeiner Dirne einen lauten herzlichen Handſchlag. Dann liebaͤugelten ſie miteinander, tranken ſich das Bier und den Brandwein zu, und lieſſen die Muſikanten Tuſch machen. Sieg- wart bemerkte, daß die Bauren eben ſo wohl, wie die Staͤdter, ihre witzigen Koͤpfe, ihre Stu- tzer, und Koquetten haͤtten, und daß der Unter- ſchied blos in der Art liege, dieſe Eigenſchaften zu aͤuſſern. Kronhelm trank mit Siegwart die Ge- ſundheit des jungen Brautpaars, welches ſich aus- Q
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0245" n="241"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> gar inniges Vergnuͤgen an den aͤcht ſchwaͤbiſchen<lb/> Taͤnzen; wie die Bauren in den Wendungen ei-<lb/> ne ſo natuͤrliche Anmuth hatten, und die unge-<lb/> zwungenſten Abaͤnderungen machten, die kein, noch<lb/> ſo geuͤbter, Tanzmeiſter lehren kann. Sie ergoͤtzten<lb/> ſich an den mannigfachen Kuͤnſten; der Eine tanzte<lb/> auf den Knien, der andre auf Einem Bein, der<lb/> dritte hob ſein Maͤdchen in die Hoͤhe; ein Paar<lb/> hielt ſich mit den Haͤnden feſt, und ein Bauer<lb/> ſchlupfte unten durch, oder wiegte ſich darauf.<lb/> Waͤhrend dem Tanzen ſprachen die Taͤnzer und<lb/> die Taͤnzerinnen miteinander, oder die Bauren<lb/> ſangen nach dem Ton der Geigen und Schal-<lb/> meyen. Wenn der Tanz vorbey war, ſo gab je-<lb/> der Bauer ſeiner Dirne einen lauten herzlichen<lb/> Handſchlag. Dann liebaͤugelten ſie miteinander,<lb/> tranken ſich das Bier und den Brandwein zu,<lb/> und lieſſen die Muſikanten Tuſch machen. <hi rendition="#fr">Sieg-<lb/> wart</hi> bemerkte, daß die Bauren eben ſo wohl,<lb/> wie die Staͤdter, ihre witzigen Koͤpfe, ihre Stu-<lb/> tzer, und Koquetten haͤtten, und daß der Unter-<lb/> ſchied blos in der Art liege, dieſe Eigenſchaften zu<lb/> aͤuſſern. <hi rendition="#fr">Kronhelm</hi> trank mit <hi rendition="#fr">Siegwart</hi> die Ge-<lb/> ſundheit des jungen Brautpaars, welches ſich aus-<lb/> <fw place="bottom" type="sig">Q</fw><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [241/0245]
gar inniges Vergnuͤgen an den aͤcht ſchwaͤbiſchen
Taͤnzen; wie die Bauren in den Wendungen ei-
ne ſo natuͤrliche Anmuth hatten, und die unge-
zwungenſten Abaͤnderungen machten, die kein, noch
ſo geuͤbter, Tanzmeiſter lehren kann. Sie ergoͤtzten
ſich an den mannigfachen Kuͤnſten; der Eine tanzte
auf den Knien, der andre auf Einem Bein, der
dritte hob ſein Maͤdchen in die Hoͤhe; ein Paar
hielt ſich mit den Haͤnden feſt, und ein Bauer
ſchlupfte unten durch, oder wiegte ſich darauf.
Waͤhrend dem Tanzen ſprachen die Taͤnzer und
die Taͤnzerinnen miteinander, oder die Bauren
ſangen nach dem Ton der Geigen und Schal-
meyen. Wenn der Tanz vorbey war, ſo gab je-
der Bauer ſeiner Dirne einen lauten herzlichen
Handſchlag. Dann liebaͤugelten ſie miteinander,
tranken ſich das Bier und den Brandwein zu,
und lieſſen die Muſikanten Tuſch machen. Sieg-
wart bemerkte, daß die Bauren eben ſo wohl,
wie die Staͤdter, ihre witzigen Koͤpfe, ihre Stu-
tzer, und Koquetten haͤtten, und daß der Unter-
ſchied blos in der Art liege, dieſe Eigenſchaften zu
aͤuſſern. Kronhelm trank mit Siegwart die Ge-
ſundheit des jungen Brautpaars, welches ſich aus-
Q
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |