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Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 1. Leipzig, 1776.

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Laßt's nur seyn! -- Blitz, was das für ein paar
Hasen sind!

Jndem traten die Werber mit den Rekruten,
die Siegwart auf dem Weg angetroffen hatte, in
die Stube. Der Wirth war ganz erschrocken,
und fragte, was er einschenken sollte? Sie foder-
ten Brandtewein und Bier. Der Rekrute, den
Siegwart besonders bemerkte hatte, setzte sich allein
in eine Ecke, und stützte den Kopf auf die Hand.

Was fehlt denn dem dort? sagte der Wirth
leise zu einem von den Werbern. Jch weiß selbst
nicht recht, antwortete dieser. Soviel weiß ich,
es ist ein Student von Dillingen, und vermut-
lich hat er einen im Duell verwundet, oder gar
umgebracht. Es ist ein braver, stiller Mensch,
mit dem ich schon oft Mitleiden hatte. Er muß
auch ein Mädel haben; denn er sieht oft seine
Dose an, wo ein schönes rothbackichtes Ding drauf
abgemalt ist, und da weint er, daß der Deckel
ganz naß wird, oder drückt ihn, wenns niemand
sieht, an den Mund, und küßt ihn. -- Jndem
sah der junge Mensch auf, und blickte Siegwarten
scharf an, der ihn mitleidig betrachtete. Er zog
die Dose heraus, und bot Xavern eine Prise an.
Das ist ja ein schönes Frauenzimmer, sagte dieser.



Laßt’s nur ſeyn! — Blitz, was das fuͤr ein paar
Haſen ſind!

Jndem traten die Werber mit den Rekruten,
die Siegwart auf dem Weg angetroffen hatte, in
die Stube. Der Wirth war ganz erſchrocken,
und fragte, was er einſchenken ſollte? Sie foder-
ten Brandtewein und Bier. Der Rekrute, den
Siegwart beſonders bemerkte hatte, ſetzte ſich allein
in eine Ecke, und ſtuͤtzte den Kopf auf die Hand.

Was fehlt denn dem dort? ſagte der Wirth
leiſe zu einem von den Werbern. Jch weiß ſelbſt
nicht recht, antwortete dieſer. Soviel weiß ich,
es iſt ein Student von Dillingen, und vermut-
lich hat er einen im Duell verwundet, oder gar
umgebracht. Es iſt ein braver, ſtiller Menſch,
mit dem ich ſchon oft Mitleiden hatte. Er muß
auch ein Maͤdel haben; denn er ſieht oft ſeine
Doſe an, wo ein ſchoͤnes rothbackichtes Ding drauf
abgemalt iſt, und da weint er, daß der Deckel
ganz naß wird, oder druͤckt ihn, wenns niemand
ſieht, an den Mund, und kuͤßt ihn. — Jndem
ſah der junge Menſch auf, und blickte Siegwarten
ſcharf an, der ihn mitleidig betrachtete. Er zog
die Doſe heraus, und bot Xavern eine Priſe an.
Das iſt ja ein ſchoͤnes Frauenzimmer, ſagte dieſer.

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[173/0177] Laßt’s nur ſeyn! — Blitz, was das fuͤr ein paar Haſen ſind! Jndem traten die Werber mit den Rekruten, die Siegwart auf dem Weg angetroffen hatte, in die Stube. Der Wirth war ganz erſchrocken, und fragte, was er einſchenken ſollte? Sie foder- ten Brandtewein und Bier. Der Rekrute, den Siegwart beſonders bemerkte hatte, ſetzte ſich allein in eine Ecke, und ſtuͤtzte den Kopf auf die Hand. Was fehlt denn dem dort? ſagte der Wirth leiſe zu einem von den Werbern. Jch weiß ſelbſt nicht recht, antwortete dieſer. Soviel weiß ich, es iſt ein Student von Dillingen, und vermut- lich hat er einen im Duell verwundet, oder gar umgebracht. Es iſt ein braver, ſtiller Menſch, mit dem ich ſchon oft Mitleiden hatte. Er muß auch ein Maͤdel haben; denn er ſieht oft ſeine Doſe an, wo ein ſchoͤnes rothbackichtes Ding drauf abgemalt iſt, und da weint er, daß der Deckel ganz naß wird, oder druͤckt ihn, wenns niemand ſieht, an den Mund, und kuͤßt ihn. — Jndem ſah der junge Menſch auf, und blickte Siegwarten ſcharf an, der ihn mitleidig betrachtete. Er zog die Doſe heraus, und bot Xavern eine Priſe an. Das iſt ja ein ſchoͤnes Frauenzimmer, ſagte dieſer.

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Zitationshilfe: Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 1. Leipzig, 1776, S. 173. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart01_1776/177>, abgerufen am 24.11.2024.