Therese. Aber, Herr Pfarrer, ich hab heu- te noch mit ihm drüber gesprochen. Glauben Sie nicht auch, daß er besser thäte, wenn er ein Welt- geistlicher würde, und so etwan einmal als Pfarrer in unsre Nachbarschaft käme? Das Kloster, fürcht ich, taugt nicht für ihn, oder er nicht für's Kloster.
Pfarrer. Meine Meynung wär's freylich auch, Jungfer Therese. Aber in dergleichen Din- gen läßt sich nicht gut rathen. Die Klosterherren sind selten gute Freunde von uns, ob sie uns gleich das Geld für's Meßlesen hundertmal wegschnap- pen; und da könnt mirs nur übel ausgelegt wer- den, wenn ich ihm davon abriethe. Jch möchte gern das Bischen Jahre, das ich noch zu leben ha- be, im Frieden hinbringen, daß man nicht nach meinem Tode sagte, ich habe mich mit niemand vertragen können. Werd er nur ein frommer Mann, dann ists einerley, wie sein Kopf gescho- ren ist, halb oder ganz! Und er kann sich ja auf der Universität immer noch besinnen, welche Wei- he er annehmen will? Es gibt im Kloster brave Leute, Jungfer, wie bey uns, und auch schlimme. Wenn er sich nur in die Regel schicken kann, das ist das Hauptwerk, und da muß er sich am mei- sten drüber prüfen! -- -- Da hab ich eben eine
Thereſe. Aber, Herr Pfarrer, ich hab heu- te noch mit ihm druͤber geſprochen. Glauben Sie nicht auch, daß er beſſer thaͤte, wenn er ein Welt- geiſtlicher wuͤrde, und ſo etwan einmal als Pfarrer in unſre Nachbarſchaft kaͤme? Das Kloſter, fuͤrcht ich, taugt nicht fuͤr ihn, oder er nicht fuͤr’s Kloſter.
Pfarrer. Meine Meynung waͤr’s freylich auch, Jungfer Thereſe. Aber in dergleichen Din- gen laͤßt ſich nicht gut rathen. Die Kloſterherren ſind ſelten gute Freunde von uns, ob ſie uns gleich das Geld fuͤr’s Meßleſen hundertmal wegſchnap- pen; und da koͤnnt mirs nur uͤbel ausgelegt wer- den, wenn ich ihm davon abriethe. Jch moͤchte gern das Bischen Jahre, das ich noch zu leben ha- be, im Frieden hinbringen, daß man nicht nach meinem Tode ſagte, ich habe mich mit niemand vertragen koͤnnen. Werd er nur ein frommer Mann, dann iſts einerley, wie ſein Kopf geſcho- ren iſt, halb oder ganz! Und er kann ſich ja auf der Univerſitaͤt immer noch beſinnen, welche Wei- he er annehmen will? Es gibt im Kloſter brave Leute, Jungfer, wie bey uns, und auch ſchlimme. Wenn er ſich nur in die Regel ſchicken kann, das iſt das Hauptwerk, und da muß er ſich am mei- ſten druͤber pruͤfen! — — Da hab ich eben eine
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Thereſe. Aber, Herr Pfarrer, ich hab heu-
te noch mit ihm druͤber geſprochen. Glauben Sie
nicht auch, daß er beſſer thaͤte, wenn er ein Welt-
geiſtlicher wuͤrde, und ſo etwan einmal als Pfarrer
in unſre Nachbarſchaft kaͤme? Das Kloſter, fuͤrcht
ich, taugt nicht fuͤr ihn, oder er nicht fuͤr’s Kloſter.
Pfarrer. Meine Meynung waͤr’s freylich
auch, Jungfer Thereſe. Aber in dergleichen Din-
gen laͤßt ſich nicht gut rathen. Die Kloſterherren
ſind ſelten gute Freunde von uns, ob ſie uns gleich
das Geld fuͤr’s Meßleſen hundertmal wegſchnap-
pen; und da koͤnnt mirs nur uͤbel ausgelegt wer-
den, wenn ich ihm davon abriethe. Jch moͤchte
gern das Bischen Jahre, das ich noch zu leben ha-
be, im Frieden hinbringen, daß man nicht nach
meinem Tode ſagte, ich habe mich mit niemand
vertragen koͤnnen. Werd er nur ein frommer
Mann, dann iſts einerley, wie ſein Kopf geſcho-
ren iſt, halb oder ganz! Und er kann ſich ja auf
der Univerſitaͤt immer noch beſinnen, welche Wei-
he er annehmen will? Es gibt im Kloſter brave
Leute, Jungfer, wie bey uns, und auch ſchlimme.
Wenn er ſich nur in die Regel ſchicken kann, das
iſt das Hauptwerk, und da muß er ſich am mei-
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Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 1. Leipzig, 1776, S. 147. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart01_1776/151>, abgerufen am 16.02.2025.
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