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Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 1. Leipzig, 1776.

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stapfen betrittst, Xaver, denn will ich den Tag ewig
segnen, an dem ich das erstemal mit dir hieher
gieng.

Sie waren aus dem Wäldchen herausgegan-
gen, als sie von fern Theresen und Wilhelm, ih-
ren zweyten Bruder, ihnen entgegen kommen sahen.
Xaver sah sie kaum, so sprang er voraus, bewill-
kommte sie, und drückte seiner Schwester, die er
herzlich lieb hatte, die Hand, denn er war noch nie
so lang von ihr entfernt gewesen. Therese war
ein rasches, naives Landmädchen mit einem runden
vollen Gesicht, das von der Farbe der Gesundheit
glühte; mit grossen dunkelblauen Augen, die beydes,
wenn sie hestig, oder zärtlich war, von der Stär-
ke und Festigkeit ihrer Seele zeugten. Wenn sie
lachte, bildeten sich ein paar Grübchen in den
Wangen, und man sah die Göttinn der Anmuth
vor sich. Jhre Haare waren dunkelbraun und
lang; ihr Wuchs mittelmäßig groß. Jn ihren Re-
den war sie schnell und hastig; ihr Witz war immer
neu und lebhaft. Munterkeit erwachte, wo sie hinkam,
und sie lachte gern aus vollem Herzen. Doch ver-
bannte sie zu rechter Zeit den Ernst nicht, und in
den Stunden der Dämmerung, oder am Klavier

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ſtapfen betrittſt, Xaver, denn will ich den Tag ewig
ſegnen, an dem ich das erſtemal mit dir hieher
gieng.

Sie waren aus dem Waͤldchen herausgegan-
gen, als ſie von fern Thereſen und Wilhelm, ih-
ren zweyten Bruder, ihnen entgegen kommen ſahen.
Xaver ſah ſie kaum, ſo ſprang er voraus, bewill-
kommte ſie, und druͤckte ſeiner Schweſter, die er
herzlich lieb hatte, die Hand, denn er war noch nie
ſo lang von ihr entfernt geweſen. Thereſe war
ein raſches, naives Landmaͤdchen mit einem runden
vollen Geſicht, das von der Farbe der Geſundheit
gluͤhte; mit groſſen dunkelblauen Augen, die beydes,
wenn ſie heſtig, oder zaͤrtlich war, von der Staͤr-
ke und Feſtigkeit ihrer Seele zeugten. Wenn ſie
lachte, bildeten ſich ein paar Gruͤbchen in den
Wangen, und man ſah die Goͤttinn der Anmuth
vor ſich. Jhre Haare waren dunkelbraun und
lang; ihr Wuchs mittelmaͤßig groß. Jn ihren Re-
den war ſie ſchnell und haſtig; ihr Witz war immer
neu und lebhaft. Munterkeit erwachte, wo ſie hinkam,
und ſie lachte gern aus vollem Herzen. Doch ver-
bannte ſie zu rechter Zeit den Ernſt nicht, und in
den Stunden der Daͤmmerung, oder am Klavier

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[113/0117] ſtapfen betrittſt, Xaver, denn will ich den Tag ewig ſegnen, an dem ich das erſtemal mit dir hieher gieng. Sie waren aus dem Waͤldchen herausgegan- gen, als ſie von fern Thereſen und Wilhelm, ih- ren zweyten Bruder, ihnen entgegen kommen ſahen. Xaver ſah ſie kaum, ſo ſprang er voraus, bewill- kommte ſie, und druͤckte ſeiner Schweſter, die er herzlich lieb hatte, die Hand, denn er war noch nie ſo lang von ihr entfernt geweſen. Thereſe war ein raſches, naives Landmaͤdchen mit einem runden vollen Geſicht, das von der Farbe der Geſundheit gluͤhte; mit groſſen dunkelblauen Augen, die beydes, wenn ſie heſtig, oder zaͤrtlich war, von der Staͤr- ke und Feſtigkeit ihrer Seele zeugten. Wenn ſie lachte, bildeten ſich ein paar Gruͤbchen in den Wangen, und man ſah die Goͤttinn der Anmuth vor ſich. Jhre Haare waren dunkelbraun und lang; ihr Wuchs mittelmaͤßig groß. Jn ihren Re- den war ſie ſchnell und haſtig; ihr Witz war immer neu und lebhaft. Munterkeit erwachte, wo ſie hinkam, und ſie lachte gern aus vollem Herzen. Doch ver- bannte ſie zu rechter Zeit den Ernſt nicht, und in den Stunden der Daͤmmerung, oder am Klavier H

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Zitationshilfe: Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 1. Leipzig, 1776, S. 113. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart01_1776/117>, abgerufen am 24.11.2024.