Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 1. Leipzig, 1776.zerfloß ihre Seele oft in Wehmuth. Nichts liebte sie mehr, als Geschästigkeit, und besonders ländli- che Beschäftigungen. Sie wuste jede Arbeit, die die verschiednen Jahrszeiten auf dem Lande mit sich bringen. Jm Früling säte sie im kleinen Wurz- gärtchen am Hause; steckte Bohnen und Erbsen; pflanzte Salat und Kohl, und ordnete die Aussaat des Flachses an. Jm Sommer war sie in ihrem strohernen Sonnenhütchen, bey der Heuerndte mit; kochte für die Arbeitsleute; half den Flachs ein- thun, und zurechte machen; gieng mit aufs Korn- feld hinaus; hatte die Aufsicht über die Schnitter; sprach mit ihnen freundlich, und der Arbeit kun- dig; aß des Abends Milch mit ihnen; und war von jedermann geliebt, ohne ihrer Würde etwas zu vergeben. -- Jm Herbst sorgte sie für die Be- arbeitung des Flachses und fürs Ausdreschen des Getraides; gieng mit in den Baumgarten, und half die Aepfel und die Birn' einsammeln. Jm Winter besorgte sie die Kleidung ihrer Brüder, spann, oder machte Linnen; und versah noch dabey das ganze Jahr durch die Küche und die Haushal- tung. Bey aller ihrer Arbeit war sie immer mun- ter; trillerte ein Liedchen, oder scherzte mit ihren Brüdern. Der ältere, Karl, war stolz und gei zerfloß ihre Seele oft in Wehmuth. Nichts liebte ſie mehr, als Geſchaͤſtigkeit, und beſonders laͤndli- che Beſchaͤftigungen. Sie wuſte jede Arbeit, die die verſchiednen Jahrszeiten auf dem Lande mit ſich bringen. Jm Fruͤling ſaͤte ſie im kleinen Wurz- gaͤrtchen am Hauſe; ſteckte Bohnen und Erbſen; pflanzte Salat und Kohl, und ordnete die Ausſaat des Flachſes an. Jm Sommer war ſie in ihrem ſtrohernen Sonnenhuͤtchen, bey der Heuerndte mit; kochte fuͤr die Arbeitsleute; half den Flachs ein- thun, und zurechte machen; gieng mit aufs Korn- feld hinaus; hatte die Aufſicht uͤber die Schnitter; ſprach mit ihnen freundlich, und der Arbeit kun- dig; aß des Abends Milch mit ihnen; und war von jedermann geliebt, ohne ihrer Wuͤrde etwas zu vergeben. — Jm Herbſt ſorgte ſie fuͤr die Be- arbeitung des Flachſes und fuͤrs Ausdreſchen des Getraides; gieng mit in den Baumgarten, und half die Aepfel und die Birn’ einſammeln. Jm Winter beſorgte ſie die Kleidung ihrer Bruͤder, ſpann, oder machte Linnen; und verſah noch dabey das ganze Jahr durch die Kuͤche und die Haushal- tung. Bey aller ihrer Arbeit war ſie immer mun- ter; trillerte ein Liedchen, oder ſcherzte mit ihren Bruͤdern. Der aͤltere, Karl, war ſtolz und gei <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0118" n="114"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> zerfloß ihre Seele oft in Wehmuth. Nichts liebte<lb/> ſie mehr, als Geſchaͤſtigkeit, und beſonders laͤndli-<lb/> che Beſchaͤftigungen. Sie wuſte jede Arbeit, die<lb/> die verſchiednen Jahrszeiten auf dem Lande mit<lb/> ſich bringen. Jm Fruͤling ſaͤte ſie im kleinen Wurz-<lb/> gaͤrtchen am Hauſe; ſteckte Bohnen und Erbſen;<lb/> pflanzte Salat und Kohl, und ordnete die Ausſaat<lb/> des Flachſes an. Jm Sommer war ſie in ihrem<lb/> ſtrohernen Sonnenhuͤtchen, bey der Heuerndte mit;<lb/> kochte fuͤr die Arbeitsleute; half den Flachs ein-<lb/> thun, und zurechte machen; gieng mit aufs Korn-<lb/> feld hinaus; hatte die Aufſicht uͤber die Schnitter;<lb/> ſprach mit ihnen freundlich, und der Arbeit kun-<lb/> dig; aß des Abends Milch mit ihnen; und war<lb/> von jedermann geliebt, ohne ihrer Wuͤrde etwas<lb/> zu vergeben. — Jm Herbſt ſorgte ſie fuͤr die Be-<lb/> arbeitung des Flachſes und fuͤrs Ausdreſchen des<lb/> Getraides; gieng mit in den Baumgarten, und<lb/> half die Aepfel und die Birn’ einſammeln. Jm<lb/> Winter beſorgte ſie die Kleidung ihrer Bruͤder,<lb/> ſpann, oder machte Linnen; und verſah noch dabey<lb/> das ganze Jahr durch die Kuͤche und die Haushal-<lb/> tung. Bey aller ihrer Arbeit war ſie immer mun-<lb/> ter; trillerte ein Liedchen, oder ſcherzte mit ihren<lb/> Bruͤdern. Der aͤltere, <hi rendition="#fr">Karl,</hi> war ſtolz und gei<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [114/0118]
zerfloß ihre Seele oft in Wehmuth. Nichts liebte
ſie mehr, als Geſchaͤſtigkeit, und beſonders laͤndli-
che Beſchaͤftigungen. Sie wuſte jede Arbeit, die
die verſchiednen Jahrszeiten auf dem Lande mit
ſich bringen. Jm Fruͤling ſaͤte ſie im kleinen Wurz-
gaͤrtchen am Hauſe; ſteckte Bohnen und Erbſen;
pflanzte Salat und Kohl, und ordnete die Ausſaat
des Flachſes an. Jm Sommer war ſie in ihrem
ſtrohernen Sonnenhuͤtchen, bey der Heuerndte mit;
kochte fuͤr die Arbeitsleute; half den Flachs ein-
thun, und zurechte machen; gieng mit aufs Korn-
feld hinaus; hatte die Aufſicht uͤber die Schnitter;
ſprach mit ihnen freundlich, und der Arbeit kun-
dig; aß des Abends Milch mit ihnen; und war
von jedermann geliebt, ohne ihrer Wuͤrde etwas
zu vergeben. — Jm Herbſt ſorgte ſie fuͤr die Be-
arbeitung des Flachſes und fuͤrs Ausdreſchen des
Getraides; gieng mit in den Baumgarten, und
half die Aepfel und die Birn’ einſammeln. Jm
Winter beſorgte ſie die Kleidung ihrer Bruͤder,
ſpann, oder machte Linnen; und verſah noch dabey
das ganze Jahr durch die Kuͤche und die Haushal-
tung. Bey aller ihrer Arbeit war ſie immer mun-
ter; trillerte ein Liedchen, oder ſcherzte mit ihren
Bruͤdern. Der aͤltere, Karl, war ſtolz und gei
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