Michelis, Arthur: Reiseschule für Touristen und Curgäste. Leipzig, 1869.VIII. Lichtstrahlen -- ein Sonderling -- Wechsel der Stimmungen. Eifersucht, und ihr Auge glänzte, wenn Andere sie auch schönund liebenswürdig fanden. Aus meiner Sammlung von Sammlern will ich doch 17
VIII. Lichtſtrahlen — ein Sonderling — Wechſel der Stimmungen. Eiferſucht, und ihr Auge glänzte, wenn Andere ſie auch ſchönund liebenswürdig fanden. Aus meiner Sammlung von Sammlern will ich doch 17
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0271" n="257"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">VIII.</hi> Lichtſtrahlen — ein Sonderling — Wechſel der Stimmungen.</fw><lb/> Eiferſucht, und ihr Auge glänzte, wenn Andere ſie auch ſchön<lb/> und liebenswürdig fanden.</p><lb/> <p>Aus meiner Sammlung von Sammlern will ich doch<lb/> eines Sonderlings Erwähnung thun, der ſich in derſelben<lb/> Penſion angeſiedelt hatte. Er ſtand in mittlerem Lebens-<lb/> alter, ſah geſund aus und war auch, wie er ſelbſt ſagte, nur<lb/> in mäßigem Grade körperlich leidend, dennoch hatte er ſich<lb/> ſchon ſeit Jahren zurückgezogen. Ich habe meinen Beruf ver-<lb/> fehlt, geſtand er mir einſt. Mein Unſtern wollte, daß ich ein<lb/> Fach ergriff, für das ich nicht tauge. Das meinige beruht<lb/> auf einer halb mechaniſchen und halb geiſtigen Thätigkeit,<lb/> ſeine geſchäftliche Grundlage iſt eine eigenthümlich ſchwan-<lb/> kende, die Unternehmungen ſind langathmiger Natur und<lb/> verlangen viel Kaltblütigkeit, Beſtändigkeit, Geduld, Selbſt-<lb/> vertrauen, alles Eigenſchaften, an denen es mir gebricht, ge-<lb/> rade für die wichtigſten Entſcheidungen darin gibt es keine<lb/> feſten, zu erlernenden Normen, ſie ſind nicht auf einen reinen<lb/> Verſtandescalcül geſtellt, ſondern, wenn ich ſo ſagen darf, auf<lb/> den praktiſchen Inſtinct, auf allgemeine Anſchauungen und<lb/> „Stimmungen“. Stimmungen wechſeln nun zwar in ge-<lb/> wiſſem Grade bei jedem Menſchen, ich gehöre aber unter die,<lb/> bei welchen ſie durch alle Nüancen vom lieblichſten Roſenroth<lb/> bis in’s Aſchgrau und Schwarz auf und ab ſteigen. Welchen<lb/> Einfluß dieſer Wechſel auf mein geſchäftliches Gebahren haben<lb/> mußte, läßt ſich leicht ermeſſen. So oft eine roſenrothe An-<lb/> ſchauung mich beherrſchte, traf ich Anſtalt zu größeren Unter-<lb/> nehmungen, die immer wieder rückgängig gemacht oder lahm<lb/> geleitet wurden, ſobald die graue Brille ſich mir aufklemmte.<lb/> Unter ſolchen Umſtänden hätte ich mich auf einen andren<lb/> Zweig werfen ſollen, konnte aber, als es noch Zeit dazu war,<lb/> den Entſchluß nicht finden, lavirte, experimentirte, dilettändelte<lb/> hin und her, haderte mit mir ſelbſt und der Welt, verhage-<lb/> ſtolzte und hätte eigentlich verdient, alles zu verlieren, was<lb/> ich beſaß; ſtatt deſſen ergab ſich, daß ich ſoviel hinzuerworben<lb/> hatte, um an einen gedeckten Rückzug denken zu können. In<lb/> <fw place="bottom" type="sig">17</fw><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [257/0271]
VIII. Lichtſtrahlen — ein Sonderling — Wechſel der Stimmungen.
Eiferſucht, und ihr Auge glänzte, wenn Andere ſie auch ſchön
und liebenswürdig fanden.
Aus meiner Sammlung von Sammlern will ich doch
eines Sonderlings Erwähnung thun, der ſich in derſelben
Penſion angeſiedelt hatte. Er ſtand in mittlerem Lebens-
alter, ſah geſund aus und war auch, wie er ſelbſt ſagte, nur
in mäßigem Grade körperlich leidend, dennoch hatte er ſich
ſchon ſeit Jahren zurückgezogen. Ich habe meinen Beruf ver-
fehlt, geſtand er mir einſt. Mein Unſtern wollte, daß ich ein
Fach ergriff, für das ich nicht tauge. Das meinige beruht
auf einer halb mechaniſchen und halb geiſtigen Thätigkeit,
ſeine geſchäftliche Grundlage iſt eine eigenthümlich ſchwan-
kende, die Unternehmungen ſind langathmiger Natur und
verlangen viel Kaltblütigkeit, Beſtändigkeit, Geduld, Selbſt-
vertrauen, alles Eigenſchaften, an denen es mir gebricht, ge-
rade für die wichtigſten Entſcheidungen darin gibt es keine
feſten, zu erlernenden Normen, ſie ſind nicht auf einen reinen
Verſtandescalcül geſtellt, ſondern, wenn ich ſo ſagen darf, auf
den praktiſchen Inſtinct, auf allgemeine Anſchauungen und
„Stimmungen“. Stimmungen wechſeln nun zwar in ge-
wiſſem Grade bei jedem Menſchen, ich gehöre aber unter die,
bei welchen ſie durch alle Nüancen vom lieblichſten Roſenroth
bis in’s Aſchgrau und Schwarz auf und ab ſteigen. Welchen
Einfluß dieſer Wechſel auf mein geſchäftliches Gebahren haben
mußte, läßt ſich leicht ermeſſen. So oft eine roſenrothe An-
ſchauung mich beherrſchte, traf ich Anſtalt zu größeren Unter-
nehmungen, die immer wieder rückgängig gemacht oder lahm
geleitet wurden, ſobald die graue Brille ſich mir aufklemmte.
Unter ſolchen Umſtänden hätte ich mich auf einen andren
Zweig werfen ſollen, konnte aber, als es noch Zeit dazu war,
den Entſchluß nicht finden, lavirte, experimentirte, dilettändelte
hin und her, haderte mit mir ſelbſt und der Welt, verhage-
ſtolzte und hätte eigentlich verdient, alles zu verlieren, was
ich beſaß; ſtatt deſſen ergab ſich, daß ich ſoviel hinzuerworben
hatte, um an einen gedeckten Rückzug denken zu können. In
17
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |