Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Michelis, Arthur: Reiseschule für Touristen und Curgäste. Leipzig, 1869.

Bild:
<< vorherige Seite

VIII. Sammler und Sammlungen.
erstens: daß wir unablässig bemüht sind, gewisse Grenzen
einzuhalten, um nicht in Verblendungen und noch Schlimmeres
zu fallen; zweitens: daß wir nicht Zweck und Ziel in Aeußer-
lichkeiten suchen, es nicht an bloßem Zusammenschleppen,
Anhäufen, Katalogisiren, Numeriren, Etikettiren und
Blaguiren bewenden lassen; drittens: daß wir eine unsren
Fähigkeiten, sowie unsren geistigen und gemüthlichen Be-
dürfnissen, endlich unsren Mitteln entsprechende Art zu finden
wissen. Gerade in diesem unerschöpflichen Gebiete ist aber für
hochgewachsene Geister wie für Zwerge gesorgt, es ist ein
Wasser, in dem ein Elephant schwimmen und eine Maus
waten kann. Auch die Armen an Geist, an Vorkenntnissen
und an Geld können ihnen Angemessenes und Erreichbares
ermitteln und "etwas vor sich bringen", wenn sie nur
Willenskraft und Nachhaltigkeit besitzen. Eben der Tourist,
der so vielerlei durchmustert, hat die beste Gelegenheit, seine
Neigungen und Anlagen zu sondiren. Bedeutungsvolles,
Kunstwerke, Seltenheiten, Kostbarkeiten zusammenzubringen,
ist Wenigen vergönnt, jeder ernstlich Suchende findet aber
sicher irgend eine Specialität, bestehe sie nun aus Metall,
Glas, Porzellan, Holz, Papier, Büchern, Kupferstichen,
Holzschnitten, Karten; sei sie eine der Literatur, der Ge-
schichte, den Naturwissenschaften, dem Thier-, Pflanzen-,
Steinreich, dem öffentlichen Leben u. s. w. angehörige. Die
Sammlung braucht nicht durchaus auf Dinge gerichtet zu
sein, die zu kaufen, zu tauschen oder außerhalb der Menschen-
wohnungen zu erbeuten sind, sie kann sich auch mit bloßer
Aufzeichnung und Gruppirung von Thatsachen, historischen,
statistischen, volkswirthschaftlichen, politischen Notizen der
verschiedensten Art befassen, nur darf sie nicht in luftigem
Gedächtnißwerk, in Erinnerungen bestehen; mit dem bloßen
Lernen ist es nicht abgethan, es muß noch etwas Anderes
dabei sein, ein sinnliches Substrat, eine greifbare Unterlage,
es muß da etwas zu schreiben, zu vergleichen, nachzuschlagen,
zu suchen, zu arbeiten, zu "schaffen" geben. Der Besitz von

VIII. Sammler und Sammlungen.
erſtens: daß wir unabläſſig bemüht ſind, gewiſſe Grenzen
einzuhalten, um nicht in Verblendungen und noch Schlimmeres
zu fallen; zweitens: daß wir nicht Zweck und Ziel in Aeußer-
lichkeiten ſuchen, es nicht an bloßem Zuſammenſchleppen,
Anhäufen, Katalogiſiren, Numeriren, Etikettiren und
Blaguiren bewenden laſſen; drittens: daß wir eine unſren
Fähigkeiten, ſowie unſren geiſtigen und gemüthlichen Be-
dürfniſſen, endlich unſren Mitteln entſprechende Art zu finden
wiſſen. Gerade in dieſem unerſchöpflichen Gebiete iſt aber für
hochgewachſene Geiſter wie für Zwerge geſorgt, es iſt ein
Waſſer, in dem ein Elephant ſchwimmen und eine Maus
waten kann. Auch die Armen an Geiſt, an Vorkenntniſſen
und an Geld können ihnen Angemeſſenes und Erreichbares
ermitteln und „etwas vor ſich bringen“, wenn ſie nur
Willenskraft und Nachhaltigkeit beſitzen. Eben der Touriſt,
der ſo vielerlei durchmuſtert, hat die beſte Gelegenheit, ſeine
Neigungen und Anlagen zu ſondiren. Bedeutungsvolles,
Kunſtwerke, Seltenheiten, Koſtbarkeiten zuſammenzubringen,
iſt Wenigen vergönnt, jeder ernſtlich Suchende findet aber
ſicher irgend eine Specialität, beſtehe ſie nun aus Metall,
Glas, Porzellan, Holz, Papier, Büchern, Kupferſtichen,
Holzſchnitten, Karten; ſei ſie eine der Literatur, der Ge-
ſchichte, den Naturwiſſenſchaften, dem Thier-, Pflanzen-,
Steinreich, dem öffentlichen Leben u. ſ. w. angehörige. Die
Sammlung braucht nicht durchaus auf Dinge gerichtet zu
ſein, die zu kaufen, zu tauſchen oder außerhalb der Menſchen-
wohnungen zu erbeuten ſind, ſie kann ſich auch mit bloßer
Aufzeichnung und Gruppirung von Thatſachen, hiſtoriſchen,
ſtatiſtiſchen, volkswirthſchaftlichen, politiſchen Notizen der
verſchiedenſten Art befaſſen, nur darf ſie nicht in luftigem
Gedächtnißwerk, in Erinnerungen beſtehen; mit dem bloßen
Lernen iſt es nicht abgethan, es muß noch etwas Anderes
dabei ſein, ein ſinnliches Subſtrat, eine greifbare Unterlage,
es muß da etwas zu ſchreiben, zu vergleichen, nachzuſchlagen,
zu ſuchen, zu arbeiten, zu „ſchaffen“ geben. Der Beſitz von

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0269" n="255"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">VIII.</hi> Sammler und Sammlungen.</fw><lb/>
er&#x017F;tens: daß wir unablä&#x017F;&#x017F;ig bemüht &#x017F;ind, gewi&#x017F;&#x017F;e Grenzen<lb/>
einzuhalten, um nicht in Verblendungen und noch Schlimmeres<lb/>
zu fallen; zweitens: daß wir nicht Zweck und Ziel in Aeußer-<lb/>
lichkeiten &#x017F;uchen, es nicht an bloßem Zu&#x017F;ammen&#x017F;chleppen,<lb/>
Anhäufen, Katalogi&#x017F;iren, Numeriren, Etikettiren und<lb/>
Blaguiren bewenden la&#x017F;&#x017F;en; drittens: daß wir eine un&#x017F;ren<lb/>
Fähigkeiten, &#x017F;owie un&#x017F;ren gei&#x017F;tigen und gemüthlichen Be-<lb/>
dürfni&#x017F;&#x017F;en, endlich un&#x017F;ren Mitteln ent&#x017F;prechende Art zu finden<lb/>
wi&#x017F;&#x017F;en. Gerade in die&#x017F;em uner&#x017F;chöpflichen Gebiete i&#x017F;t aber für<lb/>
hochgewach&#x017F;ene Gei&#x017F;ter wie für Zwerge ge&#x017F;orgt, es i&#x017F;t ein<lb/>
Wa&#x017F;&#x017F;er, in dem ein Elephant &#x017F;chwimmen und eine Maus<lb/>
waten kann. Auch die Armen an Gei&#x017F;t, an Vorkenntni&#x017F;&#x017F;en<lb/>
und an Geld können ihnen Angeme&#x017F;&#x017F;enes und Erreichbares<lb/>
ermitteln und &#x201E;etwas vor &#x017F;ich bringen&#x201C;, wenn &#x017F;ie nur<lb/>
Willenskraft und Nachhaltigkeit be&#x017F;itzen. Eben der Touri&#x017F;t,<lb/>
der &#x017F;o vielerlei durchmu&#x017F;tert, hat die be&#x017F;te Gelegenheit, &#x017F;eine<lb/>
Neigungen und Anlagen zu &#x017F;ondiren. Bedeutungsvolles,<lb/>
Kun&#x017F;twerke, Seltenheiten, Ko&#x017F;tbarkeiten zu&#x017F;ammenzubringen,<lb/>
i&#x017F;t Wenigen vergönnt, jeder ern&#x017F;tlich Suchende findet aber<lb/>
&#x017F;icher irgend eine Specialität, be&#x017F;tehe &#x017F;ie nun aus Metall,<lb/>
Glas, Porzellan, Holz, Papier, Büchern, Kupfer&#x017F;tichen,<lb/>
Holz&#x017F;chnitten, Karten; &#x017F;ei &#x017F;ie eine der Literatur, der Ge-<lb/>
&#x017F;chichte, den Naturwi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaften, dem Thier-, Pflanzen-,<lb/>
Steinreich, dem öffentlichen Leben u. &#x017F;. w. angehörige. Die<lb/>
Sammlung braucht nicht durchaus auf Dinge gerichtet zu<lb/>
&#x017F;ein, die zu kaufen, zu tau&#x017F;chen oder außerhalb der Men&#x017F;chen-<lb/>
wohnungen zu erbeuten &#x017F;ind, &#x017F;ie kann &#x017F;ich auch mit bloßer<lb/>
Aufzeichnung und Gruppirung von That&#x017F;achen, hi&#x017F;tori&#x017F;chen,<lb/>
&#x017F;tati&#x017F;ti&#x017F;chen, volkswirth&#x017F;chaftlichen, politi&#x017F;chen Notizen der<lb/>
ver&#x017F;chieden&#x017F;ten Art befa&#x017F;&#x017F;en, nur darf &#x017F;ie nicht in luftigem<lb/>
Gedächtnißwerk, in Erinnerungen be&#x017F;tehen; mit dem bloßen<lb/>
Lernen i&#x017F;t es nicht abgethan, es muß noch etwas Anderes<lb/>
dabei &#x017F;ein, ein &#x017F;innliches Sub&#x017F;trat, eine greifbare Unterlage,<lb/>
es muß da etwas zu &#x017F;chreiben, zu vergleichen, nachzu&#x017F;chlagen,<lb/>
zu &#x017F;uchen, zu arbeiten, zu &#x201E;&#x017F;chaffen&#x201C; geben. Der Be&#x017F;itz von<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[255/0269] VIII. Sammler und Sammlungen. erſtens: daß wir unabläſſig bemüht ſind, gewiſſe Grenzen einzuhalten, um nicht in Verblendungen und noch Schlimmeres zu fallen; zweitens: daß wir nicht Zweck und Ziel in Aeußer- lichkeiten ſuchen, es nicht an bloßem Zuſammenſchleppen, Anhäufen, Katalogiſiren, Numeriren, Etikettiren und Blaguiren bewenden laſſen; drittens: daß wir eine unſren Fähigkeiten, ſowie unſren geiſtigen und gemüthlichen Be- dürfniſſen, endlich unſren Mitteln entſprechende Art zu finden wiſſen. Gerade in dieſem unerſchöpflichen Gebiete iſt aber für hochgewachſene Geiſter wie für Zwerge geſorgt, es iſt ein Waſſer, in dem ein Elephant ſchwimmen und eine Maus waten kann. Auch die Armen an Geiſt, an Vorkenntniſſen und an Geld können ihnen Angemeſſenes und Erreichbares ermitteln und „etwas vor ſich bringen“, wenn ſie nur Willenskraft und Nachhaltigkeit beſitzen. Eben der Touriſt, der ſo vielerlei durchmuſtert, hat die beſte Gelegenheit, ſeine Neigungen und Anlagen zu ſondiren. Bedeutungsvolles, Kunſtwerke, Seltenheiten, Koſtbarkeiten zuſammenzubringen, iſt Wenigen vergönnt, jeder ernſtlich Suchende findet aber ſicher irgend eine Specialität, beſtehe ſie nun aus Metall, Glas, Porzellan, Holz, Papier, Büchern, Kupferſtichen, Holzſchnitten, Karten; ſei ſie eine der Literatur, der Ge- ſchichte, den Naturwiſſenſchaften, dem Thier-, Pflanzen-, Steinreich, dem öffentlichen Leben u. ſ. w. angehörige. Die Sammlung braucht nicht durchaus auf Dinge gerichtet zu ſein, die zu kaufen, zu tauſchen oder außerhalb der Menſchen- wohnungen zu erbeuten ſind, ſie kann ſich auch mit bloßer Aufzeichnung und Gruppirung von Thatſachen, hiſtoriſchen, ſtatiſtiſchen, volkswirthſchaftlichen, politiſchen Notizen der verſchiedenſten Art befaſſen, nur darf ſie nicht in luftigem Gedächtnißwerk, in Erinnerungen beſtehen; mit dem bloßen Lernen iſt es nicht abgethan, es muß noch etwas Anderes dabei ſein, ein ſinnliches Subſtrat, eine greifbare Unterlage, es muß da etwas zu ſchreiben, zu vergleichen, nachzuſchlagen, zu ſuchen, zu arbeiten, zu „ſchaffen“ geben. Der Beſitz von

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/michelis_reiseschule_1869
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/michelis_reiseschule_1869/269
Zitationshilfe: Michelis, Arthur: Reiseschule für Touristen und Curgäste. Leipzig, 1869, S. 255. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/michelis_reiseschule_1869/269>, abgerufen am 22.05.2024.