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Michelis, Arthur: Reiseschule für Touristen und Curgäste. Leipzig, 1869.

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VII. Scherze -- Localpossen -- Quarteronen -- Fragewuth.
gelaufen. Unbesonnener Weise gab ich indeß, nachdem die
Cigarren ausgegangen und der Baumwollfaden abgerissen,
dem "Roß der Rede" Sporen- und Zügelhilfen, die zu
seiner Natur und Dressur nicht paßten, denn es wurde
muthwillig, ausgelassen, bockig, gerieth in's Gehege gewisser
Localpossen, in welchem es sich wälzte, daß deren Inhalt
weit umherflog. Mit einigen kurzen Worten und einem
langen Gesicht wurde diese Bekanntschaft glatt abgeschnitten.
"Kälte nur bändigt den Schlamm, damit er den Fuß nicht
beschmutze," heißt es in Sakuntala. Ich nahm mir von da an
zur Regel, künftig mit Unbekannten anfangs vorsichtig zu
sein, namentlich sie nicht zu Scherzen zu ermuntern. Mit
sogenannten pikanten Erzählungen einem Fremden auf den
Leib zu rücken, ist noch zudringlicher und taktloser, als mit
politischen Extravaganzen. Menschen von der Art unsrer
letzten Begegnung sind mit Quarteronen zu vergleichen, die
in kühlem Zustande sich wie weiße Gentlemen darstellen,
sobald sie aber warm werden, durch den garstigen Neger-
geruch die Qualität ihres Bluts verrathen.

Weiter in unserer Musterung. Da ist ein Zwölfter, der
gleich nach den ersten Worten zeigt, daß er an der Frage-
wuth
leidet. Wie Franklin diese Krankheit heilte, oder doch
sich der Mitleidenschaft entzog, ist bekannt. Seit hundert
Jahren ist die Welt aber höflicher geworden. Ich sagte
meinem Manne darum nicht, ich heiße A., bin aus B.
gebürtig, wohne in C., bin x Jahre alt, meines Zeichens das
und das, habe jährlich so und so viel zu verzehren, meine
religiöse Farbe ist die, meine politische die, und nun lassen
Sie mich in Ruhe; vielmehr gab ich auf jede seiner Fragen
eine höfliche, ausweichende Antwort, manchmal wendete ich
auch die Erwiederung in eine Rückfrage, wie es die Quaker
gern thun und hatte bald die Genugthung, ihn in Frieden
los zu sein.

Auf der eigentlichen Reise können wir in der Regel eine
Bekanntschaft, die uns nicht gefällt, leichter und gelinder

VII. Scherze — Localpoſſen — Quarteronen — Fragewuth.
gelaufen. Unbeſonnener Weiſe gab ich indeß, nachdem die
Cigarren ausgegangen und der Baumwollfaden abgeriſſen,
dem „Roß der Rede“ Sporen- und Zügelhilfen, die zu
ſeiner Natur und Dreſſur nicht paßten, denn es wurde
muthwillig, ausgelaſſen, bockig, gerieth in’s Gehege gewiſſer
Localpoſſen, in welchem es ſich wälzte, daß deren Inhalt
weit umherflog. Mit einigen kurzen Worten und einem
langen Geſicht wurde dieſe Bekanntſchaft glatt abgeſchnitten.
„Kälte nur bändigt den Schlamm, damit er den Fuß nicht
beſchmutze,“ heißt es in Sakuntala. Ich nahm mir von da an
zur Regel, künftig mit Unbekannten anfangs vorſichtig zu
ſein, namentlich ſie nicht zu Scherzen zu ermuntern. Mit
ſogenannten pikanten Erzählungen einem Fremden auf den
Leib zu rücken, iſt noch zudringlicher und taktloſer, als mit
politiſchen Extravaganzen. Menſchen von der Art unſrer
letzten Begegnung ſind mit Quarteronen zu vergleichen, die
in kühlem Zuſtande ſich wie weiße Gentlemen darſtellen,
ſobald ſie aber warm werden, durch den garſtigen Neger-
geruch die Qualität ihres Bluts verrathen.

Weiter in unſerer Muſterung. Da iſt ein Zwölfter, der
gleich nach den erſten Worten zeigt, daß er an der Frage-
wuth
leidet. Wie Franklin dieſe Krankheit heilte, oder doch
ſich der Mitleidenſchaft entzog, iſt bekannt. Seit hundert
Jahren iſt die Welt aber höflicher geworden. Ich ſagte
meinem Manne darum nicht, ich heiße A., bin aus B.
gebürtig, wohne in C., bin x Jahre alt, meines Zeichens das
und das, habe jährlich ſo und ſo viel zu verzehren, meine
religiöſe Farbe iſt die, meine politiſche die, und nun laſſen
Sie mich in Ruhe; vielmehr gab ich auf jede ſeiner Fragen
eine höfliche, ausweichende Antwort, manchmal wendete ich
auch die Erwiederung in eine Rückfrage, wie es die Quaker
gern thun und hatte bald die Genugthung, ihn in Frieden
los zu ſein.

Auf der eigentlichen Reiſe können wir in der Regel eine
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[221/0235] VII. Scherze — Localpoſſen — Quarteronen — Fragewuth. gelaufen. Unbeſonnener Weiſe gab ich indeß, nachdem die Cigarren ausgegangen und der Baumwollfaden abgeriſſen, dem „Roß der Rede“ Sporen- und Zügelhilfen, die zu ſeiner Natur und Dreſſur nicht paßten, denn es wurde muthwillig, ausgelaſſen, bockig, gerieth in’s Gehege gewiſſer Localpoſſen, in welchem es ſich wälzte, daß deren Inhalt weit umherflog. Mit einigen kurzen Worten und einem langen Geſicht wurde dieſe Bekanntſchaft glatt abgeſchnitten. „Kälte nur bändigt den Schlamm, damit er den Fuß nicht beſchmutze,“ heißt es in Sakuntala. Ich nahm mir von da an zur Regel, künftig mit Unbekannten anfangs vorſichtig zu ſein, namentlich ſie nicht zu Scherzen zu ermuntern. Mit ſogenannten pikanten Erzählungen einem Fremden auf den Leib zu rücken, iſt noch zudringlicher und taktloſer, als mit politiſchen Extravaganzen. Menſchen von der Art unſrer letzten Begegnung ſind mit Quarteronen zu vergleichen, die in kühlem Zuſtande ſich wie weiße Gentlemen darſtellen, ſobald ſie aber warm werden, durch den garſtigen Neger- geruch die Qualität ihres Bluts verrathen. Weiter in unſerer Muſterung. Da iſt ein Zwölfter, der gleich nach den erſten Worten zeigt, daß er an der Frage- wuth leidet. Wie Franklin dieſe Krankheit heilte, oder doch ſich der Mitleidenſchaft entzog, iſt bekannt. Seit hundert Jahren iſt die Welt aber höflicher geworden. Ich ſagte meinem Manne darum nicht, ich heiße A., bin aus B. gebürtig, wohne in C., bin x Jahre alt, meines Zeichens das und das, habe jährlich ſo und ſo viel zu verzehren, meine religiöſe Farbe iſt die, meine politiſche die, und nun laſſen Sie mich in Ruhe; vielmehr gab ich auf jede ſeiner Fragen eine höfliche, ausweichende Antwort, manchmal wendete ich auch die Erwiederung in eine Rückfrage, wie es die Quaker gern thun und hatte bald die Genugthung, ihn in Frieden los zu ſein. Auf der eigentlichen Reiſe können wir in der Regel eine Bekanntſchaft, die uns nicht gefällt, leichter und gelinder

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Zitationshilfe: Michelis, Arthur: Reiseschule für Touristen und Curgäste. Leipzig, 1869, S. 221. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/michelis_reiseschule_1869/235>, abgerufen am 24.11.2024.