Michelis, Arthur: Reiseschule für Touristen und Curgäste. Leipzig, 1869.VII. Fertigkeit im Reisen -- französisches Urtheil über Engländer. des Menschen und des Mannes vertreten sein müssen, wirdschon Niemand bezweifeln, der ihre Literatur kennt. Was uns Deutsche am meisten und mit Recht aufgebracht hat, ist die Haltung der auswärtigen Politik und der Presse des Inselreichs deutschen Lebensfragen und Herzensangelegenheiten gegenüber, neuerdings hat sich das jedoch geändert und die öffentliche Meinung drüben wesentliche Erfahrungen gemacht. Betrachten wir nun aber die Sache von unsrem touristi- "... Der Typus des modernen Reisenden scheint mir vorzugsweis der Eng- 14*
VII. Fertigkeit im Reiſen — franzöſiſches Urtheil über Engländer. des Menſchen und des Mannes vertreten ſein müſſen, wirdſchon Niemand bezweifeln, der ihre Literatur kennt. Was uns Deutſche am meiſten und mit Recht aufgebracht hat, iſt die Haltung der auswärtigen Politik und der Preſſe des Inſelreichs deutſchen Lebensfragen und Herzensangelegenheiten gegenüber, neuerdings hat ſich das jedoch geändert und die öffentliche Meinung drüben weſentliche Erfahrungen gemacht. Betrachten wir nun aber die Sache von unſrem touriſti- „… Der Typus des modernen Reiſenden ſcheint mir vorzugsweis der Eng- 14*
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VII. Fertigkeit im Reiſen — franzöſiſches Urtheil über Engländer.
des Menſchen und des Mannes vertreten ſein müſſen, wird
ſchon Niemand bezweifeln, der ihre Literatur kennt. Was
uns Deutſche am meiſten und mit Recht aufgebracht hat, iſt
die Haltung der auswärtigen Politik und der Preſſe des
Inſelreichs deutſchen Lebensfragen und Herzensangelegenheiten
gegenüber, neuerdings hat ſich das jedoch geändert und die
öffentliche Meinung drüben weſentliche Erfahrungen gemacht.
Betrachten wir nun aber die Sache von unſrem touriſti-
ſchen Standpunkte, ſo gewinnt ſie ein ganz neues Geſicht,
denn der Engländer hat die meiſte Uebung und Fertigkeit im
Reiſen, die muſterhafteſte Ausrüſtung, die entſchiedenſte An-
lage und Liebe zur Reiſe, iſt mithin für jeden Liebhaber der-
ſelben, er gehöre irgendwelcher anderen Nation an, persona
grata. — Hören wir darüber einmal, damit ich nicht immer
allein als Anwalt plädire, die Anſicht eines Franzoſen
(E. Montégut, Revue des deux Mondes 1860):
„… Der Typus des modernen Reiſenden ſcheint mir vorzugsweis der Eng-
länder, der die Welt durchmißt, ohne daß ihn etwas in Erſtaunen und in Ver-
wirrung ſetzt, der allerwärts ſeine Individualität aufrecht zu halten weiß, Gentleman
unter Wilden, Engländer unter civiliſirten Völkern, Chriſt unter Türken iſt, der
es ſehr begreiflich findet, daß man auch Perſer ſein kann, aber ſich nie entſchlöſſe, es
nur eine Minute zu ſein. Die Dinge treten vor ſeine Augen zu ſeinem Vergnügen,
zu ſeinem Nutzen, zur Befriedigung ſeiner Wißbegierde, niemals aber erlaubt er
ihnen, ſeinem unerſchütterlichen Selbſtbewußtſein zu nahe zu treten. Er allein
ſcheint den Grundſatz zu verſtehen, daß das beſte Mittel, die, mit denen man umgeht,
nicht kennen zu lernen, das iſt, daß man daſſelbe Leben wie ſie lebt, weil man über
Gewohnheiten, die man ſelbſt annimmt, das unbefangene Urtheil verliert ....
Dieſe Eigenthümlichkeit des engliſchen Nationalcharakters läßt ſich vortrefflich aus
dem weſentlich britiſchen Literaturzweige, den Reiſeſchriften, kennen lernen, reich an
ſittlicher Ausbeute, bemerkenswerthen Thatſachen und Beweistücken für die Ge-
ſchichte der Menſchheit. Dieſe Literatur fehlt Frankreich und es iſt zu bezweifeln,
daß je die Lücke ausgefüllt werde .... Seltſam: die Franzoſen ſind zugleich das
abenteuerluſtigſte und das häuslichſte aller Völker … Sie lieben nicht zu reiſen,
verſtehen es auch nicht ſonderlich. Sie beſuchen fremde Länder ohne Wißbegierde,
ohne Nutzen für ſich und Andere. Des Franzoſen gute Eigenſchaften wie ſeine
Fehler tragen bei, die Reiſeluſt in ihm zu erſticken, vor Allem ſein Uebermaß von
Geſelligkeitstrieb, welchen die unvermeidlichen Prüfungen des Reiſelebens ein-
ſchüchtern und entmuthigen. Gern würde er in Geſellſchaft ſeiner Landsleute die
Welt durchziehen, aber die aufgenöthigte Einſamkeit, die eiſige Gleichgiltigkeit
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