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Michelis, Arthur: Reiseschule für Touristen und Curgäste. Leipzig, 1869.

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V. Bedürfniß und Ueberfluß -- Stiftungen.
gymnastik, deutschen Turnanstalten etc. aufwarten können.
Ja, großmächtige Trink- und Badequellen, deren Ruhm
zurückdatirt bis in altrömische Kaiserzeit, verschmähen es
nicht, sich zugleich als Luftbäder zu empfehlen. Kurz, die
Machtstellung des neuen Souveräns ist allseitig anerkannt,
befestigt, seine Zukunft gesichert. Auch Goethe, so sehr er
den Karlsbader Mineralquellen zugethan war, wußte, daß
man sich im "Thau der Berge" gesund baden könne, und
Gustav Schwab räth:

Geh' in ein Bad, doch nicht um da zu baden,
Zum Brunnen, doch das Glas nicht an den Mund,
Viel lieber laß zum Firnewein Dich laden,
Hinab zur Kühle dort im Felsengrund,
Empor im Schweiß auf steilen Tannenpfaden,
Lern' wieder leben und du wirst gesund.

Betrachten wir nun aber die Residenzen des neuen Sou-
veräns, so zeigt sich, daß es da in vielen recht windig aus-
sieht. Nur zu oft fehlt es gerade am Nothwendigen, während
man allerhand Ueberflüssigkeiten auf Kosten der ersten Be-
dürfnisse herbeizuschaffen wußte: ein Zeichen, daß es weniger
an Geld und gutem Willen, als an Ueberlegung und Er-
fahrung gebricht. Was hier unter Nothwendigem verstanden
ist, wird weiterhin hinlänglich erhellen, kurz und bündig läßt
es sich in abstracto nicht wohl sagen, weil für den einen Ort
ein Bedürfniß sein kann, was für den andern entbehrlich ist,
und eine Prüfung der einzelnen Curorte außerhalb der Auf-
gabe dieses Büchleins liegt. Was nicht darunter zu rechnen,
ist desto leichter gesagt. Es sind zunächst persönliche Artig-
keiten und Liebedienereien, jene Unzahl von Dedications-
tafeln, Gedenksäulen, Büsten, Medaillons, von denen unsre
Badeorte strotzen und in deren Anlage Ortsvorstände und
Fremde wetteifern. Auf öffentliche Kosten sollte derlei über-
haupt nie angelegt werden, denn jeder dafür verausgabte
Gulden wäre vortheilhafter für die Besucher und die ein-
heimischen Armen auf Anlage neuer und Verbesserung alter

V. Bedürfniß und Ueberfluß — Stiftungen.
gymnaſtik, deutſchen Turnanſtalten ꝛc. aufwarten können.
Ja, großmächtige Trink- und Badequellen, deren Ruhm
zurückdatirt bis in altrömiſche Kaiſerzeit, verſchmähen es
nicht, ſich zugleich als Luftbäder zu empfehlen. Kurz, die
Machtſtellung des neuen Souveräns iſt allſeitig anerkannt,
befeſtigt, ſeine Zukunft geſichert. Auch Goethe, ſo ſehr er
den Karlsbader Mineralquellen zugethan war, wußte, daß
man ſich im „Thau der Berge“ geſund baden könne, und
Guſtav Schwab räth:

Geh’ in ein Bad, doch nicht um da zu baden,
Zum Brunnen, doch das Glas nicht an den Mund,
Viel lieber laß zum Firnewein Dich laden,
Hinab zur Kühle dort im Felſengrund,
Empor im Schweiß auf ſteilen Tannenpfaden,
Lern’ wieder leben und du wirſt geſund.

Betrachten wir nun aber die Reſidenzen des neuen Sou-
veräns, ſo zeigt ſich, daß es da in vielen recht windig aus-
ſieht. Nur zu oft fehlt es gerade am Nothwendigen, während
man allerhand Ueberflüſſigkeiten auf Koſten der erſten Be-
dürfniſſe herbeizuſchaffen wußte: ein Zeichen, daß es weniger
an Geld und gutem Willen, als an Ueberlegung und Er-
fahrung gebricht. Was hier unter Nothwendigem verſtanden
iſt, wird weiterhin hinlänglich erhellen, kurz und bündig läßt
es ſich in abstracto nicht wohl ſagen, weil für den einen Ort
ein Bedürfniß ſein kann, was für den andern entbehrlich iſt,
und eine Prüfung der einzelnen Curorte außerhalb der Auf-
gabe dieſes Büchleins liegt. Was nicht darunter zu rechnen,
iſt deſto leichter geſagt. Es ſind zunächſt perſönliche Artig-
keiten und Liebedienereien, jene Unzahl von Dedications-
tafeln, Gedenkſäulen, Büſten, Medaillons, von denen unſre
Badeorte ſtrotzen und in deren Anlage Ortsvorſtände und
Fremde wetteifern. Auf öffentliche Koſten ſollte derlei über-
haupt nie angelegt werden, denn jeder dafür verausgabte
Gulden wäre vortheilhafter für die Beſucher und die ein-
heimiſchen Armen auf Anlage neuer und Verbeſſerung alter

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[103/0117] V. Bedürfniß und Ueberfluß — Stiftungen. gymnaſtik, deutſchen Turnanſtalten ꝛc. aufwarten können. Ja, großmächtige Trink- und Badequellen, deren Ruhm zurückdatirt bis in altrömiſche Kaiſerzeit, verſchmähen es nicht, ſich zugleich als Luftbäder zu empfehlen. Kurz, die Machtſtellung des neuen Souveräns iſt allſeitig anerkannt, befeſtigt, ſeine Zukunft geſichert. Auch Goethe, ſo ſehr er den Karlsbader Mineralquellen zugethan war, wußte, daß man ſich im „Thau der Berge“ geſund baden könne, und Guſtav Schwab räth: Geh’ in ein Bad, doch nicht um da zu baden, Zum Brunnen, doch das Glas nicht an den Mund, Viel lieber laß zum Firnewein Dich laden, Hinab zur Kühle dort im Felſengrund, Empor im Schweiß auf ſteilen Tannenpfaden, Lern’ wieder leben und du wirſt geſund. Betrachten wir nun aber die Reſidenzen des neuen Sou- veräns, ſo zeigt ſich, daß es da in vielen recht windig aus- ſieht. Nur zu oft fehlt es gerade am Nothwendigen, während man allerhand Ueberflüſſigkeiten auf Koſten der erſten Be- dürfniſſe herbeizuſchaffen wußte: ein Zeichen, daß es weniger an Geld und gutem Willen, als an Ueberlegung und Er- fahrung gebricht. Was hier unter Nothwendigem verſtanden iſt, wird weiterhin hinlänglich erhellen, kurz und bündig läßt es ſich in abstracto nicht wohl ſagen, weil für den einen Ort ein Bedürfniß ſein kann, was für den andern entbehrlich iſt, und eine Prüfung der einzelnen Curorte außerhalb der Auf- gabe dieſes Büchleins liegt. Was nicht darunter zu rechnen, iſt deſto leichter geſagt. Es ſind zunächſt perſönliche Artig- keiten und Liebedienereien, jene Unzahl von Dedications- tafeln, Gedenkſäulen, Büſten, Medaillons, von denen unſre Badeorte ſtrotzen und in deren Anlage Ortsvorſtände und Fremde wetteifern. Auf öffentliche Koſten ſollte derlei über- haupt nie angelegt werden, denn jeder dafür verausgabte Gulden wäre vortheilhafter für die Beſucher und die ein- heimiſchen Armen auf Anlage neuer und Verbeſſerung alter

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Zitationshilfe: Michelis, Arthur: Reiseschule für Touristen und Curgäste. Leipzig, 1869, S. 103. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/michelis_reiseschule_1869/117>, abgerufen am 24.11.2024.