Michelet, Karl Ludwig: Die Lösung der gesellschaftlichen Frage. Frankfurt (Oder) u. a., 1849.die abgetragenen Kleider der andern Nationen anziehen, ihre Als die freisinnige Partei in Deutschland ein gewähltes 3 *
die abgetragenen Kleider der andern Nationen anziehen, ihre Als die freiſinnige Partei in Deutſchland ein gewähltes 3 *
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0045" n="35"/> die abgetragenen Kleider der andern Nationen anziehen, ihre<lb/> Scheinverfaſſungen, ihren wechſelnden Vorort hinnehmen, — dazu<lb/> wird doch den Deutſchen endlich die Geduld reißen.</p><lb/> <p>Als die freiſinnige Partei in Deutſchland ein gewähltes<lb/> Oberhaupt, eine freiſtaatliche Spitze wollte, da wollten die Män-<lb/> ner des Rückſchritts und das Stockpreußenthum die Einheit<lb/> Deutſchlands nur unter der Bedingung der erblichen Kaiſerwürde<lb/> der Hohenzollern. Und während nun die freiſinnige Partei darin<lb/> willigt, damit nur das Spiel einer deutſchen Bundespolizei und<lb/> das abwechſelnde Vorſchieben und Unberückſichtigtlaſſen der Bun-<lb/> desgewalt durch die Preußiſche Regierung aufhöre, will der Rück-<lb/> ſchritt, um es im Weſentlichen beim alten Bundestage zu laſſen,<lb/> eine „republikaniſche‟ Form, die Deutſchlands Einheit zum Schat-<lb/> ten macht. Sehen wir denn nicht, daß wir nur der Spielball aus-<lb/> wärtiger Mächte ſind, welche mit den alten, in London geſponne-<lb/> nen Künſten der tückiſchen Staatsklugheit Metternich’s das Zuſtande-<lb/> kommen einer ſtarken Macht im Herzen Europa’s um alles ver-<lb/> hindern wollen. Jch ſage aber, ehe dieſe nicht gegründet iſt,<lb/> ehe das Herz Europa’s nicht in freiern Schlägen wallt, unge-<lb/> hindert von jeder beängſtigenden Bedrückung, wird der Friede Euro-<lb/> pa’s nicht zu Stande kommen, und wir unter den Zuckungen der<lb/> ſtaatlichen Frage noch lange ſchmachten, — wenn nicht die geſell-<lb/> ſchaftliche den Knoten zerhaut. Was hilft die freieſte Verfaſſung,<lb/> wenn ſie nicht durch eine freiſinnige Regierung ausgeführt wird?<lb/> wenn die geſellſchaftlichen Verhältniſſe nicht geordnet ſind? An<lb/> ihre Beſprechung will ich mich alſo wenden, und zum Schluß<lb/> diejenige Verfaſſung hinſtellen, in welcher ich glaube, daß jene<lb/> Verhältniſſe ſich am ungehindertſten geſtalten können; wobei ich<lb/> ſchon jetzt die Leſer beſonders auf die Gliederung des Bundes-,<lb/> Staats-, Kreis- und Gemeinde-Raths hinweiſen zu müſſen<lb/> glaube, die an die Stellen der erſten Kammern zu treten haben,<lb/> und durch die ich das geſellſchaftliche Jntereſſe am meiſten geför-<lb/> dert zu ſehen hoffe. Nur durch die geſellſchaftliche Umgeſtaltung<lb/> entgehen wir dem ſtaatlichen Wirrwar.</p> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <fw place="bottom" type="sig">3 *</fw><lb/> </body> </text> </TEI> [35/0045]
die abgetragenen Kleider der andern Nationen anziehen, ihre
Scheinverfaſſungen, ihren wechſelnden Vorort hinnehmen, — dazu
wird doch den Deutſchen endlich die Geduld reißen.
Als die freiſinnige Partei in Deutſchland ein gewähltes
Oberhaupt, eine freiſtaatliche Spitze wollte, da wollten die Män-
ner des Rückſchritts und das Stockpreußenthum die Einheit
Deutſchlands nur unter der Bedingung der erblichen Kaiſerwürde
der Hohenzollern. Und während nun die freiſinnige Partei darin
willigt, damit nur das Spiel einer deutſchen Bundespolizei und
das abwechſelnde Vorſchieben und Unberückſichtigtlaſſen der Bun-
desgewalt durch die Preußiſche Regierung aufhöre, will der Rück-
ſchritt, um es im Weſentlichen beim alten Bundestage zu laſſen,
eine „republikaniſche‟ Form, die Deutſchlands Einheit zum Schat-
ten macht. Sehen wir denn nicht, daß wir nur der Spielball aus-
wärtiger Mächte ſind, welche mit den alten, in London geſponne-
nen Künſten der tückiſchen Staatsklugheit Metternich’s das Zuſtande-
kommen einer ſtarken Macht im Herzen Europa’s um alles ver-
hindern wollen. Jch ſage aber, ehe dieſe nicht gegründet iſt,
ehe das Herz Europa’s nicht in freiern Schlägen wallt, unge-
hindert von jeder beängſtigenden Bedrückung, wird der Friede Euro-
pa’s nicht zu Stande kommen, und wir unter den Zuckungen der
ſtaatlichen Frage noch lange ſchmachten, — wenn nicht die geſell-
ſchaftliche den Knoten zerhaut. Was hilft die freieſte Verfaſſung,
wenn ſie nicht durch eine freiſinnige Regierung ausgeführt wird?
wenn die geſellſchaftlichen Verhältniſſe nicht geordnet ſind? An
ihre Beſprechung will ich mich alſo wenden, und zum Schluß
diejenige Verfaſſung hinſtellen, in welcher ich glaube, daß jene
Verhältniſſe ſich am ungehindertſten geſtalten können; wobei ich
ſchon jetzt die Leſer beſonders auf die Gliederung des Bundes-,
Staats-, Kreis- und Gemeinde-Raths hinweiſen zu müſſen
glaube, die an die Stellen der erſten Kammern zu treten haben,
und durch die ich das geſellſchaftliche Jntereſſe am meiſten geför-
dert zu ſehen hoffe. Nur durch die geſellſchaftliche Umgeſtaltung
entgehen wir dem ſtaatlichen Wirrwar.
3 *
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |