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Michelet, Karl Ludwig: Die Lösung der gesellschaftlichen Frage. Frankfurt (Oder) u. a., 1849.

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scheint mir jetzt, abgesehen von allen Theorien, das praktisch beste
Resultat zu sein. Daß das halbe Deutschland eine eigene Staats-
gewalt neben der Bundesgewalt des ganzen habe, scheint mir
praktisch unhaltbar; und darum muß ich dafür stimmen, daß
Preußen ganz in Deutschland aufgehe: was aber das Haus Ho-
henzollern nur unter der Bedingung der erblichen Kaiserkrone ein-
gehen wird. Sie aber ausschlagen, wenn auch ganz Europa dies
verlangte, hieße die deutsche Sache verlassen, welche 34. Millionen
Deutsche, trotz aller Hindernisse, dennoch durchführen werden.

Es ist für das Haus Hohenzollern die letzte, ich bin es
fest überzeugt, aber auch die günstigste Gelegenheit, seine Ge-
schicke, die Friedrich II. vorbereitete, zu erfüllen. Es war am
größten, als es dem Hause Habsburg feindlich gegenüberstand.
Auch jetzt wird es nur seine Bestimmung erreichen, wenn es sich
frei und offen für Deutschland erklärt und eine den Russischen und
Oesterreichischen Bestrebungen entgegengesetzte Richtung einschlägt.
Deutschland freilich muß dagegen die unbedingte Annahme seiner
Verfassung und des Wahlgesetzes, wie es in der ersten Lesung
durchging, verlangen. Diese aufrichtige Vereinbarung ist das ein-
zige Mittel, um uns vor unabsehbaren Wirren zu retten. Aber
ich gestehe, ich habe wenig Hoffnung, daß die jetzigen Rathgeber
der Preußischen Krone diesen meiner Ansicht nach einzigen Weg
des Heils einschlagen werden, um ihre Macht sofort in die Hände
eines volksthümlichen Deutschen Ministeriums zu überliefern. Mit
Deutschland ist uns dann auch der Rechtsboden Preußens wieder-
gewonnen. Berlin wird der Sitz der Bundesgewalt. Wir sind die
aufgedrungenen Gnadengeschenke los und die Minister die Verantwort-
lichkeit dafür. Nachdem die Preußische Regierung selbst auf so ge-
waltsame, ungesetzliche Weise sich der eigenen Volksvertreter entle-
digt hat, bleibt nichts übrig, als mit Frankfurt zu gehen, und
Preußen in Deutschland aufgehen lassen, wie es ja der König
selbst ursprünglich wollte. Sollte auch diese Hoffnung des erblichen
Kaiserthums der Hohenzollern schwinden, das Haus Habsburg
durchaus seine alten Vorrechte nicht aufgeben und die Wittels-
bacher den beiden andern Familien nachstreben wollen, so sehe ich
für das arme Deutschland in jenem Directorium von 9. Stimmen
nur den Keim des ungeheuersten Wirrwars. Denn immer nur

ſcheint mir jetzt, abgeſehen von allen Theorien, das praktiſch beſte
Reſultat zu ſein. Daß das halbe Deutſchland eine eigene Staats-
gewalt neben der Bundesgewalt des ganzen habe, ſcheint mir
praktiſch unhaltbar; und darum muß ich dafür ſtimmen, daß
Preußen ganz in Deutſchland aufgehe: was aber das Haus Ho-
henzollern nur unter der Bedingung der erblichen Kaiſerkrone ein-
gehen wird. Sie aber ausſchlagen, wenn auch ganz Europa dies
verlangte, hieße die deutſche Sache verlaſſen, welche 34. Millionen
Deutſche, trotz aller Hinderniſſe, dennoch durchführen werden.

Es iſt für das Haus Hohenzollern die letzte, ich bin es
feſt überzeugt, aber auch die günſtigſte Gelegenheit, ſeine Ge-
ſchicke, die Friedrich II. vorbereitete, zu erfüllen. Es war am
größten, als es dem Hauſe Habsburg feindlich gegenüberſtand.
Auch jetzt wird es nur ſeine Beſtimmung erreichen, wenn es ſich
frei und offen für Deutſchland erklärt und eine den Ruſſiſchen und
Oeſterreichiſchen Beſtrebungen entgegengeſetzte Richtung einſchlägt.
Deutſchland freilich muß dagegen die unbedingte Annahme ſeiner
Verfaſſung und des Wahlgeſetzes, wie es in der erſten Leſung
durchging, verlangen. Dieſe aufrichtige Vereinbarung iſt das ein-
zige Mittel, um uns vor unabſehbaren Wirren zu retten. Aber
ich geſtehe, ich habe wenig Hoffnung, daß die jetzigen Rathgeber
der Preußiſchen Krone dieſen meiner Anſicht nach einzigen Weg
des Heils einſchlagen werden, um ihre Macht ſofort in die Hände
eines volksthümlichen Deutſchen Miniſteriums zu überliefern. Mit
Deutſchland iſt uns dann auch der Rechtsboden Preußens wieder-
gewonnen. Berlin wird der Sitz der Bundesgewalt. Wir ſind die
aufgedrungenen Gnadengeſchenke los und die Miniſter die Verantwort-
lichkeit dafür. Nachdem die Preußiſche Regierung ſelbſt auf ſo ge-
waltſame, ungeſetzliche Weiſe ſich der eigenen Volksvertreter entle-
digt hat, bleibt nichts übrig, als mit Frankfurt zu gehen, und
Preußen in Deutſchland aufgehen laſſen, wie es ja der König
ſelbſt urſprünglich wollte. Sollte auch dieſe Hoffnung des erblichen
Kaiſerthums der Hohenzollern ſchwinden, das Haus Habsburg
durchaus ſeine alten Vorrechte nicht aufgeben und die Wittels-
bacher den beiden andern Familien nachſtreben wollen, ſo ſehe ich
für das arme Deutſchland in jenem Directorium von 9. Stimmen
nur den Keim des ungeheuerſten Wirrwars. Denn immer nur

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[34/0044] ſcheint mir jetzt, abgeſehen von allen Theorien, das praktiſch beſte Reſultat zu ſein. Daß das halbe Deutſchland eine eigene Staats- gewalt neben der Bundesgewalt des ganzen habe, ſcheint mir praktiſch unhaltbar; und darum muß ich dafür ſtimmen, daß Preußen ganz in Deutſchland aufgehe: was aber das Haus Ho- henzollern nur unter der Bedingung der erblichen Kaiſerkrone ein- gehen wird. Sie aber ausſchlagen, wenn auch ganz Europa dies verlangte, hieße die deutſche Sache verlaſſen, welche 34. Millionen Deutſche, trotz aller Hinderniſſe, dennoch durchführen werden. Es iſt für das Haus Hohenzollern die letzte, ich bin es feſt überzeugt, aber auch die günſtigſte Gelegenheit, ſeine Ge- ſchicke, die Friedrich II. vorbereitete, zu erfüllen. Es war am größten, als es dem Hauſe Habsburg feindlich gegenüberſtand. Auch jetzt wird es nur ſeine Beſtimmung erreichen, wenn es ſich frei und offen für Deutſchland erklärt und eine den Ruſſiſchen und Oeſterreichiſchen Beſtrebungen entgegengeſetzte Richtung einſchlägt. Deutſchland freilich muß dagegen die unbedingte Annahme ſeiner Verfaſſung und des Wahlgeſetzes, wie es in der erſten Leſung durchging, verlangen. Dieſe aufrichtige Vereinbarung iſt das ein- zige Mittel, um uns vor unabſehbaren Wirren zu retten. Aber ich geſtehe, ich habe wenig Hoffnung, daß die jetzigen Rathgeber der Preußiſchen Krone dieſen meiner Anſicht nach einzigen Weg des Heils einſchlagen werden, um ihre Macht ſofort in die Hände eines volksthümlichen Deutſchen Miniſteriums zu überliefern. Mit Deutſchland iſt uns dann auch der Rechtsboden Preußens wieder- gewonnen. Berlin wird der Sitz der Bundesgewalt. Wir ſind die aufgedrungenen Gnadengeſchenke los und die Miniſter die Verantwort- lichkeit dafür. Nachdem die Preußiſche Regierung ſelbſt auf ſo ge- waltſame, ungeſetzliche Weiſe ſich der eigenen Volksvertreter entle- digt hat, bleibt nichts übrig, als mit Frankfurt zu gehen, und Preußen in Deutſchland aufgehen laſſen, wie es ja der König ſelbſt urſprünglich wollte. Sollte auch dieſe Hoffnung des erblichen Kaiſerthums der Hohenzollern ſchwinden, das Haus Habsburg durchaus ſeine alten Vorrechte nicht aufgeben und die Wittels- bacher den beiden andern Familien nachſtreben wollen, ſo ſehe ich für das arme Deutſchland in jenem Directorium von 9. Stimmen nur den Keim des ungeheuerſten Wirrwars. Denn immer nur

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Zitationshilfe: Michelet, Karl Ludwig: Die Lösung der gesellschaftlichen Frage. Frankfurt (Oder) u. a., 1849, S. 34. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/michelet_loesung_1849/44>, abgerufen am 24.11.2024.