derselben abgeschlagen hatte, wurde aus diesem Grunde am 11. November aufgelöst, "um einem solchen die Ordnung gefährdenden Streben ein Ziel zu setzen." Und weil dieser Grund doch gar zu sehr dem Gesetze, auf das man sich berief, um sie aufzulösen, zuwider war, wurde später ein noch lächerlicherer hinzugefügt, -- "damit nämlich bei einem entstehenden Kampfe die guten Bürger, welche mit den Waffen in der Hand den Soldaten zur Hülfe eilen würden, nicht mit denjenigen verwechselt würden, welche sich den- selben entgegensetzen würden"!
So sicher war die Rückschrittspartei, daß es zum Kampfe kommen würde, daß sie sich sogar in ihren im Voraus gedruckten Erlassen darauf bezogen hatte. Das Beispiel Wiens hat aber die Bevölkerung Berlins vor dem Schicksale dieser Stadt gewarnt. Hätte sich ein Kampf entsponnen, dessen Ausgang unzweifelhaft war, so galt Kriegsrecht und der Sieger hatte die im März ver- lorene Schlacht wiedergewonnen. Die Garde, sagte man, dür- stete nach dem Augenblicke, diese Scharte auszuwetzen. Das Berliner Volk wollte aber nicht einen brudermörderischen Kampf eingehen, auf die Gefahr hin, der Feigheit bezüchtigt zu werden; was auch in der That mehrfach geschehen ist. Die Blätter der äußersten Richtung drängten zwar immer auf diesen Kampf hin, verlangten Leichen für den Königlichen Aar, und sahen darin die Ehre des Königthums. Das Volk bewies aber am Besten, daß es die "rothe Republik" nicht wolle, indem es der "rothen Mo- narchie" keine Gelegenheit gab, sich zu bethätigen. Das Volk stellte sich auf den Rechtsboden, den das Ministerium zu verlassen anfing; und dieses trat in die Fußstapfen der von ihm bekämpf- ten "anarchischen Partei", indem es die Gewalt an die Stelle des Rechts setzte. Daß diese Rechtsverletzung eine Rothwendig- keit war, muß durchaus geläugnet werden, indem mir scheint, daß die Befürchtung des Freistaats, die zum Grund der immer stei- genden Gewaltmaßregeln gemacht wurde, eben durch das Festhal- ten des Rechtsbodens am sichersten entfernt wurde (denn die Krone stand unbezweifelt auf dem Rechtsboden), während die Be- rufung auf die rohe Gewalt vielmehr alle Rechtsverhältnisse in Frage zu stellen droht und die Gewalt an die Stelle des Rechts setzt. Es gab gesetzmäßigere Mittel, um die Wiederkehr aufrüh-
derſelben abgeſchlagen hatte, wurde aus dieſem Grunde am 11. November aufgelöſt, „um einem ſolchen die Ordnung gefährdenden Streben ein Ziel zu ſetzen.‟ Und weil dieſer Grund doch gar zu ſehr dem Geſetze, auf das man ſich berief, um ſie aufzulöſen, zuwider war, wurde ſpäter ein noch lächerlicherer hinzugefügt, — „damit nämlich bei einem entſtehenden Kampfe die guten Bürger, welche mit den Waffen in der Hand den Soldaten zur Hülfe eilen würden, nicht mit denjenigen verwechſelt würden, welche ſich den- ſelben entgegenſetzen würden‟!
So ſicher war die Rückſchrittspartei, daß es zum Kampfe kommen würde, daß ſie ſich ſogar in ihren im Voraus gedruckten Erlaſſen darauf bezogen hatte. Das Beiſpiel Wiens hat aber die Bevölkerung Berlins vor dem Schickſale dieſer Stadt gewarnt. Hätte ſich ein Kampf entſponnen, deſſen Ausgang unzweifelhaft war, ſo galt Kriegsrecht und der Sieger hatte die im März ver- lorene Schlacht wiedergewonnen. Die Garde, ſagte man, dür- ſtete nach dem Augenblicke, dieſe Scharte auszuwetzen. Das Berliner Volk wollte aber nicht einen brudermörderiſchen Kampf eingehen, auf die Gefahr hin, der Feigheit bezüchtigt zu werden; was auch in der That mehrfach geſchehen iſt. Die Blätter der äußerſten Richtung drängten zwar immer auf dieſen Kampf hin, verlangten Leichen für den Königlichen Aar, und ſahen darin die Ehre des Königthums. Das Volk bewies aber am Beſten, daß es die „rothe Republik‟ nicht wolle, indem es der „rothen Mo- narchie‟ keine Gelegenheit gab, ſich zu bethätigen. Das Volk ſtellte ſich auf den Rechtsboden, den das Miniſterium zu verlaſſen anfing; und dieſes trat in die Fußſtapfen der von ihm bekämpf- ten „anarchiſchen Partei‟, indem es die Gewalt an die Stelle des Rechts ſetzte. Daß dieſe Rechtsverletzung eine Rothwendig- keit war, muß durchaus geläugnet werden, indem mir ſcheint, daß die Befürchtung des Freiſtaats, die zum Grund der immer ſtei- genden Gewaltmaßregeln gemacht wurde, eben durch das Feſthal- ten des Rechtsbodens am ſicherſten entfernt wurde (denn die Krone ſtand unbezweifelt auf dem Rechtsboden), während die Be- rufung auf die rohe Gewalt vielmehr alle Rechtsverhältniſſe in Frage zu ſtellen droht und die Gewalt an die Stelle des Rechts ſetzt. Es gab geſetzmäßigere Mittel, um die Wiederkehr aufrüh-
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derſelben abgeſchlagen hatte, wurde aus dieſem Grunde am
11. November aufgelöſt, „um einem ſolchen die Ordnung gefährdenden
Streben ein Ziel zu ſetzen.‟ Und weil dieſer Grund doch gar
zu ſehr dem Geſetze, auf das man ſich berief, um ſie aufzulöſen,
zuwider war, wurde ſpäter ein noch lächerlicherer hinzugefügt, —
„damit nämlich bei einem entſtehenden Kampfe die guten Bürger,
welche mit den Waffen in der Hand den Soldaten zur Hülfe eilen
würden, nicht mit denjenigen verwechſelt würden, welche ſich den-
ſelben entgegenſetzen würden‟!
So ſicher war die Rückſchrittspartei, daß es zum Kampfe
kommen würde, daß ſie ſich ſogar in ihren im Voraus gedruckten
Erlaſſen darauf bezogen hatte. Das Beiſpiel Wiens hat aber
die Bevölkerung Berlins vor dem Schickſale dieſer Stadt gewarnt.
Hätte ſich ein Kampf entſponnen, deſſen Ausgang unzweifelhaft
war, ſo galt Kriegsrecht und der Sieger hatte die im März ver-
lorene Schlacht wiedergewonnen. Die Garde, ſagte man, dür-
ſtete nach dem Augenblicke, dieſe Scharte auszuwetzen. Das
Berliner Volk wollte aber nicht einen brudermörderiſchen Kampf
eingehen, auf die Gefahr hin, der Feigheit bezüchtigt zu werden;
was auch in der That mehrfach geſchehen iſt. Die Blätter der
äußerſten Richtung drängten zwar immer auf dieſen Kampf hin,
verlangten Leichen für den Königlichen Aar, und ſahen darin die
Ehre des Königthums. Das Volk bewies aber am Beſten, daß
es die „rothe Republik‟ nicht wolle, indem es der „rothen Mo-
narchie‟ keine Gelegenheit gab, ſich zu bethätigen. Das Volk
ſtellte ſich auf den Rechtsboden, den das Miniſterium zu verlaſſen
anfing; und dieſes trat in die Fußſtapfen der von ihm bekämpf-
ten „anarchiſchen Partei‟, indem es die Gewalt an die Stelle
des Rechts ſetzte. Daß dieſe Rechtsverletzung eine Rothwendig-
keit war, muß durchaus geläugnet werden, indem mir ſcheint, daß
die Befürchtung des Freiſtaats, die zum Grund der immer ſtei-
genden Gewaltmaßregeln gemacht wurde, eben durch das Feſthal-
ten des Rechtsbodens am ſicherſten entfernt wurde (denn die
Krone ſtand unbezweifelt auf dem Rechtsboden), während die Be-
rufung auf die rohe Gewalt vielmehr alle Rechtsverhältniſſe in
Frage zu ſtellen droht und die Gewalt an die Stelle des Rechts
ſetzt. Es gab geſetzmäßigere Mittel, um die Wiederkehr aufrüh-
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Michelet, Karl Ludwig: Die Lösung der gesellschaftlichen Frage. Frankfurt (Oder) u. a., 1849, S. 14. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/michelet_loesung_1849/24>, abgerufen am 16.02.2025.
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