Meyr, Melchior: Der Sieg des Schwachen. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 9. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 47–255. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.schlag. Das Entgegenkommen war so über alle Erwartung, daß es ihn förmlich blendete. Zu gleicher Zeit fühlte er aber auch unwiderstehlich, was er dabei riskirte und -- verübte. Die Wohnung des Geistlichen war für den wohlgezogenen Burschen ein Ort, vor dem er eine heilige Scheu trug. Er hatte ein dumpfes Gefühl von etwas Verbotenem, Nichtseinsollendem, ja Frevelhaftem, was er begehen sollte, um dafür die grausamste Strafe zu empfangen. Von entgegengesetzten Gefühlen bewegt, erwiderte er erst nach merklicher Pause und das Wort hinausdehnend: Ins -- Pfarrhaus? -- Nun ja, versetzte die Bäbe. Um elf Uhr schlafen sie fest. Dann kommst du, ich laß' dich ins Haus, wir gehen sachte in meine Kammer, und ich sage dir in aller Ruhe, was wir thun müssen, um zusammenzukommen und glücklich zu werden. -- Bäbe, rief der geängstete Schneider, dessen Phantasie bei den Worten des Mädchens lebhaft gearbeitet hatte, ich muß dir gestehen -- wenn du einen andern Ort wüßtest -- -- Nun, fragte die Bäbe, schreckt dich denn der? Du wolltest ja vorhin in die Hölle gehen, wenn's darauf ankam! -- Ja, meinte der Tobias, in die Hölle lieber, als ins Pfarrhaus! -- Aber warum denn? fragte das Mädchen, indem sie ihre Ungeduld zu bemeistern suchte. -- Wenn man was hörte, wenn man uns beisammen träfe -- der Teufel hat sein Spiel! -- Die Schande! -- im Pfarrhaus! -- Die Bäbe mußte ihr von Unmuth gedrücktes Herz schlag. Das Entgegenkommen war so über alle Erwartung, daß es ihn förmlich blendete. Zu gleicher Zeit fühlte er aber auch unwiderstehlich, was er dabei riskirte und — verübte. Die Wohnung des Geistlichen war für den wohlgezogenen Burschen ein Ort, vor dem er eine heilige Scheu trug. Er hatte ein dumpfes Gefühl von etwas Verbotenem, Nichtseinsollendem, ja Frevelhaftem, was er begehen sollte, um dafür die grausamste Strafe zu empfangen. Von entgegengesetzten Gefühlen bewegt, erwiderte er erst nach merklicher Pause und das Wort hinausdehnend: Ins — Pfarrhaus? — Nun ja, versetzte die Bäbe. Um elf Uhr schlafen sie fest. Dann kommst du, ich laß' dich ins Haus, wir gehen sachte in meine Kammer, und ich sage dir in aller Ruhe, was wir thun müssen, um zusammenzukommen und glücklich zu werden. — Bäbe, rief der geängstete Schneider, dessen Phantasie bei den Worten des Mädchens lebhaft gearbeitet hatte, ich muß dir gestehen — wenn du einen andern Ort wüßtest — — Nun, fragte die Bäbe, schreckt dich denn der? Du wolltest ja vorhin in die Hölle gehen, wenn's darauf ankam! — Ja, meinte der Tobias, in die Hölle lieber, als ins Pfarrhaus! — Aber warum denn? fragte das Mädchen, indem sie ihre Ungeduld zu bemeistern suchte. — Wenn man was hörte, wenn man uns beisammen träfe — der Teufel hat sein Spiel! — Die Schande! — im Pfarrhaus! — Die Bäbe mußte ihr von Unmuth gedrücktes Herz <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="3"> <p><pb facs="#f0087"/> schlag. Das Entgegenkommen war so über alle Erwartung, daß es ihn förmlich blendete. Zu gleicher Zeit fühlte er aber auch unwiderstehlich, was er dabei riskirte und — verübte. Die Wohnung des Geistlichen war für den wohlgezogenen Burschen ein Ort, vor dem er eine heilige Scheu trug. Er hatte ein dumpfes Gefühl von etwas Verbotenem, Nichtseinsollendem, ja Frevelhaftem, was er begehen sollte, um dafür die grausamste Strafe zu empfangen. Von entgegengesetzten Gefühlen bewegt, erwiderte er erst nach merklicher Pause und das Wort hinausdehnend: Ins — Pfarrhaus? — Nun ja, versetzte die Bäbe. Um elf Uhr schlafen sie fest. Dann kommst du, ich laß' dich ins Haus, wir gehen sachte in meine Kammer, und ich sage dir in aller Ruhe, was wir thun müssen, um zusammenzukommen und glücklich zu werden. — Bäbe, rief der geängstete Schneider, dessen Phantasie bei den Worten des Mädchens lebhaft gearbeitet hatte, ich muß dir gestehen — wenn du einen andern Ort wüßtest — — Nun, fragte die Bäbe, schreckt dich denn der? Du wolltest ja vorhin in die Hölle gehen, wenn's darauf ankam! — Ja, meinte der Tobias, in die Hölle lieber, als ins Pfarrhaus! — Aber warum denn? fragte das Mädchen, indem sie ihre Ungeduld zu bemeistern suchte. — Wenn man was hörte, wenn man uns beisammen träfe — der Teufel hat sein Spiel! — Die Schande! — im Pfarrhaus! —</p><lb/> <p>Die Bäbe mußte ihr von Unmuth gedrücktes Herz<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0087]
schlag. Das Entgegenkommen war so über alle Erwartung, daß es ihn förmlich blendete. Zu gleicher Zeit fühlte er aber auch unwiderstehlich, was er dabei riskirte und — verübte. Die Wohnung des Geistlichen war für den wohlgezogenen Burschen ein Ort, vor dem er eine heilige Scheu trug. Er hatte ein dumpfes Gefühl von etwas Verbotenem, Nichtseinsollendem, ja Frevelhaftem, was er begehen sollte, um dafür die grausamste Strafe zu empfangen. Von entgegengesetzten Gefühlen bewegt, erwiderte er erst nach merklicher Pause und das Wort hinausdehnend: Ins — Pfarrhaus? — Nun ja, versetzte die Bäbe. Um elf Uhr schlafen sie fest. Dann kommst du, ich laß' dich ins Haus, wir gehen sachte in meine Kammer, und ich sage dir in aller Ruhe, was wir thun müssen, um zusammenzukommen und glücklich zu werden. — Bäbe, rief der geängstete Schneider, dessen Phantasie bei den Worten des Mädchens lebhaft gearbeitet hatte, ich muß dir gestehen — wenn du einen andern Ort wüßtest — — Nun, fragte die Bäbe, schreckt dich denn der? Du wolltest ja vorhin in die Hölle gehen, wenn's darauf ankam! — Ja, meinte der Tobias, in die Hölle lieber, als ins Pfarrhaus! — Aber warum denn? fragte das Mädchen, indem sie ihre Ungeduld zu bemeistern suchte. — Wenn man was hörte, wenn man uns beisammen träfe — der Teufel hat sein Spiel! — Die Schande! — im Pfarrhaus! —
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Zitationshilfe: | Meyr, Melchior: Der Sieg des Schwachen. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 9. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 47–255. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyr_schwachen_1910/87>, abgerufen am 26.06.2024. |