Meyr, Melchior: Der Sieg des Schwachen. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 9. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 47–255. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.hersah, begann er sie zu loben, wie sie so schön sei und so geschickt, und daß es kein Mädchen im ganzen Dorf gebe, wie sie. Darauf konnte sie das begreiflich nur ablehnen und ihrerseits ihn loben, und das machte sich der Schneider zu nutze. Ja, entgegnete er, wenn er so Einer wäre, und wenn sie wirklich so von ihm dächte, das wäre eine Red' werth; denn so ein Mädchen, wie sie, hätte er sein Lebtag nicht gesehen, und wenn ihn so Eine möchte, dann würde er mit dem König nicht tauschen. Hierauf lächelte die Bäbe gar nicht abschreckend, und Tobias rief in aller Treuherzigkeit der Hoffnung und der Freude: Könntest du mich gern haben, Bäbe? Könnt's möglich sein? Sag's! -- Und die Bäbe erwiderte mit Holdseligkeit: Ich sag' nicht nein! Aber so schnell geht das doch auch nicht; wir müssen uns doch erst näher kennen lernen.! -- Was braucht's da näher kennen lernen, rief der Schneider heroisch; wir sind ein Paar -- komm, gieb mir deine Hand darauf! -- Als der Schneider die seine hinstreckte, zögerte das Mädchen; aber er drängte, und sie gab ihm ihre Hand, indem sie sagte: Nun, in Gottesnamen -- weil du's nicht anders thust! Der Bund war geschlossen -- der Schneider im höchsten Aufschwung der Freude. Als er wieder heimkam und in die Stube trat, mußte er sich ordentlich Gewalt anthun, um die Lust, die ihn durchwogte und ihm wie Feuer aus dem Backen ging, nicht so auffällig werden zu lassen, daß zuletzt der Alte etwas merkte und ihn hersah, begann er sie zu loben, wie sie so schön sei und so geschickt, und daß es kein Mädchen im ganzen Dorf gebe, wie sie. Darauf konnte sie das begreiflich nur ablehnen und ihrerseits ihn loben, und das machte sich der Schneider zu nutze. Ja, entgegnete er, wenn er so Einer wäre, und wenn sie wirklich so von ihm dächte, das wäre eine Red' werth; denn so ein Mädchen, wie sie, hätte er sein Lebtag nicht gesehen, und wenn ihn so Eine möchte, dann würde er mit dem König nicht tauschen. Hierauf lächelte die Bäbe gar nicht abschreckend, und Tobias rief in aller Treuherzigkeit der Hoffnung und der Freude: Könntest du mich gern haben, Bäbe? Könnt's möglich sein? Sag's! — Und die Bäbe erwiderte mit Holdseligkeit: Ich sag' nicht nein! Aber so schnell geht das doch auch nicht; wir müssen uns doch erst näher kennen lernen.! — Was braucht's da näher kennen lernen, rief der Schneider heroisch; wir sind ein Paar — komm, gieb mir deine Hand darauf! — Als der Schneider die seine hinstreckte, zögerte das Mädchen; aber er drängte, und sie gab ihm ihre Hand, indem sie sagte: Nun, in Gottesnamen — weil du's nicht anders thust! Der Bund war geschlossen — der Schneider im höchsten Aufschwung der Freude. Als er wieder heimkam und in die Stube trat, mußte er sich ordentlich Gewalt anthun, um die Lust, die ihn durchwogte und ihm wie Feuer aus dem Backen ging, nicht so auffällig werden zu lassen, daß zuletzt der Alte etwas merkte und ihn <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="1"> <p><pb facs="#f0031"/> hersah, begann er sie zu loben, wie sie so schön sei und so geschickt, und daß es kein Mädchen im ganzen Dorf gebe, wie sie. Darauf konnte sie das begreiflich nur ablehnen und ihrerseits ihn loben, und das machte sich der Schneider zu nutze. Ja, entgegnete er, wenn er so Einer wäre, und wenn sie wirklich so von ihm dächte, das wäre eine Red' werth; denn so ein Mädchen, wie sie, hätte er sein Lebtag nicht gesehen, und wenn ihn so Eine möchte, dann würde er mit dem König nicht tauschen. Hierauf lächelte die Bäbe gar nicht abschreckend, und Tobias rief in aller Treuherzigkeit der Hoffnung und der Freude: Könntest du mich gern haben, Bäbe? Könnt's möglich sein? Sag's! — Und die Bäbe erwiderte mit Holdseligkeit: Ich sag' nicht nein! Aber so schnell geht das doch auch nicht; wir müssen uns doch erst näher kennen lernen.! — Was braucht's da näher kennen lernen, rief der Schneider heroisch; wir sind ein Paar — komm, gieb mir deine Hand darauf! — Als der Schneider die seine hinstreckte, zögerte das Mädchen; aber er drängte, und sie gab ihm ihre Hand, indem sie sagte: Nun, in Gottesnamen — weil du's nicht anders thust!</p><lb/> <p>Der Bund war geschlossen — der Schneider im höchsten Aufschwung der Freude. Als er wieder heimkam und in die Stube trat, mußte er sich ordentlich Gewalt anthun, um die Lust, die ihn durchwogte und ihm wie Feuer aus dem Backen ging, nicht so auffällig werden zu lassen, daß zuletzt der Alte etwas merkte und ihn<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0031]
hersah, begann er sie zu loben, wie sie so schön sei und so geschickt, und daß es kein Mädchen im ganzen Dorf gebe, wie sie. Darauf konnte sie das begreiflich nur ablehnen und ihrerseits ihn loben, und das machte sich der Schneider zu nutze. Ja, entgegnete er, wenn er so Einer wäre, und wenn sie wirklich so von ihm dächte, das wäre eine Red' werth; denn so ein Mädchen, wie sie, hätte er sein Lebtag nicht gesehen, und wenn ihn so Eine möchte, dann würde er mit dem König nicht tauschen. Hierauf lächelte die Bäbe gar nicht abschreckend, und Tobias rief in aller Treuherzigkeit der Hoffnung und der Freude: Könntest du mich gern haben, Bäbe? Könnt's möglich sein? Sag's! — Und die Bäbe erwiderte mit Holdseligkeit: Ich sag' nicht nein! Aber so schnell geht das doch auch nicht; wir müssen uns doch erst näher kennen lernen.! — Was braucht's da näher kennen lernen, rief der Schneider heroisch; wir sind ein Paar — komm, gieb mir deine Hand darauf! — Als der Schneider die seine hinstreckte, zögerte das Mädchen; aber er drängte, und sie gab ihm ihre Hand, indem sie sagte: Nun, in Gottesnamen — weil du's nicht anders thust!
Der Bund war geschlossen — der Schneider im höchsten Aufschwung der Freude. Als er wieder heimkam und in die Stube trat, mußte er sich ordentlich Gewalt anthun, um die Lust, die ihn durchwogte und ihm wie Feuer aus dem Backen ging, nicht so auffällig werden zu lassen, daß zuletzt der Alte etwas merkte und ihn
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