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Meyr, Melchior: Der Sieg des Schwachen. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 9. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 47–255. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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mußte gleichwohl heraus aus ihm, wenn's einmal nicht anders ging; denn die Sibylle nahm er nicht -- um die ganze Welt nicht.

Fürs Erste konnte er freilich Ruhe haben. Er brauchte ja dem Alten nichts zu sagen, konnte sein Glück für sich behalten und mit der Sibylle die Sache hinziehen, sich durch Ausreden helfen! -- Unterdessen fiel etwas vor; ihm oder der Bäbe stand unverhofft ein Glück an, und Alles machte sich endlich von selber -- wer wußte das? -- Er wollte die schöne Pfarrmagd vor der Hand im Stillen lieben, ganz im Geheimen, so daß Niemand etwas davon wußte, als sie Beide. Aber dazu mußte er natürlich vor Allem erfahren, ob denn sie auch wirklich ihn mochte. --

Zwei Begegnungen, zwei kurze Unterhaltungen ohne Zeugen, die ihm sein gutes Glück bescherte, gaben ihm in dieser Hinsicht Gewißheit. In der ersten redete er von gleichgültigen Dingen, aber seine Augen sprachen mit einer Deutlichkeit, daß die Bäbe seinen ganzen Zustand erkannte. Es sah ordentlich komisch aus, wie er sie anguckte, als ob er gar nicht genug bekommen könnte; aber die Bäbe fand das nicht komisch, sondern diese Liebe rührte ihr Herz, und zum erstenmal zuckte auch in ihr der holde Blitz auf, der uns bezeugt, daß wir fortan nicht mehr uns selbst, sondern demjenigen angehören, der uns angehört.

Das Zweitemal grüßte er schon munterer und sprach sie vertrauter an. Da sie gar so gut und freundlich

mußte gleichwohl heraus aus ihm, wenn's einmal nicht anders ging; denn die Sibylle nahm er nicht — um die ganze Welt nicht.

Fürs Erste konnte er freilich Ruhe haben. Er brauchte ja dem Alten nichts zu sagen, konnte sein Glück für sich behalten und mit der Sibylle die Sache hinziehen, sich durch Ausreden helfen! — Unterdessen fiel etwas vor; ihm oder der Bäbe stand unverhofft ein Glück an, und Alles machte sich endlich von selber — wer wußte das? — Er wollte die schöne Pfarrmagd vor der Hand im Stillen lieben, ganz im Geheimen, so daß Niemand etwas davon wußte, als sie Beide. Aber dazu mußte er natürlich vor Allem erfahren, ob denn sie auch wirklich ihn mochte. —

Zwei Begegnungen, zwei kurze Unterhaltungen ohne Zeugen, die ihm sein gutes Glück bescherte, gaben ihm in dieser Hinsicht Gewißheit. In der ersten redete er von gleichgültigen Dingen, aber seine Augen sprachen mit einer Deutlichkeit, daß die Bäbe seinen ganzen Zustand erkannte. Es sah ordentlich komisch aus, wie er sie anguckte, als ob er gar nicht genug bekommen könnte; aber die Bäbe fand das nicht komisch, sondern diese Liebe rührte ihr Herz, und zum erstenmal zuckte auch in ihr der holde Blitz auf, der uns bezeugt, daß wir fortan nicht mehr uns selbst, sondern demjenigen angehören, der uns angehört.

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T14:49:07Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T14:49:07Z)

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Zitationshilfe: Meyr, Melchior: Der Sieg des Schwachen. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 9. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 47–255. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyr_schwachen_1910/30>, abgerufen am 24.11.2024.