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Meyr, Melchior: Der Sieg des Schwachen. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 9. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 47–255. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Burschen, die ich kenn', hier und anderwärts -- ich würde nie und zu keiner Zeit einen Andern wählen, als dich!

Das war zu viel für den Schneider. Von einem Wonneblitz durchzuckt stand er auf, zog die Bäbe mit empor, und die Liebenden, für einander Geborenen, fielen sich in überquellender Zärtlichkeit in die Arme und küßten sich nach dem Bedürfniß ihres Herzens. Der Kopf des Tobias fing an zu wirbeln; im Rausche der Glückseligkeit ward jeder Blutstropf in ihm ein Mann; er fühlte sich von einer Kraft und einem Muthe durchgossen, daß es ihm eine Kleinigkeit gedünkt hätte, nun seinerseits die Geliebte zu tragen, wohin sie wollte. Mit einer gewaltigen Stärke preßte er sie an sich, als wollte er sie nie wieder loslassen; die Bäbe hauchte bittend: Tobias! und suchte seine Glut zu mäßigen --

In demselben Momente pochte es an die Thüre. Das Liebespaar fuhr zusammen, stand und horchte athemlos. Bäbe, rief es draußen. Das Mädchen, unwissend, was sie antworten sollte, schwieg. Bäbe! wiederholte es stärker. -- Es war die Pfarrerin. -- Hatte sie etwas gehört? -- bedurfte sie ihrer sonst? -- Was es sein mochte: die Bäbe hatte ihre ganze Geistesgegenwart wieder. Nach einem schläfriggedehnten "Ah", als ob sie etwa erwachte, fragte sie: Wer -- ruft? -- Ich, die Pfarrerin, -- erwiderte es draußen. Kennst du meine Stimme nicht mehr, oder bist du noch im Schlaf? -- Der Ton dieser Worte hatte etwas Eigenthümliches, was der zur Bildsäule gewordene Tobias nicht heraus-

Burschen, die ich kenn', hier und anderwärts — ich würde nie und zu keiner Zeit einen Andern wählen, als dich!

Das war zu viel für den Schneider. Von einem Wonneblitz durchzuckt stand er auf, zog die Bäbe mit empor, und die Liebenden, für einander Geborenen, fielen sich in überquellender Zärtlichkeit in die Arme und küßten sich nach dem Bedürfniß ihres Herzens. Der Kopf des Tobias fing an zu wirbeln; im Rausche der Glückseligkeit ward jeder Blutstropf in ihm ein Mann; er fühlte sich von einer Kraft und einem Muthe durchgossen, daß es ihm eine Kleinigkeit gedünkt hätte, nun seinerseits die Geliebte zu tragen, wohin sie wollte. Mit einer gewaltigen Stärke preßte er sie an sich, als wollte er sie nie wieder loslassen; die Bäbe hauchte bittend: Tobias! und suchte seine Glut zu mäßigen —

In demselben Momente pochte es an die Thüre. Das Liebespaar fuhr zusammen, stand und horchte athemlos. Bäbe, rief es draußen. Das Mädchen, unwissend, was sie antworten sollte, schwieg. Bäbe! wiederholte es stärker. — Es war die Pfarrerin. — Hatte sie etwas gehört? — bedurfte sie ihrer sonst? — Was es sein mochte: die Bäbe hatte ihre ganze Geistesgegenwart wieder. Nach einem schläfriggedehnten „Ah“, als ob sie etwa erwachte, fragte sie: Wer — ruft? — Ich, die Pfarrerin, — erwiderte es draußen. Kennst du meine Stimme nicht mehr, oder bist du noch im Schlaf? — Der Ton dieser Worte hatte etwas Eigenthümliches, was der zur Bildsäule gewordene Tobias nicht heraus-

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[0104] Burschen, die ich kenn', hier und anderwärts — ich würde nie und zu keiner Zeit einen Andern wählen, als dich! Das war zu viel für den Schneider. Von einem Wonneblitz durchzuckt stand er auf, zog die Bäbe mit empor, und die Liebenden, für einander Geborenen, fielen sich in überquellender Zärtlichkeit in die Arme und küßten sich nach dem Bedürfniß ihres Herzens. Der Kopf des Tobias fing an zu wirbeln; im Rausche der Glückseligkeit ward jeder Blutstropf in ihm ein Mann; er fühlte sich von einer Kraft und einem Muthe durchgossen, daß es ihm eine Kleinigkeit gedünkt hätte, nun seinerseits die Geliebte zu tragen, wohin sie wollte. Mit einer gewaltigen Stärke preßte er sie an sich, als wollte er sie nie wieder loslassen; die Bäbe hauchte bittend: Tobias! und suchte seine Glut zu mäßigen — In demselben Momente pochte es an die Thüre. Das Liebespaar fuhr zusammen, stand und horchte athemlos. Bäbe, rief es draußen. Das Mädchen, unwissend, was sie antworten sollte, schwieg. Bäbe! wiederholte es stärker. — Es war die Pfarrerin. — Hatte sie etwas gehört? — bedurfte sie ihrer sonst? — Was es sein mochte: die Bäbe hatte ihre ganze Geistesgegenwart wieder. Nach einem schläfriggedehnten „Ah“, als ob sie etwa erwachte, fragte sie: Wer — ruft? — Ich, die Pfarrerin, — erwiderte es draußen. Kennst du meine Stimme nicht mehr, oder bist du noch im Schlaf? — Der Ton dieser Worte hatte etwas Eigenthümliches, was der zur Bildsäule gewordene Tobias nicht heraus-

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T14:49:07Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T14:49:07Z)

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Zitationshilfe: Meyr, Melchior: Der Sieg des Schwachen. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 9. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 47–255. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyr_schwachen_1910/104>, abgerufen am 27.11.2024.