Meyer, Johannes: Die grossen und seligen Thaten der Gnade. Zürich, 1759.Thaten der Gnade. I. Stück. alle Alter bis an die Pforte der Ewigkeitin der größten Sicherheit fortlaufet, ohne daß er sich jemahls auf seinen Wegen hätte aufhalten, und zu einer wahren Herzens- änderung bringen lassen; oder lässet er sich schon zu Zeiten aufwecken und bewegen, Gnade zu suchen, so ersticken seine gute Be- wegungen doch bald wieder: Er wird mü- de, ehe er den Weg des Friedens betretten, er höret auf arbeiten und kämpfen, ehe er zum Durchbruch und Siege gelanget. Wie manche Seele würde also bey allen Bemü- hungen der Liebe verlohren gehen, wenn nicht die langmüthige Gesinnungen dersel- ben, wenn nicht ihre unermüdete Anerbie- tungen sich immer aufs neue zeigen und of- fenbaren würden: Aber es scheinet, je mehr sich die Gefahr des Sünders häufe und ver- mehre, destomehr verdoppele die Liebe ihre Kräfte, die Seele noch auf dem Rande des Abgrundes zu ergreifen, und als ein Brand aus dem Feuer zu erretten. Ach wie freuet sich alsdenn der Hirt der Schaafe! wenn es ihm noch gelungen, dem Feinde den Raub abzujagen, und die Seele in die Sicherheit zu bringen. Wir haben in der Person, deren See- thigen A 4
Thaten der Gnade. I. Stuͤck. alle Alter bis an die Pforte der Ewigkeitin der groͤßten Sicherheit fortlaufet, ohne daß er ſich jemahls auf ſeinen Wegen haͤtte aufhalten, und zu einer wahren Herzens- aͤnderung bringen laſſen; oder laͤſſet er ſich ſchon zu Zeiten aufwecken und bewegen, Gnade zu ſuchen, ſo erſticken ſeine gute Be- wegungen doch bald wieder: Er wird muͤ- de, ehe er den Weg des Friedens betretten, er hoͤret auf arbeiten und kaͤmpfen, ehe er zum Durchbruch und Siege gelanget. Wie manche Seele wuͤrde alſo bey allen Bemuͤ- hungen der Liebe verlohren gehen, wenn nicht die langmuͤthige Geſinnungen derſel- ben, wenn nicht ihre unermuͤdete Anerbie- tungen ſich immer aufs neue zeigen und of- fenbaren wuͤrden: Aber es ſcheinet, je mehr ſich die Gefahr des Suͤnders haͤufe und ver- mehre, deſtomehr verdoppele die Liebe ihre Kraͤfte, die Seele noch auf dem Rande des Abgrundes zu ergreifen, und als ein Brand aus dem Feuer zu erretten. Ach wie freuet ſich alsdenn der Hirt der Schaafe! wenn es ihm noch gelungen, dem Feinde den Raub abzujagen, und die Seele in die Sicherheit zu bringen. Wir haben in der Perſon, deren See- thigen A 4
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Thaten der Gnade. I. Stuͤck.
alle Alter bis an die Pforte der Ewigkeit
in der groͤßten Sicherheit fortlaufet, ohne
daß er ſich jemahls auf ſeinen Wegen haͤtte
aufhalten, und zu einer wahren Herzens-
aͤnderung bringen laſſen; oder laͤſſet er ſich
ſchon zu Zeiten aufwecken und bewegen,
Gnade zu ſuchen, ſo erſticken ſeine gute Be-
wegungen doch bald wieder: Er wird muͤ-
de, ehe er den Weg des Friedens betretten,
er hoͤret auf arbeiten und kaͤmpfen, ehe er
zum Durchbruch und Siege gelanget. Wie
manche Seele wuͤrde alſo bey allen Bemuͤ-
hungen der Liebe verlohren gehen, wenn
nicht die langmuͤthige Geſinnungen derſel-
ben, wenn nicht ihre unermuͤdete Anerbie-
tungen ſich immer aufs neue zeigen und of-
fenbaren wuͤrden: Aber es ſcheinet, je mehr
ſich die Gefahr des Suͤnders haͤufe und ver-
mehre, deſtomehr verdoppele die Liebe ihre
Kraͤfte, die Seele noch auf dem Rande
des Abgrundes zu ergreifen, und als ein
Brand aus dem Feuer zu erretten. Ach
wie freuet ſich alsdenn der Hirt der Schaafe!
wenn es ihm noch gelungen, dem Feinde
den Raub abzujagen, und die Seele in die
Sicherheit zu bringen.
Wir haben in der Perſon, deren See-
lenfuͤhrung hier ſoll erzaͤhlet werden, ein
Beyſpiel von dieſer um die Seligkeit der
Menſchen eifernden, ſehnenden und langmuͤ-
thigen
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