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Meyer, Johannes: Die grossen und seligen Thaten der Gnade. Zürich, 1759.

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Der grossen und seligen
thigen Liebe, und gleichsam ein ausserordent-
liches Denkmahl, was sie durch die grossen
und seligen Thaten der Gnade auch bey der
äussersten Gefahr der Seele noch thun kön-
ne, um dieselbe aus dem Rachen des Todes
zu reissen, und in das göttliche Leben zu
versetzen, ja wie sie vermögend seye, einen
Menschen nicht nur auf dem äussersten En-
de seiner Sünden und Todeswegen aufzu-
halten, sondern gar unter denen Thoren der
Stadt des Verderbens zu ergreifen, und
auf eine mächtige und schnelle Weise mitten
in Jerusalem zu führen. Es wird aber jeder-
mann, der dieses lieset, sehr angelegen ge-
beten, dieses schöne Exempel der Gnade doch
nicht dazu zu mißbrauchen, seine Bekehrung
bis in das Alter oder gar auf das Todten-
bette aufzuschieben. Es ist wahr, die Gna-
de machte diese Seele zu einer schönen und
lieblich riechenden und blühenden Blume in
dem Winter, aber wer weißt auch nicht,
daß diese Pflanzen sehr selten zu finden sind.
Freylich ist dem HErrn alles möglich; er
ist auch unendlich willig, zu helfen und zu
erretten: Aber wie hart haltet es bey einem
Sünder nicht! der die um seine Seele buh-
lende Liebe in dem ganzen Leben mit Füssen
getretten, und dagegen der Sünde Leib und
Seele geweihet und aufgeopfert, wenn noch
am Ende des Lebens für die ungeheure und

durch

Der groſſen und ſeligen
thigen Liebe, und gleichſam ein auſſerordent-
liches Denkmahl, was ſie durch die groſſen
und ſeligen Thaten der Gnade auch bey der
aͤuſſerſten Gefahr der Seele noch thun koͤn-
ne, um dieſelbe aus dem Rachen des Todes
zu reiſſen, und in das goͤttliche Leben zu
verſetzen, ja wie ſie vermoͤgend ſeye, einen
Menſchen nicht nur auf dem aͤuſſerſten En-
de ſeiner Suͤnden und Todeswegen aufzu-
halten, ſondern gar unter denen Thoren der
Stadt des Verderbens zu ergreifen, und
auf eine maͤchtige und ſchnelle Weiſe mitten
in Jeruſalem zu fuͤhren. Es wird aber jeder-
mann, der dieſes lieſet, ſehr angelegen ge-
beten, dieſes ſchoͤne Exempel der Gnade doch
nicht dazu zu mißbrauchen, ſeine Bekehrung
bis in das Alter oder gar auf das Todten-
bette aufzuſchieben. Es iſt wahr, die Gna-
de machte dieſe Seele zu einer ſchoͤnen und
lieblich riechenden und bluͤhenden Blume in
dem Winter, aber wer weißt auch nicht,
daß dieſe Pflanzen ſehr ſelten zu finden ſind.
Freylich iſt dem HErrn alles moͤglich; er
iſt auch unendlich willig, zu helfen und zu
erretten: Aber wie hart haltet es bey einem
Suͤnder nicht! der die um ſeine Seele buh-
lende Liebe in dem ganzen Leben mit Fuͤſſen
getretten, und dagegen der Suͤnde Leib und
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[8/0060] Der groſſen und ſeligen thigen Liebe, und gleichſam ein auſſerordent- liches Denkmahl, was ſie durch die groſſen und ſeligen Thaten der Gnade auch bey der aͤuſſerſten Gefahr der Seele noch thun koͤn- ne, um dieſelbe aus dem Rachen des Todes zu reiſſen, und in das goͤttliche Leben zu verſetzen, ja wie ſie vermoͤgend ſeye, einen Menſchen nicht nur auf dem aͤuſſerſten En- de ſeiner Suͤnden und Todeswegen aufzu- halten, ſondern gar unter denen Thoren der Stadt des Verderbens zu ergreifen, und auf eine maͤchtige und ſchnelle Weiſe mitten in Jeruſalem zu fuͤhren. Es wird aber jeder- mann, der dieſes lieſet, ſehr angelegen ge- beten, dieſes ſchoͤne Exempel der Gnade doch nicht dazu zu mißbrauchen, ſeine Bekehrung bis in das Alter oder gar auf das Todten- bette aufzuſchieben. Es iſt wahr, die Gna- de machte dieſe Seele zu einer ſchoͤnen und lieblich riechenden und bluͤhenden Blume in dem Winter, aber wer weißt auch nicht, daß dieſe Pflanzen ſehr ſelten zu finden ſind. Freylich iſt dem HErrn alles moͤglich; er iſt auch unendlich willig, zu helfen und zu erretten: Aber wie hart haltet es bey einem Suͤnder nicht! der die um ſeine Seele buh- lende Liebe in dem ganzen Leben mit Fuͤſſen getretten, und dagegen der Suͤnde Leib und Seele geweihet und aufgeopfert, wenn noch am Ende des Lebens fuͤr die ungeheure und durch

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Zitationshilfe: Meyer, Johannes: Die grossen und seligen Thaten der Gnade. Zürich, 1759, S. 8. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_wiedergebohrne_1759/60>, abgerufen am 28.04.2024.