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Meyer, Johannes: Die grossen und seligen Thaten der Gnade. Zürich, 1759.

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Der grossen und seligen
(und vielleicht wider deinen Willen) un-
nütze bist, der Welt und ihren Lüsten zu
dienen, und da die Schmerzen der Krank-
heit, und die Angst für dem was zukünftig
ist, auch dem härtesten Sünder einige Be-
wegungen zur Busse abdringen, und ihn
vermögen können, Bekänntnisse der Reue,
und Besserung zu zeigen, die aber bey de-
nen meisten wie ein Dampf wieder verflie-
gen, so bald der HErr von der Krankheit
wieder aufhilfet, und das Gewissen wieder
Luft kriegt. Wie verdächtig aller Anschein
zur Bekehrung auf dem Todtenbette sey,
zeigen die vielen Exempel solcher, die nach
ihrer Errettung von Krankheit und Tode,
ärger als zuvor der Sünde und ihrem Flei-
sche dienen. Lasse sich also jedermann zur
Bekehrung locken, weil der Geist JEsu
darzu antreibet.

Da also gedachtem Montage bey un-
serer seligen Person sich der unvermuthete
Botte zeigte, der die Todespost überbrachte,
und gewaltig ins Herze hineinrufte: Be-
stelle dein Hauß, denn du wirst sterben;
so lässet sie am Mitwochen in der Frühe den
Prediger zu sich bitten, der denn auch un-
gesäumet sich zu ihr verfügte. Da fande
er einen Anblick, der wechselsweise ihn zu
einem eben so zärtlichen Mitleiden, als inni-
ger und herzlicher Freude bewegte. Er sahe

vor

Der groſſen und ſeligen
(und vielleicht wider deinen Willen) un-
nuͤtze biſt, der Welt und ihren Luͤſten zu
dienen, und da die Schmerzen der Krank-
heit, und die Angſt fuͤr dem was zukuͤnftig
iſt, auch dem haͤrteſten Suͤnder einige Be-
wegungen zur Buſſe abdringen, und ihn
vermoͤgen koͤnnen, Bekaͤnntniſſe der Reue,
und Beſſerung zu zeigen, die aber bey de-
nen meiſten wie ein Dampf wieder verflie-
gen, ſo bald der HErr von der Krankheit
wieder aufhilfet, und das Gewiſſen wieder
Luft kriegt. Wie verdaͤchtig aller Anſchein
zur Bekehrung auf dem Todtenbette ſey,
zeigen die vielen Exempel ſolcher, die nach
ihrer Errettung von Krankheit und Tode,
aͤrger als zuvor der Suͤnde und ihrem Flei-
ſche dienen. Laſſe ſich alſo jedermann zur
Bekehrung locken, weil der Geiſt JEſu
darzu antreibet.

Da alſo gedachtem Montage bey un-
ſerer ſeligen Perſon ſich der unvermuthete
Botte zeigte, der die Todespoſt uͤberbrachte,
und gewaltig ins Herze hineinrufte: Be-
ſtelle dein Hauß, denn du wirſt ſterben;
ſo laͤſſet ſie am Mitwochen in der Fruͤhe den
Prediger zu ſich bitten, der denn auch un-
geſaͤumet ſich zu ihr verfuͤgte. Da fande
er einen Anblick, der wechſelsweiſe ihn zu
einem eben ſo zaͤrtlichen Mitleiden, als inni-
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[250/0302] Der groſſen und ſeligen (und vielleicht wider deinen Willen) un- nuͤtze biſt, der Welt und ihren Luͤſten zu dienen, und da die Schmerzen der Krank- heit, und die Angſt fuͤr dem was zukuͤnftig iſt, auch dem haͤrteſten Suͤnder einige Be- wegungen zur Buſſe abdringen, und ihn vermoͤgen koͤnnen, Bekaͤnntniſſe der Reue, und Beſſerung zu zeigen, die aber bey de- nen meiſten wie ein Dampf wieder verflie- gen, ſo bald der HErr von der Krankheit wieder aufhilfet, und das Gewiſſen wieder Luft kriegt. Wie verdaͤchtig aller Anſchein zur Bekehrung auf dem Todtenbette ſey, zeigen die vielen Exempel ſolcher, die nach ihrer Errettung von Krankheit und Tode, aͤrger als zuvor der Suͤnde und ihrem Flei- ſche dienen. Laſſe ſich alſo jedermann zur Bekehrung locken, weil der Geiſt JEſu darzu antreibet. Da alſo gedachtem Montage bey un- ſerer ſeligen Perſon ſich der unvermuthete Botte zeigte, der die Todespoſt uͤberbrachte, und gewaltig ins Herze hineinrufte: Be- ſtelle dein Hauß, denn du wirſt ſterben; ſo laͤſſet ſie am Mitwochen in der Fruͤhe den Prediger zu ſich bitten, der denn auch un- geſaͤumet ſich zu ihr verfuͤgte. Da fande er einen Anblick, der wechſelsweiſe ihn zu einem eben ſo zaͤrtlichen Mitleiden, als inni- ger und herzlicher Freude bewegte. Er ſahe vor

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Zitationshilfe: Meyer, Johannes: Die grossen und seligen Thaten der Gnade. Zürich, 1759, S. 250. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_wiedergebohrne_1759/302>, abgerufen am 14.05.2024.