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Meyer, Johannes: Die grossen und seligen Thaten der Gnade. Zürich, 1759.

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Thaten der Gnade. III. Stück.
übrige Kräfte dazu anzuwenden, sich der-
selben zu entschlagen, ohne daß sie noch an
das ungeheure Sündenregifster denken dür-
fen, welches sie sich durch ihren ganzen Le-
benslauf gesammlet, und sich damit den
Zorn auf den Tag des Zornes gehäufet.
O wie viele gehen auf diese Weise stumm in
die Ewigkeit! Aber gesetzt, der HErr wür-
de sich auf ein langwieriges und erträgli-
ches Krankenbette legen; gesetzt! du hättest
Zeit und Kräfte genug, alsdenn an deiner
Bekehrung zu arbeiten! Wer versichert
dich aber, daß er HErr werde willig seyn,
dir die Gnade zur Bekehrung alsdenn noch
zu schenken? Wen hast du zum Bürge?
daß die Thränen und die Seufzer, die die
Todesangst und die Furcht vor der Ewig-
keit dir noch auspressen möchten, dem HErrn
werden angenehm seyn, nachdem du die
Tage des Heils und die angenehme Zeit so
muthwillig versäumet, alle deine Kräfte
mit der Welt und der Sünde verzehret, und
dich gleichsam in denen Wegen deiner Ue-
bertrettungen müde gearbeitet hast? Aber
ich will dir auch das zugeben, ich will
glauben, der HErr werde willig seyn, deine
Thränen und deine Seufzer anzunehmen,
wer weiß aber, ob alsdenn dein Herze auf-
richtig und redlich wäre, da du in dem
Stande des anrückenden Todes ohnedem

(und
Q 5

Thaten der Gnade. III. Stuͤck.
uͤbrige Kraͤfte dazu anzuwenden, ſich der-
ſelben zu entſchlagen, ohne daß ſie noch an
das ungeheure Suͤndenregifſter denken duͤr-
fen, welches ſie ſich durch ihren ganzen Le-
benslauf geſammlet, und ſich damit den
Zorn auf den Tag des Zornes gehaͤufet.
O wie viele gehen auf dieſe Weiſe ſtumm in
die Ewigkeit! Aber geſetzt, der HErr wuͤr-
de ſich auf ein langwieriges und ertraͤgli-
ches Krankenbette legen; geſetzt! du haͤtteſt
Zeit und Kraͤfte genug, alsdenn an deiner
Bekehrung zu arbeiten! Wer verſichert
dich aber, daß er HErr werde willig ſeyn,
dir die Gnade zur Bekehrung alsdenn noch
zu ſchenken? Wen haſt du zum Buͤrge?
daß die Thraͤnen und die Seufzer, die die
Todesangſt und die Furcht vor der Ewig-
keit dir noch auspreſſen moͤchten, dem HErrn
werden angenehm ſeyn, nachdem du die
Tage des Heils und die angenehme Zeit ſo
muthwillig verſaͤumet, alle deine Kraͤfte
mit der Welt und der Suͤnde verzehret, und
dich gleichſam in denen Wegen deiner Ue-
bertrettungen muͤde gearbeitet haſt? Aber
ich will dir auch das zugeben, ich will
glauben, der HErr werde willig ſeyn, deine
Thraͤnen und deine Seufzer anzunehmen,
wer weiß aber, ob alsdenn dein Herze auf-
richtig und redlich waͤre, da du in dem
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[249/0301] Thaten der Gnade. III. Stuͤck. uͤbrige Kraͤfte dazu anzuwenden, ſich der- ſelben zu entſchlagen, ohne daß ſie noch an das ungeheure Suͤndenregifſter denken duͤr- fen, welches ſie ſich durch ihren ganzen Le- benslauf geſammlet, und ſich damit den Zorn auf den Tag des Zornes gehaͤufet. O wie viele gehen auf dieſe Weiſe ſtumm in die Ewigkeit! Aber geſetzt, der HErr wuͤr- de ſich auf ein langwieriges und ertraͤgli- ches Krankenbette legen; geſetzt! du haͤtteſt Zeit und Kraͤfte genug, alsdenn an deiner Bekehrung zu arbeiten! Wer verſichert dich aber, daß er HErr werde willig ſeyn, dir die Gnade zur Bekehrung alsdenn noch zu ſchenken? Wen haſt du zum Buͤrge? daß die Thraͤnen und die Seufzer, die die Todesangſt und die Furcht vor der Ewig- keit dir noch auspreſſen moͤchten, dem HErrn werden angenehm ſeyn, nachdem du die Tage des Heils und die angenehme Zeit ſo muthwillig verſaͤumet, alle deine Kraͤfte mit der Welt und der Suͤnde verzehret, und dich gleichſam in denen Wegen deiner Ue- bertrettungen muͤde gearbeitet haſt? Aber ich will dir auch das zugeben, ich will glauben, der HErr werde willig ſeyn, deine Thraͤnen und deine Seufzer anzunehmen, wer weiß aber, ob alsdenn dein Herze auf- richtig und redlich waͤre, da du in dem Stande des anruͤckenden Todes ohnedem (und Q 5

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Zitationshilfe: Meyer, Johannes: Die grossen und seligen Thaten der Gnade. Zürich, 1759, S. 249. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_wiedergebohrne_1759/301>, abgerufen am 14.05.2024.