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Meyer, Johannes: Die grossen und seligen Thaten der Gnade. Zürich, 1759.

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Der grossen und seligen
aber hier der Feind arg, so ist der Heyland
desto treuer, setzet jener alle Kunstgriffe an
zurückezuziehen, so ist dieser desto unermü-
deter beschäftiget, der Seele zum Durch-
bruch zu helfen. Der heilige Geist dringet
darum immer tiefer mit seinem Licht und
Kraft in die ängstlichkämpfende Seele, und
beweget sie, daß sie ihre Augen von sich selbst,
ihrem eigenen Elende und Sünden sowol,
als aller eigener Gutheit und Gerechtigkeit
abziehet, hingegen allein auf JEsum rich-
tet, und mit unverwendeten Blicken in sei-
ne Wunden starret. Je mehr nun die Ab-
gründe ihres Elendes ihr ins Gewissen
schreyen, und sie erschrecken, desto dringen-
der und beweglicher schreyet sie nach denen
Abgründen der Erbarmungen in Christo.
Je stärker und grausamer sie der Bluträ-
cher verfolget, sie hin und her treibet, und
verderben will, desto eilfertiger fliehet sie zu
denen offenen Freystätten der Wunden
JEsu, sie weinet, betet, kämpfet und glau-
bet sich durch alle Hindernisse durch. Das
erste Licht, die erste Offenbahrung und An-
erbietung von der Liebe, Gnade und Er-
barmung JEsu, fasset sie an, haltet sich
daran feste, lässet sich davon nicht mehr ab-
drängen, wird immer zuversichtlicher, und
kommt näher, biß sie endlich ihres Heylan-
des froh wird, seine Liebe schmecket, in seine

Arme

Der groſſen und ſeligen
aber hier der Feind arg, ſo iſt der Heyland
deſto treuer, ſetzet jener alle Kunſtgriffe an
zuruͤckezuziehen, ſo iſt dieſer deſto unermuͤ-
deter beſchaͤftiget, der Seele zum Durch-
bruch zu helfen. Der heilige Geiſt dringet
darum immer tiefer mit ſeinem Licht und
Kraft in die aͤngſtlichkaͤmpfende Seele, und
beweget ſie, daß ſie ihre Augen von ſich ſelbſt,
ihrem eigenen Elende und Suͤnden ſowol,
als aller eigener Gutheit und Gerechtigkeit
abziehet, hingegen allein auf JEſum rich-
tet, und mit unverwendeten Blicken in ſei-
ne Wunden ſtarret. Je mehr nun die Ab-
gruͤnde ihres Elendes ihr ins Gewiſſen
ſchreyen, und ſie erſchrecken, deſto dringen-
der und beweglicher ſchreyet ſie nach denen
Abgruͤnden der Erbarmungen in Chriſto.
Je ſtaͤrker und grauſamer ſie der Blutraͤ-
cher verfolget, ſie hin und her treibet, und
verderben will, deſto eilfertiger fliehet ſie zu
denen offenen Freyſtaͤtten der Wunden
JEſu, ſie weinet, betet, kaͤmpfet und glau-
bet ſich durch alle Hinderniſſe durch. Das
erſte Licht, die erſte Offenbahrung und An-
erbietung von der Liebe, Gnade und Er-
barmung JEſu, faſſet ſie an, haltet ſich
daran feſte, laͤſſet ſich davon nicht mehr ab-
draͤngen, wird immer zuverſichtlicher, und
kommt naͤher, biß ſie endlich ihres Heylan-
des froh wird, ſeine Liebe ſchmecket, in ſeine

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[184/0236] Der groſſen und ſeligen aber hier der Feind arg, ſo iſt der Heyland deſto treuer, ſetzet jener alle Kunſtgriffe an zuruͤckezuziehen, ſo iſt dieſer deſto unermuͤ- deter beſchaͤftiget, der Seele zum Durch- bruch zu helfen. Der heilige Geiſt dringet darum immer tiefer mit ſeinem Licht und Kraft in die aͤngſtlichkaͤmpfende Seele, und beweget ſie, daß ſie ihre Augen von ſich ſelbſt, ihrem eigenen Elende und Suͤnden ſowol, als aller eigener Gutheit und Gerechtigkeit abziehet, hingegen allein auf JEſum rich- tet, und mit unverwendeten Blicken in ſei- ne Wunden ſtarret. Je mehr nun die Ab- gruͤnde ihres Elendes ihr ins Gewiſſen ſchreyen, und ſie erſchrecken, deſto dringen- der und beweglicher ſchreyet ſie nach denen Abgruͤnden der Erbarmungen in Chriſto. Je ſtaͤrker und grauſamer ſie der Blutraͤ- cher verfolget, ſie hin und her treibet, und verderben will, deſto eilfertiger fliehet ſie zu denen offenen Freyſtaͤtten der Wunden JEſu, ſie weinet, betet, kaͤmpfet und glau- bet ſich durch alle Hinderniſſe durch. Das erſte Licht, die erſte Offenbahrung und An- erbietung von der Liebe, Gnade und Er- barmung JEſu, faſſet ſie an, haltet ſich daran feſte, laͤſſet ſich davon nicht mehr ab- draͤngen, wird immer zuverſichtlicher, und kommt naͤher, biß ſie endlich ihres Heylan- des froh wird, ſeine Liebe ſchmecket, in ſeine Arme

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Zitationshilfe: Meyer, Johannes: Die grossen und seligen Thaten der Gnade. Zürich, 1759, S. 184. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_wiedergebohrne_1759/236>, abgerufen am 07.05.2024.