blinde Vernunft rathen kan, an ihr Ge- müth wieder aufzuheitern. Sie suchten sie abzuhalten, zu ihrem ordentlichen Seelsor- ger zu gehen, von ihrem Seelenzustande mit ihm zu reden, und ihn um einen Rath aus dem göttlichen Worte, oder um sein Gebet zu ersuchen, mit dem Vorgeben, er werde ihr nur noch schwerer machen, sie könne genug von ihm in der Kirche hören. Man rieth ihr viele leibliche Arzneyen zu brauchen, damit ihr Uebel dadurch möchte gehoben werden. Und so suchten alle diese unverständige, und in denen göttlichen We- gen unerfahrne Rathgebere, das ihrige (wie- wolen freylich wider ihren Willen und Wis- sen) beyzutragen, sie von GOtt aufzuhalten, und von dem Leben der Seele abzuziehen.
So unaussprechlich blind und arm ist der Mensch von Natur, wenn das Licht der Gnade noch völlig vor ihm verdunkelt ist, und seine Augen mit Blindheit geschla- gen sind. Wie betrübt und recht erbärm- lich urtheilen solche Menschen (denen es öf- ters an natürlichem Witz und Verstande, an buchstäblicher Erkänntniß und Wissen nicht fehlet) von denen Wegen und Werken GOttes in der Seele! Da müssen die ge- heimen Wege in der Gnade, ein Uebel seyn, welches seinen Sitz in einem verdorbenen Geblüte habe, und die Arbeiten des Geistes
JEsu
Thaten der Gnade. II. Stuͤck.
blinde Vernunft rathen kan, an ihr Ge- muͤth wieder aufzuheitern. Sie ſuchten ſie abzuhalten, zu ihrem ordentlichen Seelſor- ger zu gehen, von ihrem Seelenzuſtande mit ihm zu reden, und ihn um einen Rath aus dem goͤttlichen Worte, oder um ſein Gebet zu erſuchen, mit dem Vorgeben, er werde ihr nur noch ſchwerer machen, ſie koͤnne genug von ihm in der Kirche hoͤren. Man rieth ihr viele leibliche Arzneyen zu brauchen, damit ihr Uebel dadurch moͤchte gehoben werden. Und ſo ſuchten alle dieſe unverſtaͤndige, und in denen goͤttlichen We- gen unerfahrne Rathgebere, das ihrige (wie- wolen freylich wider ihren Willen und Wiſ- ſen) beyzutragen, ſie von GOtt aufzuhalten, und von dem Leben der Seele abzuziehen.
So unausſprechlich blind und arm iſt der Menſch von Natur, wenn das Licht der Gnade noch voͤllig vor ihm verdunkelt iſt, und ſeine Augen mit Blindheit geſchla- gen ſind. Wie betruͤbt und recht erbaͤrm- lich urtheilen ſolche Menſchen (denen es oͤf- ters an natuͤrlichem Witz und Verſtande, an buchſtaͤblicher Erkaͤnntniß und Wiſſen nicht fehlet) von denen Wegen und Werken GOttes in der Seele! Da muͤſſen die ge- heimen Wege in der Gnade, ein Uebel ſeyn, welches ſeinen Sitz in einem verdorbenen Gebluͤte habe, und die Arbeiten des Geiſtes
JEſu
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Thaten der Gnade. II. Stuͤck.
blinde Vernunft rathen kan, an ihr Ge-
muͤth wieder aufzuheitern. Sie ſuchten ſie
abzuhalten, zu ihrem ordentlichen Seelſor-
ger zu gehen, von ihrem Seelenzuſtande
mit ihm zu reden, und ihn um einen Rath
aus dem goͤttlichen Worte, oder um ſein
Gebet zu erſuchen, mit dem Vorgeben, er
werde ihr nur noch ſchwerer machen, ſie
koͤnne genug von ihm in der Kirche hoͤren.
Man rieth ihr viele leibliche Arzneyen zu
brauchen, damit ihr Uebel dadurch moͤchte
gehoben werden. Und ſo ſuchten alle dieſe
unverſtaͤndige, und in denen goͤttlichen We-
gen unerfahrne Rathgebere, das ihrige (wie-
wolen freylich wider ihren Willen und Wiſ-
ſen) beyzutragen, ſie von GOtt aufzuhalten,
und von dem Leben der Seele abzuziehen.
So unausſprechlich blind und arm iſt
der Menſch von Natur, wenn das Licht
der Gnade noch voͤllig vor ihm verdunkelt
iſt, und ſeine Augen mit Blindheit geſchla-
gen ſind. Wie betruͤbt und recht erbaͤrm-
lich urtheilen ſolche Menſchen (denen es oͤf-
ters an natuͤrlichem Witz und Verſtande,
an buchſtaͤblicher Erkaͤnntniß und Wiſſen
nicht fehlet) von denen Wegen und Werken
GOttes in der Seele! Da muͤſſen die ge-
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welches ſeinen Sitz in einem verdorbenen
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Meyer, Johannes: Die grossen und seligen Thaten der Gnade. Zürich, 1759, S. 123. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_wiedergebohrne_1759/175>, abgerufen am 16.07.2024.
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