Meyer, Johannes: Die grossen und seligen Thaten der Gnade. Zürich, 1759.Der grossen und seligen Guter Hirte der Schaafe! mit was tung Gnade in einer Seele suchen will. Wir ha-
ben ja dergleichen Beyspiele nicht nur in de- nen Offenbarungen des göttlichen Wortes, sondern die ältere und neuere Zeiten liefern uns deren noch viele. Wir kennen auch heu- te den HErrn, als einen Liebhaber des Lebens, und haben weder in dem göttlichen Worte, noch in der Vernunft Gründe, dergleichen Thaten seiner Gnade und Liebe zu läugnen. Der groſſen und ſeligen Guter Hirte der Schaafe! mit was tung Gnade in einer Seele ſuchen will. Wir ha-
ben ja dergleichen Beyſpiele nicht nur in de- nen Offenbarungen des goͤttlichen Wortes, ſondern die aͤltere und neuere Zeiten liefern uns deren noch viele. Wir kennen auch heu- te den HErrn, als einen Liebhaber des Lebens, und haben weder in dem goͤttlichen Worte, noch in der Vernunft Gruͤnde, dergleichen Thaten ſeiner Gnade und Liebe zu laͤugnen. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0114" n="62"/> <fw place="top" type="header">Der groſſen und ſeligen</fw><lb/> <p>Guter Hirte der Schaafe! mit was<lb/> fuͤr einer ſuͤſſen und empfindlichen Verwun-<lb/> derung, mit wie vielem freudigen Gefuͤhl<lb/> uͤber deine unausſprechliche Liebe wird mei-<lb/> ne Seele durchdrungen! O wie vielmahl lo-<lb/> ckeſt du die verirrte Schaafe, laͤſſeſt ſie bey<lb/> Zeiten deine Stimme hoͤren, und ſucheſt<lb/> ſie als Laͤmmer in deine Arme zu ſammlen.<lb/> Aber wir ſind thorrecht, vergaffen uns an<lb/> der Erde, und laſſen uns durch die Lock-<lb/> aſſe der Seelenfeinden hinreiſſen. Unſere<lb/> Herzen ſind angefuͤllet von dem Geraͤuſche<lb/> der Welt und der Eigenheit, daß wir deine<lb/> Stimme nicht hoͤren, und zu dir laufen<lb/> koͤnnen. Aber deine Liebe laͤſſet dich nicht<lb/> ruhen, anzuhalten, und uͤberlaut zu ſchreyen,<lb/> bis wirs hoͤren und merken, und uns zu<lb/> dir bringen laſſen. Leere uns, ſuͤſſer Hey-<lb/> land! von allem Ankleben an die Creatur<lb/> und Eigenliebe aus, ſammle uns in die<lb/> Stille! daß wir auf deine Gegenwart Ach-<lb/> <fw place="bottom" type="catch">tung</fw><lb/><note xml:id="seg2pn_2_2" prev="#seg2pn_2_1" place="foot" n="b.)">Gnade in einer Seele ſuchen will. Wir ha-<lb/> ben ja dergleichen Beyſpiele nicht nur in de-<lb/> nen Offenbarungen des goͤttlichen Wortes,<lb/> ſondern die aͤltere und neuere Zeiten liefern<lb/> uns deren noch viele. Wir kennen auch heu-<lb/> te den HErrn, als einen Liebhaber des Lebens,<lb/> und haben weder in dem goͤttlichen Worte,<lb/> noch in der Vernunft Gruͤnde, dergleichen<lb/> Thaten ſeiner Gnade und Liebe zu laͤugnen.</note><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [62/0114]
Der groſſen und ſeligen
Guter Hirte der Schaafe! mit was
fuͤr einer ſuͤſſen und empfindlichen Verwun-
derung, mit wie vielem freudigen Gefuͤhl
uͤber deine unausſprechliche Liebe wird mei-
ne Seele durchdrungen! O wie vielmahl lo-
ckeſt du die verirrte Schaafe, laͤſſeſt ſie bey
Zeiten deine Stimme hoͤren, und ſucheſt
ſie als Laͤmmer in deine Arme zu ſammlen.
Aber wir ſind thorrecht, vergaffen uns an
der Erde, und laſſen uns durch die Lock-
aſſe der Seelenfeinden hinreiſſen. Unſere
Herzen ſind angefuͤllet von dem Geraͤuſche
der Welt und der Eigenheit, daß wir deine
Stimme nicht hoͤren, und zu dir laufen
koͤnnen. Aber deine Liebe laͤſſet dich nicht
ruhen, anzuhalten, und uͤberlaut zu ſchreyen,
bis wirs hoͤren und merken, und uns zu
dir bringen laſſen. Leere uns, ſuͤſſer Hey-
land! von allem Ankleben an die Creatur
und Eigenliebe aus, ſammle uns in die
Stille! daß wir auf deine Gegenwart Ach-
tung
b.)
b.) Gnade in einer Seele ſuchen will. Wir ha-
ben ja dergleichen Beyſpiele nicht nur in de-
nen Offenbarungen des goͤttlichen Wortes,
ſondern die aͤltere und neuere Zeiten liefern
uns deren noch viele. Wir kennen auch heu-
te den HErrn, als einen Liebhaber des Lebens,
und haben weder in dem goͤttlichen Worte,
noch in der Vernunft Gruͤnde, dergleichen
Thaten ſeiner Gnade und Liebe zu laͤugnen.
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