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Meyer, Conrad Ferdinand: Georg Jenatsch. Leipzig, 1876.

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stehen. Eure Pferde und Leute sind unten bereit.
Noch ist es möglich, wenn die Prätigauer uns den
Rücken decken, nach der Rheinschanze durchzudringen.
Begegnet uns Volksgesindel, so reiten wir es nieder."

Herzog Heinrich hieß diesen muthigen Vorschlag,
welcher seinen eigenen Entschluß aussprach, mit einer
zustimmenden Kopfbewegung gut und schritt, Herrn
Sprecher flüchtig grüßend, rasch dem Ausgange zu.

Aber schon war er ein Gefangener.

Als Wertmüller die Thüre des Vorsaales aufriß,
ertönte von unten her Gemurmel zahlreicher Stimmen
und schleifendes Geräusch treppansteigender Füße. Man
vernahm Sporengeklirr und gedämpften Wortwechsel.
Der Herzog blieb stehen und legte die Hand an den
Degen.

Vor der Thüre zauderten und drängten sich Ge¬
stalten, die einen in Waffen, die andern in Staats¬
tracht. Keiner wagte es, sich voranzustellen. Jetzt
wichen sie zur Seite und gaben Raum. Georg Jenatsch
trat aus ihnen hervor und überschritt die Schwelle.
Ihm folgten Guler, der Graf Travers und ein statt¬
licher Mann in bürgermeisterlichem Ornate und goldener
Kette mit großgeschnittenem, fleischigen Gesicht und
leicht schielenden Augen.

Der Oberst Jenatsch war baarhaupt und näherte

ſtehen. Eure Pferde und Leute ſind unten bereit.
Noch iſt es möglich, wenn die Prätigauer uns den
Rücken decken, nach der Rheinſchanze durchzudringen.
Begegnet uns Volksgeſindel, ſo reiten wir es nieder.“

Herzog Heinrich hieß dieſen muthigen Vorſchlag,
welcher ſeinen eigenen Entſchluß ausſprach, mit einer
zuſtimmenden Kopfbewegung gut und ſchritt, Herrn
Sprecher flüchtig grüßend, raſch dem Ausgange zu.

Aber ſchon war er ein Gefangener.

Als Wertmüller die Thüre des Vorſaales aufriß,
ertönte von unten her Gemurmel zahlreicher Stimmen
und ſchleifendes Geräuſch treppanſteigender Füße. Man
vernahm Sporengeklirr und gedämpften Wortwechſel.
Der Herzog blieb ſtehen und legte die Hand an den
Degen.

Vor der Thüre zauderten und drängten ſich Ge¬
ſtalten, die einen in Waffen, die andern in Staats¬
tracht. Keiner wagte es, ſich voranzuſtellen. Jetzt
wichen ſie zur Seite und gaben Raum. Georg Jenatſch
trat aus ihnen hervor und überſchritt die Schwelle.
Ihm folgten Guler, der Graf Travers und ein ſtatt¬
licher Mann in bürgermeiſterlichem Ornate und goldener
Kette mit großgeſchnittenem, fleiſchigen Geſicht und
leicht ſchielenden Augen.

Der Oberſt Jenatſch war baarhaupt und näherte

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[316/0326] ſtehen. Eure Pferde und Leute ſind unten bereit. Noch iſt es möglich, wenn die Prätigauer uns den Rücken decken, nach der Rheinſchanze durchzudringen. Begegnet uns Volksgeſindel, ſo reiten wir es nieder.“ Herzog Heinrich hieß dieſen muthigen Vorſchlag, welcher ſeinen eigenen Entſchluß ausſprach, mit einer zuſtimmenden Kopfbewegung gut und ſchritt, Herrn Sprecher flüchtig grüßend, raſch dem Ausgange zu. Aber ſchon war er ein Gefangener. Als Wertmüller die Thüre des Vorſaales aufriß, ertönte von unten her Gemurmel zahlreicher Stimmen und ſchleifendes Geräuſch treppanſteigender Füße. Man vernahm Sporengeklirr und gedämpften Wortwechſel. Der Herzog blieb ſtehen und legte die Hand an den Degen. Vor der Thüre zauderten und drängten ſich Ge¬ ſtalten, die einen in Waffen, die andern in Staats¬ tracht. Keiner wagte es, ſich voranzuſtellen. Jetzt wichen ſie zur Seite und gaben Raum. Georg Jenatſch trat aus ihnen hervor und überſchritt die Schwelle. Ihm folgten Guler, der Graf Travers und ein ſtatt¬ licher Mann in bürgermeiſterlichem Ornate und goldener Kette mit großgeſchnittenem, fleiſchigen Geſicht und leicht ſchielenden Augen. Der Oberſt Jenatſch war baarhaupt und näherte

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Zitationshilfe: Meyer, Conrad Ferdinand: Georg Jenatsch. Leipzig, 1876, S. 316. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_jenatsch_1876/326>, abgerufen am 19.05.2024.