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Menzel, Carl August (Hrsg.): Der praktische Maurer. Halle, 1847.

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Steine nach einer etwas gekrümmten Linie (im Spitzbogen) überkragt,
viel mehr Standfähigkeit haben mußten. Deshalb findet man
alle diese mit Ueberkragung gebildeten Decken des Alterthums nach
einem mehr oder weniger steilen Spitzbogen gebildet, wobei aber, wie
bereits erwähnt, die sämmtlichen Lagerfugen wagerecht, die sämmtlichen
Stoßfugen senkrecht waren.

Der Vortheil dieses ganz einfachen Systems der Deckenbildung
war, daß bei |der wagerechten Lagerung der Steine kein Seitenschub
eintrat, sondern nur ein senkrechter Druck von oben statt fand. Man
brauchte deshalb hierbei die Seitenmauern nicht zu verstärken, um
irgend einem Seitenschube zu widerstehen, man brauchte sie nur so
stark zu machen, daß sie sich selbst zu tragen im Stande waren.

Es ist also in diesem ganzen Systeme kein Bestreben nach Be-
wegung, sondern das Ganze ist in immerwährender und vollkommener
Ruhe und daher seine große Festigkeit und lange Dauer. Man hat
später diese wagerechten Gewölbe (wenn man sie so nennen darf)
durch kleinere Steinstücken nachzubilden versucht, so daß die untere
Fläche des Gewölbes eine wagerechte oder sogenannte scheitrechte
Linie bildet und diese Gewölbe sind unter dem Namen der sogenann-
ten scheitrechten Bögen bekannt. Wir werden im Verfolg sehen,
welchen unnützen Schwierigkeiten sie hinsichtlich ihrer Fügung unter-
worfen sind, wenn man sie gegen die höchst einfache wagerechte Stein-
decke des Alterthums hält.

Das Verhältniß einzelner großer Steine, welche frei über einen
gegebenen Raum liegend, die Decke desselben bilden, ist gewöhnlich so,
daß die Breite vier Theile, die Höhe fünf Theile enthält.

Haben solche Deckensteine keine Last zu tragen, außer ihrer
eignen, so können sie je nach ihrer Festigkeit, sieben, höchstens neun-
mal so weit frei liegen, als sie hoch sind, bei oben erwähntem Ver-
hältniß der Breite zur Höhe.

Sind sie dagegen belastet (wie z. B. die Architraven der Säu-
len, durch Fries und Deckgesims) so können sie nur dreimal, höchstens
fünfmal so weit frei liegen als sie hoch sind, je nach Verhältniß der
Belastung und der eignen Festigkeit des Steines. Um einem über
eine Oeffnung wagerecht liegenden Steine mehr Unterstützung zu ge-
ben, stellte man die beiden Steine welche ihn trugen, nicht senkrecht,
sondern man neigte sie so gegen einander, daß sie oben enger stan-
den als unten und daß deshalb der Deckstein nicht so weit frei zu
liegen kam, als er gelegen haben würde, wenn man die beiden Stein-
stützen senkrecht gestellt hätte. Hierdurch erhielt der wagerechte Stein

Steine nach einer etwas gekrümmten Linie (im Spitzbogen) überkragt,
viel mehr Standfähigkeit haben mußten. Deshalb findet man
alle dieſe mit Ueberkragung gebildeten Decken des Alterthums nach
einem mehr oder weniger ſteilen Spitzbogen gebildet, wobei aber, wie
bereits erwähnt, die ſämmtlichen Lagerfugen wagerecht, die ſämmtlichen
Stoßfugen ſenkrecht waren.

Der Vortheil dieſes ganz einfachen Syſtems der Deckenbildung
war, daß bei |der wagerechten Lagerung der Steine kein Seitenſchub
eintrat, ſondern nur ein ſenkrechter Druck von oben ſtatt fand. Man
brauchte deshalb hierbei die Seitenmauern nicht zu verſtärken, um
irgend einem Seitenſchube zu widerſtehen, man brauchte ſie nur ſo
ſtark zu machen, daß ſie ſich ſelbſt zu tragen im Stande waren.

Es iſt alſo in dieſem ganzen Syſteme kein Beſtreben nach Be-
wegung, ſondern das Ganze iſt in immerwährender und vollkommener
Ruhe und daher ſeine große Feſtigkeit und lange Dauer. Man hat
ſpäter dieſe wagerechten Gewölbe (wenn man ſie ſo nennen darf)
durch kleinere Steinſtücken nachzubilden verſucht, ſo daß die untere
Fläche des Gewölbes eine wagerechte oder ſogenannte ſcheitrechte
Linie bildet und dieſe Gewölbe ſind unter dem Namen der ſogenann-
ten ſcheitrechten Bögen bekannt. Wir werden im Verfolg ſehen,
welchen unnützen Schwierigkeiten ſie hinſichtlich ihrer Fügung unter-
worfen ſind, wenn man ſie gegen die höchſt einfache wagerechte Stein-
decke des Alterthums hält.

Das Verhältniß einzelner großer Steine, welche frei über einen
gegebenen Raum liegend, die Decke deſſelben bilden, iſt gewöhnlich ſo,
daß die Breite vier Theile, die Höhe fünf Theile enthält.

Haben ſolche Deckenſteine keine Laſt zu tragen, außer ihrer
eignen, ſo können ſie je nach ihrer Feſtigkeit, ſieben, höchſtens neun-
mal ſo weit frei liegen, als ſie hoch ſind, bei oben erwähntem Ver-
hältniß der Breite zur Höhe.

Sind ſie dagegen belaſtet (wie z. B. die Architraven der Säu-
len, durch Fries und Deckgeſims) ſo können ſie nur dreimal, höchſtens
fünfmal ſo weit frei liegen als ſie hoch ſind, je nach Verhältniß der
Belaſtung und der eignen Feſtigkeit des Steines. Um einem über
eine Oeffnung wagerecht liegenden Steine mehr Unterſtützung zu ge-
ben, ſtellte man die beiden Steine welche ihn trugen, nicht ſenkrecht,
ſondern man neigte ſie ſo gegen einander, daß ſie oben enger ſtan-
den als unten und daß deshalb der Deckſtein nicht ſo weit frei zu
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[158/0168] Steine nach einer etwas gekrümmten Linie (im Spitzbogen) überkragt, viel mehr Standfähigkeit haben mußten. Deshalb findet man alle dieſe mit Ueberkragung gebildeten Decken des Alterthums nach einem mehr oder weniger ſteilen Spitzbogen gebildet, wobei aber, wie bereits erwähnt, die ſämmtlichen Lagerfugen wagerecht, die ſämmtlichen Stoßfugen ſenkrecht waren. Der Vortheil dieſes ganz einfachen Syſtems der Deckenbildung war, daß bei |der wagerechten Lagerung der Steine kein Seitenſchub eintrat, ſondern nur ein ſenkrechter Druck von oben ſtatt fand. Man brauchte deshalb hierbei die Seitenmauern nicht zu verſtärken, um irgend einem Seitenſchube zu widerſtehen, man brauchte ſie nur ſo ſtark zu machen, daß ſie ſich ſelbſt zu tragen im Stande waren. Es iſt alſo in dieſem ganzen Syſteme kein Beſtreben nach Be- wegung, ſondern das Ganze iſt in immerwährender und vollkommener Ruhe und daher ſeine große Feſtigkeit und lange Dauer. Man hat ſpäter dieſe wagerechten Gewölbe (wenn man ſie ſo nennen darf) durch kleinere Steinſtücken nachzubilden verſucht, ſo daß die untere Fläche des Gewölbes eine wagerechte oder ſogenannte ſcheitrechte Linie bildet und dieſe Gewölbe ſind unter dem Namen der ſogenann- ten ſcheitrechten Bögen bekannt. Wir werden im Verfolg ſehen, welchen unnützen Schwierigkeiten ſie hinſichtlich ihrer Fügung unter- worfen ſind, wenn man ſie gegen die höchſt einfache wagerechte Stein- decke des Alterthums hält. Das Verhältniß einzelner großer Steine, welche frei über einen gegebenen Raum liegend, die Decke deſſelben bilden, iſt gewöhnlich ſo, daß die Breite vier Theile, die Höhe fünf Theile enthält. Haben ſolche Deckenſteine keine Laſt zu tragen, außer ihrer eignen, ſo können ſie je nach ihrer Feſtigkeit, ſieben, höchſtens neun- mal ſo weit frei liegen, als ſie hoch ſind, bei oben erwähntem Ver- hältniß der Breite zur Höhe. Sind ſie dagegen belaſtet (wie z. B. die Architraven der Säu- len, durch Fries und Deckgeſims) ſo können ſie nur dreimal, höchſtens fünfmal ſo weit frei liegen als ſie hoch ſind, je nach Verhältniß der Belaſtung und der eignen Feſtigkeit des Steines. Um einem über eine Oeffnung wagerecht liegenden Steine mehr Unterſtützung zu ge- ben, ſtellte man die beiden Steine welche ihn trugen, nicht ſenkrecht, ſondern man neigte ſie ſo gegen einander, daß ſie oben enger ſtan- den als unten und daß deshalb der Deckſtein nicht ſo weit frei zu liegen kam, als er gelegen haben würde, wenn man die beiden Stein- ſtützen ſenkrecht geſtellt hätte. Hierdurch erhielt der wagerechte Stein

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Zitationshilfe: Menzel, Carl August (Hrsg.): Der praktische Maurer. Halle, 1847, S. 158. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/menzel_maurer_1847/168>, abgerufen am 22.11.2024.