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Menzel, Wolfgang: Die deutsche Literatur. Bd. 2. Stuttgart, 1828.

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wenn er uns nur dafür den ganzen Zauber der frem¬
den entfaltet hätte. Aber auch die griechische Muse
ist spröde seinen plumpen Zärtlichkeiten ausgewichen.
Wie war es möglich, daß er in einem steifen, zwang¬
voll zusammengeschraubten, ganz unnatürlichem Deutsch
nur eine Spur von ionischer Anmuth ausdrücken konnte?
Weit entfernt, uns die lächelnden Grazien seiner
Originale zu zeigen, hat er nicht einmal das nächste
gröbste Ziel eines Übersetzers erreicht, die Verständ¬
lichkeit. Wol[l]en wir seine Übersetzungen verstehn, so
müssen wir das Original zu Rathe ziehn, wir müs¬
sen sein Küchendeutsch ins Griechische übersetzen, um
nur zu wissen, was er sagen will. Wie kann endlich
bei ihm irgend von einer leichten und richtigen Auf¬
fassung der innersten Eigenthümlichkeit eines fremden
Dichters die Rede seyn, da er sie alle über einen
Leisten schlägt. Ob Voß den Hesiod, Homer, Theo¬
krit, Virgil, Ovid, Horaz, Shakspeare oder ein
altes Minnelied übersetzt, überall hören wir nur das
bocksteife Roß seiner Prosa traben, und selbst der
starke Genius Shakspeare's vermag es nicht um ein
kleines aus dem Takt zu bringen. Man kann den
Übersetzer daran erproben, daß man ihn zwei ganz
entgegengesetzte Dichter übersetzen läßt. Sehn sie sich
dann ähnlicher, als zuvor, so ist die Übersetzung ge¬
wiß bei beiden untreu, im eigenthümlichen Charakter
verfehlt. Voß hat diese Probe gemacht und ist schlecht
bestanden. Frisch und gesund sind die guten alten
Dichter in seinem Hexenkessel untergetaucht, und als

wenn er uns nur dafuͤr den ganzen Zauber der frem¬
den entfaltet haͤtte. Aber auch die griechiſche Muſe
iſt ſproͤde ſeinen plumpen Zaͤrtlichkeiten ausgewichen.
Wie war es moͤglich, daß er in einem ſteifen, zwang¬
voll zuſammengeſchraubten, ganz unnatuͤrlichem Deutſch
nur eine Spur von ioniſcher Anmuth ausdruͤcken konnte?
Weit entfernt, uns die laͤchelnden Grazien ſeiner
Originale zu zeigen, hat er nicht einmal das naͤchſte
groͤbſte Ziel eines Überſetzers erreicht, die Verſtaͤnd¬
lichkeit. Wol[l]en wir ſeine Überſetzungen verſtehn, ſo
muͤſſen wir das Original zu Rathe ziehn, wir muͤſ¬
ſen ſein Kuͤchendeutſch ins Griechiſche uͤberſetzen, um
nur zu wiſſen, was er ſagen will. Wie kann endlich
bei ihm irgend von einer leichten und richtigen Auf¬
faſſung der innerſten Eigenthuͤmlichkeit eines fremden
Dichters die Rede ſeyn, da er ſie alle uͤber einen
Leiſten ſchlaͤgt. Ob Voß den Heſiod, Homer, Theo¬
krit, Virgil, Ovid, Horaz, Shakſpeare oder ein
altes Minnelied uͤberſetzt, uͤberall hoͤren wir nur das
bockſteife Roß ſeiner Proſa traben, und ſelbſt der
ſtarke Genius Shakſpeare's vermag es nicht um ein
kleines aus dem Takt zu bringen. Man kann den
Überſetzer daran erproben, daß man ihn zwei ganz
entgegengeſetzte Dichter uͤberſetzen laͤßt. Sehn ſie ſich
dann aͤhnlicher, als zuvor, ſo iſt die Überſetzung ge¬
wiß bei beiden untreu, im eigenthuͤmlichen Charakter
verfehlt. Voß hat dieſe Probe gemacht und iſt ſchlecht
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[82/0092] wenn er uns nur dafuͤr den ganzen Zauber der frem¬ den entfaltet haͤtte. Aber auch die griechiſche Muſe iſt ſproͤde ſeinen plumpen Zaͤrtlichkeiten ausgewichen. Wie war es moͤglich, daß er in einem ſteifen, zwang¬ voll zuſammengeſchraubten, ganz unnatuͤrlichem Deutſch nur eine Spur von ioniſcher Anmuth ausdruͤcken konnte? Weit entfernt, uns die laͤchelnden Grazien ſeiner Originale zu zeigen, hat er nicht einmal das naͤchſte groͤbſte Ziel eines Überſetzers erreicht, die Verſtaͤnd¬ lichkeit. Wollen wir ſeine Überſetzungen verſtehn, ſo muͤſſen wir das Original zu Rathe ziehn, wir muͤſ¬ ſen ſein Kuͤchendeutſch ins Griechiſche uͤberſetzen, um nur zu wiſſen, was er ſagen will. Wie kann endlich bei ihm irgend von einer leichten und richtigen Auf¬ faſſung der innerſten Eigenthuͤmlichkeit eines fremden Dichters die Rede ſeyn, da er ſie alle uͤber einen Leiſten ſchlaͤgt. Ob Voß den Heſiod, Homer, Theo¬ krit, Virgil, Ovid, Horaz, Shakſpeare oder ein altes Minnelied uͤberſetzt, uͤberall hoͤren wir nur das bockſteife Roß ſeiner Proſa traben, und ſelbſt der ſtarke Genius Shakſpeare's vermag es nicht um ein kleines aus dem Takt zu bringen. Man kann den Überſetzer daran erproben, daß man ihn zwei ganz entgegengeſetzte Dichter uͤberſetzen laͤßt. Sehn ſie ſich dann aͤhnlicher, als zuvor, ſo iſt die Überſetzung ge¬ wiß bei beiden untreu, im eigenthuͤmlichen Charakter verfehlt. Voß hat dieſe Probe gemacht und iſt ſchlecht beſtanden. Friſch und geſund ſind die guten alten Dichter in ſeinem Hexenkeſſel untergetaucht, und als

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Zitationshilfe: Menzel, Wolfgang: Die deutsche Literatur. Bd. 2. Stuttgart, 1828, S. 82. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/menzel_literatur02_1828/92>, abgerufen am 28.11.2024.