etwas Dunkles angenommen. Auch hier hat man be¬ stimmte Regeln, summirt, statt einen Begriff und Satz aus dem andern zu entwickeln. Indeß hat eben auch hier, wie überall, das Entdecken und Sammeln dem Ordnen und Wählen vorhergehn müssen.
In der Mechanik stehn wir, wie alle übrigen Völker, den Engländern nach, doch haben auch bei uns geniale Köpfe sehr sinnreiche und wichtige Er¬ findungen gemacht, und wir lernen von den Fremden, was wir nicht selbst ersinnen. Die Mechanik dient dem Nutzen so ausschließlich, daß der Geschmack nicht einmal in der Baukunst den ihm gebührenden Antheil geltend machen kann. Unsre Baukunst bringt durch¬ aus keine Werke hervor, die mit den alten in Ab¬ sicht auf Geschmack wetteifern könnten, und wenn wir auch den antiken oder gothischen Geschmack nachah¬ men, so sind dies vereinzelte Versuche, die gewöhn¬ lich zum Ganzen unsrer übrigen Bauweise nicht pas¬ sen. Wir sehn griechische Rundels und gothische Spitzen mitten unter unsern gemeinen viereckigen Häu¬ sern, und die barocke Mischung des Geschmacks hebt den Totaleindruck auf. Selbst der materielle Theil der Baukunst ist vernachlässigt. Jene große kunst¬ fertige Gilde der Maurer und Steinmetzen ist ver¬ schwunden, und die neuern Handwerker besitzen nicht mehr die Arkana, vermittelst welcher jene Alten die dauerhaftesten Werke gründeten.
In den militärischen Wissenschaften ist, vor¬ züglich seit Napoleons Kriegsherrschaft auch in Deutsch¬
etwas Dunkles angenommen. Auch hier hat man be¬ ſtimmte Regeln, ſummirt, ſtatt einen Begriff und Satz aus dem andern zu entwickeln. Indeß hat eben auch hier, wie uͤberall, das Entdecken und Sammeln dem Ordnen und Waͤhlen vorhergehn muͤſſen.
In der Mechanik ſtehn wir, wie alle uͤbrigen Voͤlker, den Englaͤndern nach, doch haben auch bei uns geniale Koͤpfe ſehr ſinnreiche und wichtige Er¬ findungen gemacht, und wir lernen von den Fremden, was wir nicht ſelbſt erſinnen. Die Mechanik dient dem Nutzen ſo ausſchließlich, daß der Geſchmack nicht einmal in der Baukunſt den ihm gebuͤhrenden Antheil geltend machen kann. Unſre Baukunſt bringt durch¬ aus keine Werke hervor, die mit den alten in Ab¬ ſicht auf Geſchmack wetteifern koͤnnten, und wenn wir auch den antiken oder gothiſchen Geſchmack nachah¬ men, ſo ſind dies vereinzelte Verſuche, die gewoͤhn¬ lich zum Ganzen unſrer uͤbrigen Bauweiſe nicht paſ¬ ſen. Wir ſehn griechiſche Rundels und gothiſche Spitzen mitten unter unſern gemeinen viereckigen Haͤu¬ ſern, und die barocke Miſchung des Geſchmacks hebt den Totaleindruck auf. Selbſt der materielle Theil der Baukunſt iſt vernachlaͤſſigt. Jene große kunſt¬ fertige Gilde der Maurer und Steinmetzen iſt ver¬ ſchwunden, und die neuern Handwerker beſitzen nicht mehr die Arkana, vermittelſt welcher jene Alten die dauerhafteſten Werke gruͤndeten.
In den militaͤriſchen Wiſſenſchaften iſt, vor¬ zuͤglich ſeit Napoleons Kriegsherrſchaft auch in Deutſch¬
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0043"n="33"/>
etwas Dunkles angenommen. Auch hier hat man be¬<lb/>ſtimmte Regeln, ſummirt, ſtatt einen Begriff und Satz<lb/>
aus dem andern zu entwickeln. Indeß hat eben auch<lb/>
hier, wie uͤberall, das Entdecken und Sammeln dem<lb/>
Ordnen und Waͤhlen vorhergehn muͤſſen.</p><lb/><p>In der <hirendition="#g">Mechanik</hi>ſtehn wir, wie alle uͤbrigen<lb/>
Voͤlker, den Englaͤndern nach, doch haben auch bei<lb/>
uns geniale Koͤpfe ſehr ſinnreiche und wichtige Er¬<lb/>
findungen gemacht, und wir lernen von den Fremden,<lb/>
was wir nicht ſelbſt erſinnen. Die Mechanik dient<lb/>
dem Nutzen ſo ausſchließlich, daß der Geſchmack nicht<lb/>
einmal in der Baukunſt den ihm gebuͤhrenden Antheil<lb/>
geltend machen kann. Unſre Baukunſt bringt durch¬<lb/>
aus keine Werke hervor, die mit den alten in Ab¬<lb/>ſicht auf Geſchmack wetteifern koͤnnten, und wenn wir<lb/>
auch den antiken oder gothiſchen Geſchmack nachah¬<lb/>
men, ſo ſind dies vereinzelte Verſuche, die gewoͤhn¬<lb/>
lich zum Ganzen unſrer uͤbrigen Bauweiſe nicht paſ¬<lb/>ſen. Wir ſehn griechiſche Rundels und gothiſche<lb/>
Spitzen mitten unter unſern gemeinen viereckigen Haͤu¬<lb/>ſern, und die barocke Miſchung des Geſchmacks hebt<lb/>
den Totaleindruck auf. Selbſt der materielle Theil<lb/>
der Baukunſt iſt vernachlaͤſſigt. Jene große kunſt¬<lb/>
fertige Gilde der Maurer und Steinmetzen iſt ver¬<lb/>ſchwunden, und die neuern Handwerker beſitzen nicht<lb/>
mehr die Arkana, vermittelſt welcher jene Alten die<lb/>
dauerhafteſten Werke gruͤndeten.</p><lb/><p>In den <hirendition="#g">militaͤriſchen</hi> Wiſſenſchaften iſt, vor¬<lb/>
zuͤglich ſeit Napoleons Kriegsherrſchaft auch in Deutſch¬<lb/></p></div></body></text></TEI>
[33/0043]
etwas Dunkles angenommen. Auch hier hat man be¬
ſtimmte Regeln, ſummirt, ſtatt einen Begriff und Satz
aus dem andern zu entwickeln. Indeß hat eben auch
hier, wie uͤberall, das Entdecken und Sammeln dem
Ordnen und Waͤhlen vorhergehn muͤſſen.
In der Mechanik ſtehn wir, wie alle uͤbrigen
Voͤlker, den Englaͤndern nach, doch haben auch bei
uns geniale Koͤpfe ſehr ſinnreiche und wichtige Er¬
findungen gemacht, und wir lernen von den Fremden,
was wir nicht ſelbſt erſinnen. Die Mechanik dient
dem Nutzen ſo ausſchließlich, daß der Geſchmack nicht
einmal in der Baukunſt den ihm gebuͤhrenden Antheil
geltend machen kann. Unſre Baukunſt bringt durch¬
aus keine Werke hervor, die mit den alten in Ab¬
ſicht auf Geſchmack wetteifern koͤnnten, und wenn wir
auch den antiken oder gothiſchen Geſchmack nachah¬
men, ſo ſind dies vereinzelte Verſuche, die gewoͤhn¬
lich zum Ganzen unſrer uͤbrigen Bauweiſe nicht paſ¬
ſen. Wir ſehn griechiſche Rundels und gothiſche
Spitzen mitten unter unſern gemeinen viereckigen Haͤu¬
ſern, und die barocke Miſchung des Geſchmacks hebt
den Totaleindruck auf. Selbſt der materielle Theil
der Baukunſt iſt vernachlaͤſſigt. Jene große kunſt¬
fertige Gilde der Maurer und Steinmetzen iſt ver¬
ſchwunden, und die neuern Handwerker beſitzen nicht
mehr die Arkana, vermittelſt welcher jene Alten die
dauerhafteſten Werke gruͤndeten.
In den militaͤriſchen Wiſſenſchaften iſt, vor¬
zuͤglich ſeit Napoleons Kriegsherrſchaft auch in Deutſch¬
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Menzel, Wolfgang: Die deutsche Literatur. Bd. 2. Stuttgart, 1828, S. 33. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/menzel_literatur02_1828/43>, abgerufen am 16.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.